Der Grand Canyon in Arizona, USA. Unter seiner Oberfläche schlummern Uranvorkommen. Bild: Airflore via Flickr CC BY-NC-ND 2.0

Sie beginnt mit dem Abbau von Uran und endet mit hochgiftigem Abraum, mit dem niemand weiß wohin: die atomare Brennstoffkette. In den USA verseuchen Neben- und Abfallprodukte dieser Kette zunehmend Land der Native Americans. Weltweit liegen etwa 70 Prozent der Uranvorkommen unter dem Land indigener Völker.

Von Lara-Lena Gödde

Am 29. Juni 2017 stellte Donald Trump bei dem Event „Unleashing American Energy” (etwa: „Amerikas Energie entfesseln“) seine Vision von der „Dominanz US-amerikanischer Energie” vor: „Wir werden damit beginnen, unseren Atomenergiesektor wiederzubeleben und zu vergrößern, (…) welcher saubere, erneuerbare und emissionsfreie Energie produziert. Eine komplette Überprüfung der Atompolitik der USA wird uns neue Wege finden lassen, diese entscheidende Energieressource wiederzubeleben. Und ich weiß, du bist sehr froh darüber, Rick.”

Rick Perry ist seit März 2017 Energieminister im Kabinett von Donald Trump. Um Amerika wieder „groß” zu machen, setzt er auf die heimischen Ressourcen: Öl, Gas, Kohle, Uran. Nukleare Energie sei unverzichtbar für ein „sauberes Energieportfolio” der USA. Das teilte er im Juni 2017 mit. Bis heute hält er an diesen Zielen fest. Die Aussage mag vielen Angehörigen des indigenen Volkes der Diné (auch Navajo genannt) zynisch erscheinen. Sie haben in der Vergangenheit oft die gesundheitsschädigenden Folgen des Uranabbaus zu spüren bekommen.

Die Diné während des „Uran Booms”

Im Angesicht des Wettrüstens im Kalten Krieg garantierte die Atomic Energy Commission der USA (AEC) im Jahr 1948 einen Festpreis für den Kauf allen in den USA geförderten Urans. Heimische Uranvorkommen befinden sich vor allem im Südwesten des Landes. Es folgte ein „Mining Boom”, ein extremer Anstieg des Bergbaus, in New Mexico, Utah, Colorado und Arizona. Auf seinem Höhepunkt Mitte der 1950er Jahre waren rund 750 Minen aktiv.

Das Diné-Reservat lag inmitten der Abbaugebiete. Ein Job in einer Uranerz-Mine war für die meisten Diné die einzige Aussicht auf ein regelmäßiges, allerdings karges Einkommen von etwa einem Dollar Stundenlohn. Dafür mussten die Arbeiter unter anderem Gestein sprengen, Holzstützen für die Minenschächte bauen, Gestein abtransportieren und zermahlen. Sie waren den ganzen Tag radioaktiver Strahlung ausgesetzt. Schutzvorkehrungen gab es nicht. Über die Risiken radioaktiver Strahlung informierte sie niemand. Dabei war man sich unter anderem aufgrund europäischer Erkenntnisse über die Folgen von Strahlenbelastung und den Zusammenhang zwischen Uranabbau und einer erhöhten Lungenkrebsrate bewusst. Die ersten Fälle von Lungenkrebs bei Uranminen-Arbeitern aus dem Diné-Reservat gab es in den frühen 1960ern. Aber erst 1990 wurden den Hinterbliebenen Kompensationszahlungen von bis zu 100.000 US-Dollar zugebilligt.

Ein toxisches Erbe

Stillgelegte Minen bleiben oft sich selbst überlassen. Dabei geht von ihnen noch immer eine große Gefahr durch radioaktive Strahlung aus. Heute befindet sich ein Drittel aller stillgelegten Uranminen auf Diné-Land. Dort schloss die US-Behörde für Umweltschutz (EPA) 523 Minen und 22 verseuchte Wasserquellen. Da fast 30 Prozent der Diné jedoch keinen Zugang zur öffentlichen Trinkwasserversorgung haben, nutzen sie dieses Wasser möglicherweise trotzdem.

