Auf die Pflege der traditionellen Haarpracht wird viel Wert gelegt. Foto: Michael Hübner/flickr cc BY-ND 2.0

Ein ockerroter Teint und aufwendig frisierte Haarprachten: Die halbnomadischen Himba in Namibia verbinden Schönheit mit Nutzen. In ihrer trockenen Heimat haben sie einen ganz eigenen Weg gefunden, Wasser zu sparen und ihre Körper zu pflegen.

 

Von Ulrich Delius

Die Himba in Namibia im Süden von Afrika gelten als das ockerrote Volk. Sie sind weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Doch streng genommen sind es nur die Frauen und Mädchen, die jeden Morgen ihren gesamten Körper mit einer Creme aus Butterfett und rotem Ocker einreiben. Jungen und Männer verwenden eine andere Creme, die ihrer Haut durch einen pflanzlichen Zusatz eine schwarze Farbe gibt.

Selbst hergestellt: Ranziges Make up

Das spezielle, etwas ranzige und für europäische Nasen leicht gewöhnungsbedürftige „Make up“ macht die Körper der Himba-Frauen nicht nur schöner, sondern schützt sie auch vor Austrocknung und Insektenstichen. Die Himba leben als Halbnomad*innen in einem der trockensten Gebiete der Welt. Wasser ist dort sehr kostbar. Mit ihrer selbst gefertigten Creme reinigen die Frauen ihren Körper wirksam, sparen dabei Wasser und schützen sich vor Krankheiten. Die Vorbereitungen für das allmorgendliche „Schminken“ sind aufwändig. Sie gewinnen den Farbstoff für die Creme aus kirschroten bis rotbraunen Ocker-Steinen, die sie in Felshängen abschlagen. Die Frauen schleppen die Steine über große Entfernungen in ihr Dorf und zerreiben sie auf einer Felsplatte zu Pulver. Es wird mit dem Harz eines Strauches parfümiert, der zu den Weihrauchgewächsen zählt und ätherisches Öl enthält. Dem Pulver mischen sie noch die zerriebene Rinde eines Myrrhenstrauches bei, verschiedene Kräuter und Butterfett, das unter der sengenden Sonne schnell ranzig wird.

Mit der ockerfarbenen Paste werden auch die Haare, der Schmuck und die traditionelle Kleidung eingerieben. Bei den Himba-Frauen besteht diese aus einem mit Metallkugeln besetzten Ledergürtel und einem Lendenschurz aus gegerbtem Ziegenleder. Beides wird bis heute gern getragen. Männer hingegen ziehen inzwischen meist Jeans und T-Shirts an, weil sie als Gelegenheitsarbeiter oft stärker mit der Außenwelt Kontakt haben und ihre Verhaltensweisen übernehmen.

Kommunikative Haarpracht

Stolz sind die Himba auf ihre Haartracht, die ein besonderer Schmuck ist und einiges über ihr Alter und ihren sozialen Status aussagt: Unverheiratete Mädchen tragen ihr Haar in zwei zur Stirn gerichteten Zöpfen. Sie fallen über die Augen nach vorn und können bis zum Mund reichen. Die Zöpfe verheirateter Frauen werden mit den Haaren ihrer Brüder verlängert. Auf dem Scheitel schmücken sie sich je nach Status mit einem Krönchen aus Ziegenfell, dem Eremba. Das Flechten der Haare und Ummanteln der Zöpfe mit der ockerroten Paste aus Butterfett kann bis zu sechs Stunden dauern. Nur an den Zopfenden lugen Haarbüschel heraus.

Auch die Männer legen Wert auf sorgfältig frisierte Haare. Verheiratete Männer türmen ihre Haare hoch auf und bedecken sie mit einem ledernen Kopftuch. Statt eines Kissens benutzen sie nachts zum Schlafen meist einen kleinen hölzernen Schemel, auf den sie ihren Kopf legen, damit die mühsam erarbeitete Haarpracht nicht zerstört wird. Junge, unverheiratete Männer haben hingegen den Kopf in der Regel kahlgeschoren – bis auf einen kleinen Streifen in der Mitte des Hauptes, der zu einem Zopf gebunden wird.   

