Im Einbaum zu den Embera: An der Anlegestelle von Tusipono warten bereits einige Indigene, um die Touristen zu begrüßen. Das Dorf ist nur mit dem Boot zu erreichen. Bild: Sandy Naake

Nach Tusipono führt keine Straße. Das kleine am Alajuela-See gelegene Dorf ist nur mit dem Boot zu erreichen. Hier leben etwa 80 Embera. Neben Tusipono gibt es dort noch weitere Embera-Gemeinschaften. In den 1980er Jahren drohte ihrer Kultur der Untergang. Heute leben sie vom Tourismus.

von Sandy Naake

Nur eine Autostunde von der quirligen Metropole Panama-Stadt entfernt erwarten uns bereits einige Embera an einer Anlegestelle. Sie tragen mit Pailletten verzierte Guayucos, eine Art Lendenschurz. Wir, meine kleine Reisegruppe und ich, steigen in einen motorisierten, leicht verwitterten Einbaum. Dichte Büsche und sattgrüne Wälder umsäumen das Ufer. Im Dickicht verstecken sich Vögel vor unseren neugierigen Augen. Störche ziehen ihre Kreise über das sich leicht wogende Wasser.

Bevor wir Tusipono zu Gesicht bekommen, fahren uns die Embera zu einem Wasserfall, den wir über einen felsigen Dschungelpfad erreichen. Nach einem erfrischenden Bad fahren wir nach Tusipono. Gekonnt steuert der Embera eine mit Gras bewachsene Landzunge an. Barfüßige, in bunte Wickelröcke gekleidete Embera-Frauen kommen uns entgegen. Rote, opulente Blütenkränze schmücken ihre schwarzen Haare. Unter einem Schatten spendenden Baum stimmen fünf Männer mit Bambusflöten, Trommeln und Maracas (Rasseln) ein munteres Lied an, um uns willkommen zu heißen.

Das mit Blattwerk bedeckte Holzhaus hat keine Wände. Uns werden Bananen, Ananas, Papaya und Melone auf einem Palmblatt serviert. Über einem offenen Feuer brutzelt derweil frisch gefangener Tilapia, ein Fisch. Eine Angehörige der Embera erzählt uns von der Geschichte und Kultur ihres Volkes.

 

Um sich vor Hochwasser und Tieren zu schützen, bauen die Embera ihre Häuser auf Stelzen. Pfähle mit Kerben dienen als Leiter. Bild: Sandy Naake

In den 1950er Jahren ließen sich die ersten Embera aus der panamaischen Provinz Darien am Alajuela-See nieder. Ihre ehemalige Heimat liegt im Grenzgebiet zu Kolumbien. Als Waffen- und Drogenhändler sowie Guerillas aus Kolumbien die Gegend für sich „entdeckten“, fühlten sich viele Embera nicht mehr sicher und zogen fort. 1984 erfolgte der nächste Rückschlag: Die panamaische Regierung stellte den Lebensraum der zugewanderten Embera unter Naturschutz und gründete den Chagres-Nationalpark. Er sollte die Wasserressourcen für den Panamakanal sichern. Denn der künstlich geschaffene Stausee Alajuela im Flusslauf des Rio Chagres dient in der Trockenzeit als Wasserreservoir für die infrastrukturell wichtige Schifffahrtsstraße. Für die weitgehend autark lebenden Embera war dies katastrophal. Von nun an durften sie weder jagen noch großflächig Feldfrüchte anbauen. Nur das Fischen war ihnen erlaubt.

Die sonst zurückgezogen lebenden Embera mussten neue Wege gehen. Im Tourismus sahen sie eine Chance, sowohl ihr Überleben zu sichern als auch ihre Kultur zu erhalten. Viele lernten Spanisch, einige Englisch.  Sie organisierten sich und knüpften Kontakt mit den Reisebüros in der Hauptstadt. Heute gehört ein Tagesausflug zu den Embera vom Rio Chagres zum Standardangebot eines jeden Kreuzfahrtschiffs, das darauf wartet, durch den Panamakanal geschleust zu werden. Doch die Plätze sind begrenzt. Denn die Embera setzen nicht auf Massentourismus. Es kommen gerade so viele Touristen, wie es die Dörfer vertragen können. Die Eintrittsgelder werden unter der Dorfgemeinschaft aufgeteilt.