Radioaktive Substanzen können durch den Wind über hunderte Meilen verbreitet werden und gelangen über Trinkwasser, Nahrung oder die Atemluft in den Organismus. Die Folgen: Atemwegserkrankungen, Krebs, Leukämie, Nierenschäden, Blut-, Gewebe- und Organschäden und Fehlbildungen bei Kindern.

 

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Ein Angehöriger der Diné auf seinem Pferd in Monument Valley, Arizona. Auf dem traditionellen Territorium des indigenen Volkes wurde jahrzehntelang Uran abgebaut – mit allen gesundheitsschädigenden Folgen für die Diné. Bild: dicau5 via Flickr CC BY-SA 2.0

Ungewisse Zukunft im Grand Canyon

Auf Trumps Anweisung sollen 27 nationale Monumente und Parks auf ihre Größe und den Schutzstatus hin neu begutachtet werden, um neue Rohstoffquellen erschließen zu können. Mit der drastischen Verkleinerung des Naturschutzgebietes Bears Ears im Süden Utahs um mehr als 80 Prozent seiner Fläche hat die US-Regierung im Sommer 2018 erste Fakten geschaffen.

Auch im Bereich des Grand Canyon sollen neue Uranminen eröffnet werden. Andere, wie die Canyon Mine am Red Butte Mountain, warten mit ihrer Fertigstellung nur darauf, ihren Betrieb aufzunehmen. Donn Pillmore ist der Einsatzleiter der Canyon Mine. In einem Gespräch mit der Britischen Tageszeitung The Guardian gibt er zu, dass Unfälle zwar sehr unwahrscheinlich, aber möglich seien. Tests haben bereits ergeben, dass das Wasser in dem Schacht eine viermal höhere radioaktive Verseuchung aufweist, als die US-Umweltbehörde EPA für sicheres Trinkwasser festlegt.

In der Canyon Mine soll rund 450 Meter in die Tiefe gebohrt werden, um hochqualitatives Uran zu extrahieren. Anschließend soll das Gestein etwa 400 Kilometer in die “White Mesa Mill” in Utah transportiert und dort für die Weiterverarbeitung zermahlen werden. Die Havasupai, ein indigenes Volk im Grand Canyon, das seit Jahren gegen den Uranabbau kämpft, und Umweltschützer betrachten insbesondere die Tiefe der geplanten Bohrungen als Gefahr für das Grundwasser. Von diesem hängt die Trinkwasserversorgung von rund 40 Millionen Menschen ab. „Die Havasupai sind widerstandsfähige Menschen. Wir leben seit Jahrhunderten im und um den Grand Canyon herum. In diesem Kampf geht es uns nicht um Geld, sondern um Menschenleben,” sagt Carletta Tilousi, Mitglied des Rates der Havasupai.

Verseuchung des Trinkwassers ist nicht die einzige Gefahr. Tornados, Starkregen mit Überflutungen, Hurrikans oder Straßenschäden machen auch den Transport des Gesteins zur Weiterverarbeitung zu einem riskanten Unterfangen. In der Canyon Mine abgebautes Uranerz würde bis zu 25-mal am Tag in 30 Tonnen fassenden Lastwagen über 400 Kilometer nach Utah transportiert werden.

Die Route führt dabei durch größere Städte. Auch Land der Diné wird über weite Strecken gekreuzt. Auf den Lastwagen würde das uranhaltige Gestein lediglich mit fixierten Planen bedeckt sein. Doch die Städte und die indigenen Gemeinschaften wehren sich. Der Stadtrat von Flagstaff hat am 7. November 2017 beispielsweise beschlossen, sich jeder Bundesgesetzgebung zu widersetzen, die den Transport von Uranerz durch das Stadtgebiet oder das Territorium der Diné erlaubt. Wie die Geschichte am Ende ausgeht, bleibt abzuwarten.

Auf der Suche nach einem Endlager

Eine weitere Frage drängt sich bei Trumps pro-nuklearer Energiepolitik auf: Was passiert mit dem Abfall? Zurzeit sind die rund 77 000 Tonnen strahlender Abfall meist bei den jeweiligen Atomkraftwerken gelagert. Doch die Sicherheit atomarer End- und Zwischenlager steht immer wieder in der Kritik. 2014 geriet die Einrichtung Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) im Bundesstaat New Mexico in negative Schlagzeilen. Sie ist bislang das einzige unterirdische Lager des Landes. Doch ein Leck in einem der Fässer hatte zu einer radioaktiven Kontamination der unterirdischen Tunnel geführt.

