Ein Gebäude des Lagers „Barutni Magacin“. Hier wurden Bosniaken gefangen gehalten, gefoltert und ermordet – unter ihnen: Abdurahman Filipovic.
Foto: © David Pettigrew

 

Unsere Autorin wuchs in dem Wissen auf, einst einen Onkel gehabt zu haben, der ermordet wurde. Um ihm näher zu kommen und um ihrer Familie ein Stück weit Frieden, Ruhe und Gerechtigkeit zurückzugeben, begibt sie sich Jahre später auf Spurensuche. Es sind die Spuren unmenschlicher Verbrechen.

Von Aida Hadžimušic am 5. August 2021

Foto: Wikipedia; gemeinfrei
Bearbeitung: studio mediamacs Bozen

Er war groß – und er hatte schwarze Haare, die ihm bereits ausgingen. Er trug eine Brille. Man sagt, er sei ein außergewöhnlich freundlicher und ruhiger Typ gewesen – aber auch jemand, der oft Streiche spielte. Es war ihm unangenehm, über Politik zu sprechen, weshalb er dies möglichst vermied. Das sagt jedenfalls der Bruder des Mannes, mit dem er immer Schach gespielt hat. Er war Arzt – der einzige bosniakische Arzt im bosnischen Ort Kalinovik. Mutter sagt, dass er extrem hart gearbeitet habe, als er in Sarajevo Medizin studierte. Sie erinnert sich, dass er während ihrer Hochzeit im Badezimmer der Studiowohnung der Familie für Prüfungen lernte. Sie nannte ihn „Braco“ (kleiner Bruder), was auch im erweiterten Familienkreis sein Spitzname war.

All‘ dies sind Fragmente. Ich habe sie von verschiedenen Leuten zusammengesammelt: von Schwestern, Brüdern, Freunden und anderen Bekannten oder Verwandten. Sie helfen mir, eine Vorstellung von der Person und dem Leben eines Mannes zu bekommen, der mein Onkel war. Ich bin jetzt 32 Jahre alt. Abdurahman Filipovic war nur zwei Jahre älter, als er ermordet wurde. Am 5. August 2021, der Tag an dem ich diese Zeilen schreibe, ist es genau 29 Jahre her, dass er zusammen mit 24 anderen Personen erschossen wurde. Zuvor hatte man sie alle an einen Ort namens „Tuzlaks Scheune“ gebracht.

Der Zufall und das (Un)Wissen um Bracos Tod

Von 25 Personen hat einer überlebt: Fejzija Hadžic, ehemaliger Direktor des Versorgungsunternehmens in Kalinovik. Im Rahmen seiner Zeugenaussage vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag berichtete er, dass diejenigen, die ihn dorthin gebracht hatten, von Pero Elez und Zeko Vukovic befehligt wurden. Hadžic sagte aus, dass sie in Gruppen erschossen werden sollten. Einige von ihnen mussten die Leichen in die Scheune werfen, bevor sie selbst starben. Hadžic wurde ins Bein getroffen und stellte sich tot. Als die Scheune in Flammen aufging und er hörte, wie die Fahrzeuge sich entfernten, rettete er sich trotz seiner gefesselten Hände in einen nahegelegenen kleinen Fluss. Danach schaffte er es zum Berg Zelengora. Dort lebte eine Gruppe Bosniaken.

Meine Mutter erfuhr all‘ dies durch einen Zufall: Ein Bekannter war vor dem „Inat Kuca“ (dt. etwa: Haus des Widerstands; heute ein Restaurant; Anm. d. Red.) in Sarajevo vertieft in die Kriegszeitung „Jablanicke ratne novine“. Als meine Mutter ihn fragte, was er lese, reichte er ihr eine Zeitungsseite mit einem kurzen Text über Hadžics Geschichte. Darin wurde erwähnt, dass der Arzt aus Kalinovik, Abdurahman Filipovic, einer derjenigen war, die festgesetzt, erschossen und verbrannt worden waren.

