Liebe Leserin, lieber Leser,
eine Antwort auf erfahrenes Leid geben. Dieses Streben begründete jedes Bemühen, Menschenrechte zu formulieren und rechtlich zu verankern. Die Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges erschütterten die Weltgemeinschaft in bis dahin unbekannten Maß. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. 1948 wurde das Jahr der Menschenrechte.
Am 9. Dezember 1948 nahm die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) die Völkermord-Konvention an. Sie gilt als eines der ältesten UN-Menschenrechtsabkommen. Einen Tag später, am 10. Dezember 1948 verkündete Eleanor Roosevelt als Vorsitzende der UN-Menschenrechtskommission die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte.
Zwei Jahre hatten acht Männer und Frauen aus Australien, Chile, China, Frankreich, Großbritannien, dem Libanon, der Sowjetunion und den USA an der Erklärung gearbeitet. Sie sollte ein „von allen Völkern und Nationen zu erreichendes Ideal“ darstellen. Zugrunde lag diesem Ziel die Achtung vor dem Leben und der Glaube an den Wert eines jeden Menschen – eine nicht ganz neue, aber in ihrem Umfang doch bahnbrechende Vorstellung.
Menschenrechte fanden bereits in die Magna Charta aus dem Jahr 1215, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 oder in die französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 Eingang. Doch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte formulierte zum ersten Mal Rechte, die tatsächlich für alle Menschen gelten sollten – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Nationalität. Seit 1948 wurde sie in mehr als 200 Sprachen übersetzt.
Heute, 70 Jahre nachdem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündet wurde, klafft noch immer ein großer Graben zwischen Anspruch und Realität bei ihrer Umsetzung. Und doch ist die Geschichte der Menschenrechte seit 1948 eine Erfolgsgeschichte: Die Erklärung wurde zur Grundlage einer Vielzahl internationaler Menschenrechtsabkommen. Sie war die Basis für viele moderne Staatsverfassungen. Außerdem, und das ist vielleicht ihr größter Verdienst, sind die formulierten Rechte fest im Bewusstsein der Menschen verankert.
Ja, es gibt noch Sklaverei auf dieser Welt. Nein, Religions-, Meinungs- oder Versammlungsfreiheit sind noch nicht in allen Ländern der Welt selbstverständlich. Aber die Menschen nehmen diese Ungerechtigkeiten als solche wahr. Populisten und Autokraten sind derzeit wieder auf dem Vormarsch. Aber die weltweite Solidarität wächst. Menschenrechtsorganisationen erheben ihre Stimmen. Mit der Gewissheit der Menschenrechte im Rücken prangern sie Unrecht in der Welt öffentlich an. Und so steuern wir trotz aller Widerstände hoffentlich in Richtung einer gerechteren Welt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Spaß bei der Lektüre dieser Ausgabe.
Herzliche Grüße
Johanna Fischotter
Redakteurin
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