Der Gebirgszug Yucca Mountain steht als mögliches Endlager immer wieder zur Diskussion. Er befindet sich 160 Kilometer nordwestlich von Las Vegas in Nevada an der Grenze zu Kalifornien. Nevada als Ort für ein Atommülllager ist Kritikern zufolge eher eine politische Überlegung und basiert weniger auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Sicherheit des Standortes. Der Bundesstaat hat eine geringe Bevölkerungsdichte, 1,2 Prozent der 2.700.550 Einwohner (Angabe von 2010) sind Native Americans. Nevada besitzt selber kein einziges Atomkraftwerk. Hochradioaktives Material soll aus den gesamten USA in das Endlager transportiert werden.

Seit Donald Trump im Amt ist, sieht er sich zunehmend dem Druck der Atomlobby ausgesetzt, die auf eine baldige Lösung des Problems drängt. Der Haushaltsentwurf Trumps vom März 2017 sieht 120 Millionen Dollar für die Wiederaufnahme der Verhandlungen über Yucca Mountain als ein atomares Endlager vor. Dieser Vorstoß sorgte für Verwunderung bei vielen Offiziellen Nevadas. Präsident Trump habe sie im Vorfeld des Entwurfs nicht konsultiert.

Die Bergkette Yucca Mountain auf dem traditionellen Territorium der Western Shoshone. Ihrer Mythologie zufolge, entspricht der sich durch ihr Land schlängelnde Gebirgszug einer Schlange, die ihr Gift entlässt, wenn sie nicht würdevoll behandelt wird. Bild: United States Department of Energy via Wikimedia Commons CC0

Wie geeignet ist Yucca Mountain?

Die Forschung, die von Seiten staatlicher Institutionen wie dem Department of Energy (DOE) und Wissenschaftlern über die Eignung Yucca Mountains als Atommülllager betrieben wurde, ist in ihren Ergebnissen teilweise sehr widersprüchlich. Insgesamt neigt das DOE eher dazu, Sicherheitsstandards anzugleichen. Die Region um Yucca Mountain ist bekannt für seismische Aktivität und Vulkanausbrüche. Die Vulkane Red Cone und Black Cone liegen nur wenige Kilometer westlich von der geplanten Lagerstätte. Red Cone und Black Cone sind schon lange nicht mehr aktiv, jedoch schließen Wissenschaftler Vulkanausbrüche in der Zukunft nicht aus. Studien der DOE stufen die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs als so gering ein, dass sie für das geplante Projekt nicht relevant seien.

Unbestreitbar bleibt, dass ein Vulkanausbruch, wie unwahrscheinlich er auch erscheinen mag, eine Katastrophe für alles Leben rund um Yucca Mountain darstellen würde. In den Schacht einfließende Lava könnte die Aufbewahrungsbehälter des Nuklearmülls beschädigen und radioaktives Material freisetzen. Kontaminierte Asche könnte durch den Wind kilometerweit gestreut werden und damit nicht nur den Menschen in unmittelbarer Nähe des Areals schaden.

Indigener Widerstand

Die Bergkette Yucca Mountain befindet sich auf dem traditionellen Territorium der Western Shoshone. Wie so oft in ihrer Geschichte seit der Ankunft der ersten weißen Siedler sehen sich die Native Americans durch das geplante Projekt mit Landraub und der mutwilligen Zerstörung ihrer Kultur konfrontiert. Die Verletzung ihrer Rechte geht sogar darüber hinaus: Durch radioaktive Strahlung ist ihre Gesundheit und damit der Fortbestand ihres Volkes direkt betroffen.

Das Mitspracherecht der indigenen Bevölkerung an den Verhandlungen in Washington ist in Anbetracht der Tatsache, dass hier über ihr Land und ihre Zukunft verhandelt wird, lächerlich gering. Doch kampflos aufgeben werden sie nicht. Im Angesicht der neuesten Entwicklungen formiert sich der indigene Protest – mit unerwarteten Allianzen, denn auch Politiker Nevadas und die Glücksspielindustrie wollen den Tourismus im nahe gelegenen Las Vegas nicht gefährden.


Lara-Lena Gödde studiert Kulturwissenschaften und Anthropologie in Leipzig.


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