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Liebe Leserin, lieber Leser,
mein Orientierungssinn ähnelt dem eines Kühlschranks – eines kaputten Kühlschranks, dem obendrein ein Bein fehlt. Ohne mein Smartphone und das Internet, die mir schon in so mancher Situation den Weg gewiesen haben, wäre ich häufig aufgeschmissen. So ergeht es mir aber nicht nur beim Navigieren zu Zielen, sondern in vielen Lebens- und Alltagssituationen. Die Digitalisierung fängt bei meiner Kommunikation via internetbasierten Nachrichtendiensten mit den Freunden hier in Deutschland und in der ganzen Welt an und hört bei meiner Arbeit an dieser Zeitschrift längst nicht auf.
Bei dieser analogen Zeitschrift, die Sie gerade in den Händen halten? Klar, ist sie doch am Computer entstanden, Texte und Fotos habe ich mit Autoren und Fotografen per Mail ausgetauscht und über einen Server an unseren Grafiker verschickt. Interviews habe ich zum Teil via WhatsApp geführt, Zahlen und Daten mit Suchanfragen im Internet überprüft. Ohne die Digitalisierung sähe diese Ausgabe nicht so aus, wie sie heute aussieht.
Nicht nur ich mache mir die Digitalisierung zunutze. Rund um den Erdball ist die Welt im Wandel. Indigene Völker in Brasilien schützen per GPS die Grenzen ihrer Territorien, Frauen in Afghanistan verschaffen sich auf Internetplattformen Gehör und mit einer App für das Handy sollen Kinder die Sprache Rätoromanisch spielend vertiefen. Die Möglichkeiten dank Digitalisierung scheinen endlos.
Gleichzeitig wirft die Digitalisierung Schatten. Immer deutlicher und immer dunkler. Der Lithium-Abbau in Südamerika etwa boomt, die Zerstörung von Ökosystemen, Lebensgrundlagen und Kulturen mit ihm. Lithium ist Bestandteil von Batterien. Ebenso ist das Internet nicht nur rein virtuell. Damit es funktioniert, braucht es riesige Serverinfrastrukturen – wahre Energiefresser. Wäre das Internet ein Land, hätte es einer Studie von Greenpeace zufolge den sechsthöchsten Stromverbrauch der Welt.
Unangefochtene Nummer eins im Stromverbrauchen ist jedoch die Volksrepublik China. Sie treibt insgesamt die Möglichkeiten der Digitalisierung auf die Spitze – zumeist leider im negativen Sinne. China baut einen digitalen Überwachungsstaat sondergleichen auf. Das Versuchslabor dafür: die Region Xinjiang, die Heimat von Uiguren, Kirgisen und Kasachen. Der gläserne Bürger?
Für uns kaum vorstellbar bietet hier ausgerechnet das sogenannte Darknet einen der wenigen privaten Rückzugsräume für Menschenrechtler oder Journalisten. Ist es in Europa durch Drogen- oder Waffenhandel sehr negativ konnotiert, schafft es in Diktaturen einen Ort der Freiheit.
Chancen und Gefahren, Freiheit und Überwachung, Nutzen und Missbrauch – bei der Digitalisierung liegen all‘ diese Gegensätze nah beieinander. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre bei dieser gar nicht mal so analogen Ausgabe von bedrohte Völker - Pogrom!
Herzliche Grüße
Johanna Fischotter
Redakteurin
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