Auch anderer Schmuck aus Metall, Leder, Perlen und Muscheln ist bei den Himba beliebt. So tragen Frauen und Männer gleichermaßen Arm- und Beinreifen sowie Halsketten. Immer wieder verarbeiten sie kunstfertig auch achtlos weggeworfene Abfälle der westlichen Konsumgesellschaft. So gelten platt geklopfte Drahtstücke als „Silberschmuck“. Aus Kupfer werden Halsringe geformt und Stücke von Straußeneierschalen zu Ketten aneinandergereiht. Traditionell fertigen Himba-Frauen ihren Schmuck selbst. Sie verkaufen ihn auch an Tourist*innen.

Himba-Frauen benutzen ein außergewöhnliches Mittel, um ihrer Haut den ockerfarbenen Teint zu verleihen. Foto: paul24/Pixabay License

In Gefahr: Überleben in der Halbwüste

Ihre bislang auf Tausch und Selbstversorgung beruhende Lebensweise als Halbnomad*innen gerät durch den zunehmenden Tourismus sowie durch Großprojekte zur Nutzung von Wasserkraft immer stärker in Gefahr. Bislang lebten die Himba abgeschieden in einer halbwüstenähnlichen Region nicht weit von der Landesgrenze zu Angola entfernt. Doch der nahe Grenzfluss Kunene weckt bei der namibischen Regierung im weit entfernten Windhuk immer wieder Begehrlichkeiten. Die Behörden träumen von Wasserkraftwerken am Kunene, mit denen Namibia Energie für das eigene Land und für den Export produzieren könnte.

Die Himba leisten seit Jahren friedlich Widerstand gegen dieses Großprojekt. Im Bereich des geplanten Staudammes befinden sich ihre traditionellen Gärten und die Gräber ihrer Ahnen. Weite Gebiete würden überschwemmt werden. Der Zuzug von tausenden Arbeiter*innen würde die traditionelle Gesellschaft zerstören und das ökologische Gleichgewicht der Region gefährden. Der angesehene, sehr alte Anführer Kapika reiste vor einigen Jahren sogar zum ersten Mal in seinem Leben bis nach Frankfurt, um gemeinsam mit der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) deutsche Banken davon zu überzeugen, das umstrittene Megaprojekt nicht zu unterstützen.

Nun gibt es ein neues Abkommen zwischen Namibia und Angola. Der Bau des sogenannten Baynes-Staudammes soll gegen Ende des Jahres 2022 beginnen. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie International Rivers kritisieren, dass weder eine Konsultation der Himba stattgefunden habe, noch es eine öffentlich-zugängliche Umwelt- und Sozialverträglichkeitsstudie gebe. Auch liege die Finanzierung des Projekts nicht offen.

Zerklüftete Berge, Kies- und Sandebenen bestimmen das Landschaftsbild im sogenannten Kaokoland, der Heimat der Himba. Durchschnittlich fallen in dieser Region jährlich weniger als 250 Millimeter Regen. Trotz dieser unwirtlichen Bedingungen haben die Himba es bislang geschafft, dort genug Weide für ihre Rinder zu finden und zu überleben. Es gibt heute noch circa 8.000 traditionell lebende Himba, die mit ihren Herden auf der Suche nach Futter für die Tiere durch das Kaokoland ziehen. Selbst in Opuwo, dem einzigen größeren Ort der Region, sind sie im Vergleich zu den Herero und Ovambo nur eine kleine ethnische Minderheit. Nun muss das ockerrote Volk wieder Widerstand gegen Namibias Pläne für Megaprojekte leisten, um sein Überleben zu sichern.


Ulrich Delius ist Direktor der Menschenrechtsorganisation Gesellschaft für bedrohte Völker.

 

[Info]
Dieser Artikel ist zuerst im Bildkalender 2016 der Gesellschaft für bedrohte Völker erschienen. Die vorliegende Version wurde von Johanna Fischotter leicht bearbeitet und aktualisiert.



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