Die Organisation „Truth – Kalinovik ’92“ (dt.: Wahrheit Kalinovik ’92) sorgte für eine Gedenktafel, um an das Verbrechen von „Tuzlaks Scheune“ zu erinnern. Das war nur möglich, weil das Gelände in Privatbesitz ist. Es gehört einem Mann namens Tuzlak, daher der inoffizielle Name des Hinrichtungsorts. „Tuzlaks Scheune“ ist so weit weg von der Zivilisation, dass die Gedenktafel nur von Personen gesehen wird, die extra ihretwegen dorthin kommen.

Von meinem Onkel blieb nichts Greifbares übrig, kein Beleg dafür, dass es ihn tatsächlich gab – abgesehen von den Erinnerungen derjenigen, die ihn kannten, sowie Erwähnungen seiner Ermordung in Anklageschriften und Gerichtsurteilen zu den Verbrechen von Kalinovik. Seine sterblichen Überreste wurden nie identifiziert. Deswegen wurde bisher auch kein „nišan“ [Grabstein] für ihn errichtet. In den Unterlagen der Gemeinde Kalinovik stand dagegen, dass er „eines natürlichen Todes“ gestorben sei. Eine Verwandte meiner Mutter fand dies zufällig heraus. Ich kann mich noch erinnern, dass es für den Rest der Familie ein wahrer Alptraum war, diese bürokratische Ungerechtigkeit nachträglich korrigieren zu lassen.

Noch bizarrer sind die Berichte über die verschiedenen Schwierigkeiten bei Identifizierungsversuchen menschlicher Überreste. Die Täter hatten zuerst auf die Personen geschossen, sie dann in Brand gesteckt und Gummimaterial ins Feuer geworfen, um es zu verstärken. In Gesprächen mit Experten auf dem Gebiet der Identifizierung habe ich erfahren, dass in einem solchen Feuer sogar Knochen zerstört werden können – und damit alle DNA-Spuren.

Meine Mutter sagte, dass mein Onkel aufgrund eines Verkehrsunfalls vor dem Krieg eine Metallplatte im Bein hatte. Laut meiner Mutter wurde ein Knochen gefunden, der auf diese Verletzung hindeutete – und außerdem eine Brille. Aber bei einer DNA-Analyse konnte keine direkte Verbindung zwischen meiner Mutter und den Überresten nachgewiesen werden. Braco war der Halbbruder meiner Mutter – wie auch zwei weitere Onkel, die Blut für eine Analyse spendeten. Auch diese Abgleiche liefen ins Leere. Ebenso konnte der DNA-Test mit Abdurahmans anderer Halbschwester, Sabra, keine eindeutige Verbindung beweisen… und seine Eltern lebten nicht mehr.

Die letzte Hoffnung verlor meine Familie, Abdurahman doch noch zu identifizieren, nachdem zunächst beschlossen worden war, die sterblichen Überreste von Abdurahmans Mutter zu exhumieren. Die Experten auf dem Gebiet der Identifikation versuchten, DNA-Material von ihrem Oberschenkelknochen zu extrahieren. Doch es gab Komplikationen bei der ohnehin aufwendigen Prozedur und es konnte kein offizielles und eindeutiges Ergebnis erzielt werden.

Der Wunsch, seine Geschichte zu verewigen

„Wenigstens ein Knochen – oder ein Grabstein…“ sagt meine Mutter meistens, wenn Braco erwähnt wird. Über die Jahre verliert sie immer mehr den Glauben, dass sie jemals seine sterblichen Überreste bestatten und mit einem Stein versehen können wird. Gleichzeitig wächst in mir ein Verantwortungsgefühl: der Wunsch, den Namen, das Leben und die Identität dieses Mannes zu verewigen – und sei es nur symbolisch, durch meine Geschichte.

