Editorial

Foto: privat

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Der Kolonisator, der im anderen Menschen ein Tier sieht, nur um sich selber ein ruhiges Gewissen zu verschaffen, dieser Kolonisator wird objektiv dahingebracht, sich selbst in ein Tier zu verwandeln. (…) Man erzählt mir von Fortschritt und geheilten Krankheiten. Ich aber spreche von zertretenen Kulturen, (…) von Tausenden Hingeopferten Menschen. (…) Ich spreche von Millionen Menschen, denen man geschickt das Zittern, den Kniefall, die Verzweiflung (…) eingeprägt hat“, entrüstete sich einst der afrokaribisch-französische Schriftsteller und Politiker Aimé Césaire (1913–2008).

Vom 16. bis 20. Jahrhundert machten sich die Kolonialmächte die Welt untertan. Sie fühlten sich anderen Völkern kulturell überlegen und begründeten so ihr repressives, menschenverachtendes Herrschaftssystem. Bis heute leiden viele Nachfahren der Kolonisierten unter den Folgen dieses Machtstrebens. Denn auch nach der Unabhängigkeit vieler Staaten setzten und setzen sich die unterdrückenden Mechanismen fort.

So wie bei Evelyn Camille aus Kanada, die dem Volk der Secwepemc (Shuswap) angehört. Sie besuchte uns im April 2017 und erzählte uns von ihren furchtbaren Erlebnissen in einer Residential School. Dort durfte sie ihre Sprache nicht sprechen, musste ihre Kultur verleugnen. Ganze Generationen mussten ihre Kindheit und Jugend in solchen Einrichtungen verbringen.

Im Sommer 2017 reisten Sabrina Tschiche und Katie Mähler von der GfbV-Regionalgruppe nach Brasilien, um sich ein Bild von der Lage der Guaraní-Kaiowá zu machen. Die indigene Gemeinschaft leidet dort große Not, weil sie keinen Zugang zu Land, Wasser und Anbauflächen haben. Der Großteil ihres Landes wird von Ranchern und Farmern genutzt, auch wenn Guaraní- Kaiowá rechtmäßig Anspruch darauf erheben. Oft unterstreichen sie ihre Ansprüche mit friedlichen Landbesetzungen und werden dann mit brutaler Waffengewalt vertrieben. Trotz Brasiliens Unabhängigkeit im Jahr 1822 scheinen koloniale Mechanismen noch weiter fortzubestehen.

Während Deutschland den Nationalsozialismus vorbildlich aufarbeitet, fällt es dem Land immer noch schwer, sich seiner kolonialen Vergangenheit zu stellen. Nachfahren der Herero und Nama fordern bis heute Entschädigung für den von deutschen Kolonisatoren begangenen Völkermord im Jahr 1904. Eine Nama sagte bei der Eröffnung der Ausstellung „zurückGESCHAUT“ in Berlin, die sich kritisch mit der Ersten Kolonialausstellung 1896 in Deutschland auseinandersetzt: „Wir sind die Ohren, die Augen und der Mund der Opfer. Nur wenn du es schaffst, dich von der Vergangenheit zu befreien, wirst du fähig sein weiter zu gehen.“

Ihre Sandy Naake

Redakteurin von bedrohte Völker -pogrom



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