Editorial

Foto: privat

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

Mehr als zwölf Millionen Sinti und Roma leben in unserer Mitte in Europa. Mit dieser Zahl sind sie die größte ethnische Minderheit unseres Kontinents. Sie sind seit Jahrhunderten unsere Mitbewohner, aber sie leiden bis heute unter Vorurteilen und struktureller Diskriminierung, Ausgrenzung und Verfolgung. In vielen Ländern leben sie unter menschenunwürdigen Umständen in Ghettos. Und in den Kriegen im Gefolge des Auseinanderbrechens des Vielvölkerstaates Jugoslawien in den 1990er Jahren wurden allzu viele erneut Opfer von Flucht und Vertreibung. Aber wenn sie auf der Suche nach einem besseren Leben und nach einer Zukunft für ihre Kinder nach Westeuropa kommen, werden sie allzu häufig abgewiesen und in ihre Herkunftsländer abgeschoben.

Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass bezeichnete das Volk der Roma bereits in seiner Rede vor dem Europarat in Straßburg am 11. Oktober 2000 als wahre Europäer: „Sie sind Europas beweglichste Bürger. Sie überwinden Grenzen. Sie sind mehr als alle anderen bewährte, weil leidgeprüfte Europäer.“ Aber diese Botschaft ist bis heute nicht in unserer Gesellschaft angekommen.

Seit fünf Jahren gibt es in Berlin das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas. Bei der Einweihung mahnte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass es sowohl eine deutsche als auch eine europäische Aufgabe sei, die Sinti und Roma bei ihrem Kampf um die ihnen zustehenden Rechte zu unterstützen. Auch diese Worte sind bis heute nicht wirklich umgesetzt worden.

Im Juni dieses Jahres wurde das Europäische Roma Institut für Kunst und Kultur in Berlin gegründet – ein weiterer Versuch, Kunst und Kultur der Roma und den Beitrag, den sie zur Kultur in ihren jeweiligen Heimatländern geleistet haben, in die Mitte unserer Gesellschaft zu bringen. Wird dieser Versuch erfolgreicher sein?

In dieser pogrom-Ausgabe haben wir namhafte Autorinnen und Autoren, Gadje (Nicht-Roma) wie Roma, zusammengebracht, die uns Geschichte, Kultur und Kunst wie auch die gegenwärtigen Lebensumstände der Roma in verschiedenen Ländern näherbringen. Wir wollen dazu beitragen, dem weit verbreiteten Antiziganismus entgegenzuwirken, der nicht nur Roma und Sinti unmittelbar bedroht, sondern auch unsere Demokratie und unsere Wertegemeinschaft gefährdet. Antiziganismus ist der vielleicht letzte verbliebene nicht hinterfragte und weithin als akzeptabel angesehene Rassismus – dem müssen wir entschlossen entgegnen: Dosta! Thaj amen sijam sar tumen! (Genug! Wir sind wie ihr!).

Ihr Prof. Dr. Rainer Schulze             

Professor für Moderne Europäische Geschichte an der Universität von Essex, Großbritannien



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