Ich könnte heute einen Freund, Unterstützer und Verwandten haben, mit dem ich Urlaub am Meer mache – oder der mir mit meinem Studium hilft, in Bereichen, in denen ich nicht so gut bin, wie beispielsweise Mathe, Arzneimittelkunde, oder Wirtschaft… aber nicht nur das. Vielmehr könnte die Welt um jemanden reicher sein, der Humor hat und beim Einkaufen die Beschäftigten im Laden zum Lachen bringt, der in Fernsehsendungen zu sehen ist und über das Coronavirus spricht, der Schach spielt und politische Diskussionen vermeidet oder der am Gesundheitszentrum in Kalinovik ärztliche Überweisungen für die Magnetresonanztomographie in größere Städte ausstellt…

Meine Recherchen zur Geschichte meines Onkels begann ich an deren Endpunkt: Irgendwann im vergangenen Jahr las ich Gerichtsbeschlüsse und recherchierte zu Personen, die mit dem Verbrechen in Verbindung stehen und die dafür nicht verurteilt wurden. Zuvor hatte ich Kalinovik nur einmal als Kind besucht. Alle meine Erinnerungen waren von der Bitterkeit und der trübseligen Nostalgie meiner Mutter geprägt. Dann, im August 2021, besuchte ich zum ersten Mal die Hinrichtungsstätte „Tuzlaks Scheune“ und das Camp „Barutni Magacin“ [Schießpulver-Lager], die Überreste des Hauses der Familie meiner Mutter, aus dem mein Onkel entführt wurde, bevor man ihn tötete sowie die Grabstätte der Filipovic-Familie, mit den Grabsteinen.

Begleitet wurde ich von David Pettigrew, einem Professor aus den Vereinigten Staaten, der zu Genoziden und dem Holocaust forscht, und der immer noch die Srebrenica-Gedenkblume am Anzug trägt… (In Srebrenica ereignete sich im Bosnienkrieg das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Mehr als 8.000 Bosniaken wurden ermordet. Die Verbrechen gelten als Völkermord. Anm. d. Red.) Pettigrew kämpft für eine Kultur der Erinnerung und er erhebt seine Stimme gegen die Verherrlichung von Kriegsverbrechen. Er ist davon überzeugt, dass die Familien der Opfer keine Ruhe finden werden, wenn die anhaltende Leugnung der Verbrechen alte Wunden immer wieder aufreißt. Als Fremdenführer diente uns der Präsident der Organisation „Truth – Kalinovik ’92“, Samir Vranovic. Samir ist selbst auf der Suche nach Spuren seines Vaters. Dieser wurde wohl zur selben Zeit und am selben Ort wie mein Onkel Braco getötet.

Kalinovik ist etwa eineinhalb Fahrstunden von Sarajewo entfernt – und etwa eintausend Jahre. Wenn man zunächst nach Süden in Richtung der Stadt Foca fährt und dann nach rechts abbiegt, erreicht man den Ort Kalinovik mit seinen etwas mehr als 1.000 Einwohnern. In der Gemeinde Kalinovik leben noch einmal etwa doppelt so viele Menschen. Zu ihr gehören die Ortschaften Jažic, Mjehovina, Jelašca (in der das Camp „Barutni Magacin“ liegt), oder Božanovic. Das Dorf mit seinen 46 Einwohnern wurde als Geburtsort von Ratko Mladic bekannt, dem ehemaligen bosnisch-serbischen General und Kriegsverbrecher.

Am Ortseingang von Kalinovik befindet sich ein sorgfältig eingezäuntes Wandmonument Mladics. Der General, in seiner „Größe“, salutiert den Leuten aus einer leicht erhöhten Perspektive, was – gemäß den Regeln der Ikonografie – respekteinflößend wirkt und Macht demonstrieren soll. Sein Blick ist nicht direkt auf den Betrachter gerichtet, sondern in die Ferne. Er sieht überhaupt nicht so aus wie der alte Mann, der bei der Urteilsverkündung im Gerichtssaal in Den Haag auf den Boden starrte, als er für die Völkermordverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, für seine Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, für die Verfolgung von Menschen und für die Geiselnahme von Angehörigen der UNPROFOR, der Schutztruppe der Vereinten Nationen.

Am Ortseingang von Kalinovik ist die Landschaft so beschaffen, dass man das Gefühl hat, von Mladic aus leicht bergab in einen Ort hineinzufahren – und zugleich in eine mystische oder gespenstische Welt voller Geschichten abzutauchen. Auf den Hügeln bei Kalinovik steht eine Festung; laut Samir habe Adolf Hitler dort seinen Wehrdienst geleistet. Auch eine Kaserne der Jugoslawischen Volksarmee habe es in Kalinovik gegeben.

