Liebe Leserin, lieber Leser,

im März 2016 reisten mein Bruder und ich auf die älteste Insel unserer Erde: Madagaskar. Vor mehr als 150 Millionen Jahren brach die Insel vom afrikanischen Festland ab. Besiedelt wurde sie erst Jahrtausende später, vor etwa 2.300 Jahren. Damit zählt Madagaskar zu den am spätesten von Menschen besiedelten Gebieten unseres Planeten. Die Menschen kamen damals vermutlich zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Orten: Ostafrika, Naher Osten und Südasien.

Auf Madagaskar gibt es 18 „foko“, wie Bevölkerungsgruppen dort genannt werden. Sie alle verstehen sich als Madagassen, sind in ihren Traditionen und Lebensweisen aber doch sehr unterschiedlich. Selbst die Dialekte der gemeinsamen Sprache „Malagasy“ klangen sogar in unseren ungeübten Ohren, denen die gesamte Sprache fremd war, sehr verschieden. Hinzu kommt ein Ahnenkult und „fadys“, Tabus und Regeln, die Orte, Speisen und Handlungen betreffen. Fadys können nicht nur von Bevölkerungsgruppe zur Bevölkerungsgruppe stark divergieren, sondern sogar von Ortschaft zu Ortschaft.

Madagaskar hat mich fasziniert, die schier grenzenlose Vielfalt auf diesem doch begrenzten Raum – denn das macht alle Inseln letzten Endes aus. Sie sind eigene Welten mit klaren Grenzen aus Wasser. Die Soziologin Beate M. W. Ratter, die zum Zusammenleben von Menschen auf Inseln forscht, hat es in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung so formuliert: „Insulaner können nicht einfach weiterradeln, bis sie umfallen“ – zumindest nicht, wenn sie nicht im Kreis fahren wollen.

Ein begrenzter Raum bedeutet gleichzeitig, dass es weder für Menschen noch für die Natur großartige Möglichkeiten gäbe, äußeren Einflüssen auszuweichen: Sei es der Willkür durch Kolonialmächte, dem Missbrauch für Atomwaffentests oder heute vor allem den Folgen des Klimawandels. Eine Flucht ins Landesinnere ist vor allem auf kleinen Inseln zwecklos. Doch in alle anderen Richtungen erstreckt sich der Ozean.

Kein Wunder also, dass viele Insulaner sich nicht mit ihrem Schicksal abfinden. Die indigenen Kanaken auf Neukaledonien etwa engagieren sich unbeirrt für eine Unabhängigkeit von Frankreich. Die Puerto Ricaner fordern für sich gleiche Rechte wie alle anderen US-Bürger sie besitzen. Indigene Völker auf Fidschi und der Osterinsel lenken erfolgreich Tourismusprojekte in Bahnen, die das Inselleben nicht (weiter) gefährden.

Doch was ist der Notfallplan, wenn der durch den Klimawandel verursachte steigende Meeresspiegel ganze Inseln in Zukunft verschluckt? Selbst darauf stellen sich Insulaner zum Teil ein – obwohl sie den Kampf um ihre Heimat, die einzigartigen und vielfältigen Inselwelten, längst nicht aufgegeben haben.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!

Herzliche Grüße

Johanna Fischotter
Redakteurin

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