Während der Fisch weiter vor sich hinbrutzelt, erfahren wir nun, welch begnadete Kunsthandwerker die Embera sind. Die Männer sind die geborenen Schnitzer. Aus einer steinharten Tagua-Nuss zaubern sie Faultiere oder Kolibris. Die Frauen flechten beispielsweise Körbe und Schalen aus Palmfasern. Die Gefäße sind so dicht, dass aus ihnen kein Wasser rinnen kann. Diese Prozedur ist sehr aufwändig: Zunächst gewinnen die Frauen Fasern aus Palmblättern. Um ihnen die grüne Farbe zu entziehen, werden die Fasern in Zitronenwasser gewaschen und für zwei Tage zum Bleichen in die Sonne gelegt. Dann werden sie eingefärbt. Für die Farbe Rot werden die Samen des Annattostrauchs verwendet. Blau gewinnen die Embera aus den Früchten des Jenipapo-Baums. Mit dem Verkauf von Kunsthandwerk verdienen die Embera zusätzlich Geld.

Traditioneller Tanz der Emberafrauen im Gemeinschaftshaus. Jeder Tanz hat seine eigene Bedeutung. Bild: Sandy Naake

Nun gibt es endlich Mittagessen. Der Tilapia wird zusammen mit frittierten Kochbananen (Patacones) in ein Bananenblatt gewickelt und serviert. Einfach köstlich. Und ziemlich praktisch, denn die benutzten Bananenblätter werden als Dünger wiederverwendet.

Nach diesem köstlichen Mahl gehen wir in das Gemeinschaftshaus des Dorfes. Einige Embera-Frauen singen und tanzen für uns. Die Tänze der Embera sind traditionell den Tieren des Regenwaldes gewidmet. So gibt es etwa den Schmetterlings- oder den Kolibritanz. Nun werden auch wir zum Tanzen aufgefordert. Wahrlich Kultur zum Anfassen.

Bevor wir wieder ablegen, flanieren wir noch ein wenig durch Tusipono. Die Häuser der Embera sind auf Stelzen gebaut. So schützen sie sich vor Hochwasser und unerwünschten Tieren. An den Pfahlbauten lehnen Baumstämme, in die Kerben eingeschlagen sind. Wir erfahren, dass die Embera diese Stämme als Treppe benutzen. Das Leben hier ist beschaulich und einfach. Strom bekommen die Embera über Solaranlagen. Schließlich müssen sie ihre Handys aufladen, um das Geschäft mit den Touristen zu organisieren.

Während unseres Spaziergangs rennen zwei Mädchen aufgeregt zwischen uns umher und wirbeln Staub auf. Sie scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, meiner Linse zu entkommen. Schließlich gelingt es mir doch, sie auf ein Foto zu bannen. Wir werden von unserem „Kapitän“ zum Ufer gerufen, denn auch die Embera möchten irgendwann Feierabend haben.

Die zwei Mädchen machen sich einen Spaß daraus, der Fotografin zu entwischen. Bild: Sandy Naake

Indigene Völker in Panama

In Panama gibt es sieben indigene Völker: Embera, Ngäbe, Buglé, Kuna, Wounaan, Bri bri und Naso Tjerdi. Bei einer Volkszählung im Jahr 2010 bezeichneten sich rund 420.000 Menschen als indigen (zwölf Prozent der Bevölkerung). Die meisten von ihnen leben in autonomen Gebieten, sogenannten Comarcas: Guna Yala, Embera-Wounaan, Guna Madungandi, Ngäbe-Buglé und Guna Wargandi. Bereits 1938 erlangten die Kuna in Guna Yala Verwaltungsrechte über ihr Territorium. Diese hatten sie sich jedoch hart erkämpft. 1925 erklärten die Kuna ihre Unabhängigkeit von Panama. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. Nach Verhandlungen machte die panamaische Regierung den Kuna Zugeständnisse: Sie erhielten das Recht auf Selbstverwaltung, im Gegenzug erkannten die Kuna die Oberhoheit Panamas an.


Sandy Naake war fünf Jahre Redakteurin der Zeitschrift bedrohte Völker - pogrom. Während eines zweimonatigen Aufenthalts Anfang 2018 lernte sie als Volunteer in Panama Land und Leute kennen. Dort bloggte sie für den Reiseanbieter Cultour Panama.


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