Am Ort der Verbrechen

Die natürliche Umgebung von Kalinovik ist eine Sache für sich. Als ich bei „Tuzlaks Scheune“ stand, wo mein Onkel ermordet wurde, wehte der Wind so stark über das Scheunendach und durch die Blätter eines Baumes, dass mir war, als riefe er uns, um uns etwas mitzuteilen. Die Landschaft war so atmosphärisch, dass sie sogar meine Aufmerksamkeit auf sich zog, als ich mich das erste Mal dem Camp näherte, in dem mein Onkel gefangen gehalten wurde. Das Gras, der Himmel, die Wolken… für das bloße Auge sah alles so aus, als wären Filter darübergelegt worden. Mir schien es, als müsse eine so raue Landschaft dazu beitragen, extreme Charaktereigenschaften in Menschen zu begünstigen.

Das nicht mehr genutzte Lager „Barutni Magacin” besteht aus zwei Gebäuden. Am kleineren davon bemerkte ich Einschusslöcher. Laut Samir war dies das Gebäude, in dem Dordislav Aškraba verweilte – der Leiter des Camps. Im Jahr 2013 verurteilte der Bosnische Gerichtshof ihn für seine Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu sieben Jahren Haft. Im größeren Gebäude waren die Gefangenen untergebracht.

Als wir uns dem Gebäude näherten, kamen dutzende schwarze und weiße Schafe herausgelaufen, sie blökten und ihre Glocken läuteten. Diese surreale Szene ließ die Schwere ein wenig von uns abfallen. Wir gingen hinein und saugten die Atmosphäre des verlassenen Camps auf. Bretter hingen vom eingestürzten Dach herunter und die Wände waren gelb. Wir stapften durch Schlamm und Schafskot.

In die weißgetünchten Pfeiler des „Barutni Magacin” hatten die Gefangenen Inschriften geritzt, die wir versuchten zu entziffern. Ich las die Namen „Salih“ und „Izet“, aber nicht Abdurahman. Jemand hatte geschrieben „DOŠO 8.[…]'92“ (dt.: Angekommen am 8.[…]´92 (Monat nicht lesbar)) und „OTIŠO XII ‘92“ (dt.: Verlassen Dezember ‘92). Konnten sie geahnt haben, dass wir – fast drei Jahrzehnte später – Schafe aus dem Gebäude vertreiben würden, dass viele der Insassen getötet werden würden und dass man ihre sterblichen Überreste niemals finden würde?

Samir sagte, dass es inakzeptabel sei, dass hier Nutztiere gehalten würden – und er erklärte, dass der Ministerialrat beschlossen habe, dass das „Barutni Magacin“ auch nicht mehr für eine militärische Nutzung in Frage käme… Davon nähmen die Behörden vor Ort aber keinerlei Notiz. Dieser Umstand ist ein weiteres Hindernis für etwaige Bemühungen, eine angemessene Gedenkstätte aus dem Ort zu machen. Ich war von der unheimlichen Atmosphäre des ganzen Ortes so überwältigt, dass ich kaum in der Lage war, die Geschichte der Anlage nach Ende des Krieges zu begreifen und für David zu übersetzen.

Nach Angaben der Organisation „Truth – Kalinovik ’92“, gelten 42 der hier getöteten Bosniaken immer noch als „vermisst“. Samir sagte auch, dass das Camp „Barutni Magacin“ später dazu genutzt worden sei, Personen aus anderen Landkreisen einzusperren – beispielsweise aus Trnovo und Foca. Laut den Aufzeichnungen wurden mehr als 120 Personen durch das Camp in Kalinovik geschleust. Auch die Grundschule im Ort wurde genutzt, um Bosniaken einzusperren. Das Gebäude wurde in der Zwischenzeit jedoch renoviert und es sind keine Folgen des vergangenen Krieges mehr ersichtlich. Auf dem Friedhof nahe der Schule liegen zwei Personen begraben, die an der Hinrichtungsstelle „Tuzlaks Scheune“ gefunden und später identifiziert wurden. Als ich die weißen Grabsteine sah, wollte ich unser Familiengrab besuchen und das Haus sehen, in dem meine Mutter gelebt hatte.

Meine Mutter und mein Onkel sind in einem großen Herrenhaus aus der Osmanischen Zeit aufgewachsen. Es war Teil einer ehemaligen Burg, die im ersten Weltkrieg einstürzte – fast 40 Jahre vor der Geburt meiner Mutter. Sie kannte also auch nur das Leben in dem kleineren, angrenzenden Haus. Onkel Braco lebte auf dem Grundstück zusammen mit seiner Mutter. Er hatte geplant, dort ein eigenes Haus zu bauen. Der Krieg verhinderte das. Stattdessen wurden im angrenzenden Hof die Eltern von Verwandten mütterlicherseits sowie einige andere ältere Bürger getötet. Ihre sterblichen Überreste wurden später in einem Massengrab entdeckt. So ist das Herrenhaus in Kalinovik sowohl Zeitzeugnis als auch ein Symbol für die unvollendeten Projekte meines Onkels.

Dieses Schwarz-Weiß-Foto zeigt Abdurahman Filipovic, den Onkel unserer Autorin.
Foto: © Aida Hadžimušic

Täter auf freien Fuß

Predrag Terzic, welcher für die Behörde für öffentliche Sicherheit in Kalinovik arbeitete, wurde für die unrechtmäßige Verhaftung von Dr. Abdurahman Filipovic angeklagt. Doch Terzic wurde in letzter Instanz freigesprochen, zusammen mit drei weiteren Polizeibeamten. Das Gericht sah es zwar als erwiesen an, dass sie an der Verhaftung von Zivilisten beteiligt waren – aber sie hätten damit lediglich Befehle befolgt. Ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass ihr Handeln illegal gewesen sei.

Das Gericht von Bosnien und Herzegowina hat drei Personen wegen der Verbrechen in Kalinovik verurteilt: Ratko Bundalo, Befehlshaber der taktischen Einheiten von Kalinovik, zu 22 Jahren; Neco Zeljaja, Leiter der Behörde für öffentliche Sicherheit in Kalinovik, zu 15 Jahren; und den bereits erwähnten Dordislav Aškraba, Leiter des Camps „Barutni Magacin“ zu sieben Jahren Haft. Sie wurden schuldig befunden für Mord, Hinrichtungen, Inhaftierungen, Folter, Verschwindenlassen, Vergewaltigungen, Zerstörung von Eigentum.

Die Familien der Opfer sagen jedoch, dass diejenigen, die die Taten ausführten, und jene, die sie befehligten, nicht strafrechtlich belangt wurden. Laut Angaben in den Sozialen Medien leben einige von ihnen in Serbien – und sie posten Bilder unter anderem der Kriegsverbrecher Ratko Mladic und Radovan Karadžic auf Facebook. Ich habe mir immer vorgestellt, diese Leute aufzusuchen, mit ihnen zu reden… ihnen in die Augen zu sehen, ihre Worte und ihre Gesten zu beobachten – und herauszufinden, warum sie Onkel Braco getötet haben.

Kalinovik ist ein merkwürdiger Ort, geprägt von surrealen Landschaften und wirren Geschichten. Die Geister der Umgebung haben mich noch tagelang verfolgt. Alles scheint dort mystisch und verwunschen zu sein – mit all‘ den Spuren der Vergangenheit, den alten Ruinen… Es scheint, als könne ein solcher Ort alte Erinnerungen wieder lebendig werden lassen – von den Lippen jener, die erzählen, die Finger am Abzug… und bis zu den Schüssen auf einen Arzt, der seiner Gemeinde diente, der Schach spielte und Diskussionen über Politik aus dem Weg ging.

 


[Die Autorin]
Aida Hadžimušic ist Journalistin und arbeitet für Al Jazeera Balkans.
 

[Info]
Der Artikel erschien am 6. August 2021 auf der Website von Al Jazeera Balkans. Für unsere Zeitschrift wurde er aus dem Bosnischen übersetzt.



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