Die Kultur der Maori lebt weiter

Schlaglichter

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Der Haka ist ein ritueller Tanz der Maori und wichtiger Bestandteil ihrer Kultur. Auch die All Blacks, die Rugby-Union-Nationalmannschaft, tanzen vor jedem Länderspiel einen Haka, um den Gegner einzuschüchtern und sich selbst zu motivieren. Es scheint zu wirken: Mit drei gewonnenen Weltmeistertiteln ist Neuseeland Rekordweltmeister. Foto: Darren Puttock via Flickr

Obwohl die meisten Maori längst kein traditionelles Leben mehr führen, haben sich viele von ihnen eine tiefe Spiritualität bewahrt und glauben bis heute, dass allem ein Geist inne wohnt. Die Bäume, die Steine, die Insekten, die Vögel – alle hatten dieselben Vorfahren wie die Maori selbst. Alle stammten vom Himmelsvater und der Erdmutter ab. Die Beziehung der Maori zu den Bäumen ist dabei besonders eng.

Von Mara Stern

Die Maori und die Bäume

„Im Wald überragte die Kaurifichte die anderen Bäume und vom Meer aus bewunderte sie der Wal. Er schwamm ans Ufer, und die beiden Riesen trafen sich. Der Wal bat die Kaurifichte, ihm im Wasser Gesellschaft zu leisten, doch der Baum lehnte ab. Auch der Wal konnte seine Welt nicht eintauschen. So wählten die in Freundschaft Verbundenen einen anderen Weg, ihre Gefühle auszudrücken. Der Wal schlüpfte aus seiner grauen Haut und schenkte sie der Kaurifichte. Und auch der Baum zog seine Haut aus und schenkte sie dem Wal.“ 

Dies ist nur eine von vielen Legenden der Maori, die sich um die Kaurifichte ranken. Vor der Ankunft der Europäer waren schätzungsweise 1,6 Millionen Hektar der Nordinsel Neuseelands von Kauriwäldern, einer immergrünen Konifere, bedeckt. Nach der Einwanderung von Holzfällern in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann die großflächige Zerstörung der alten, majestätischen Wälder: In gerade einmal 150 Jahren schrumpfte ihre Fläche auf nur noch 7.455 Hektar zusammen.

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Traditionelle Maori-Schnitzereien in Neuseeland: Foto: The World Upon my Shoulders via Flickr

In einigen Schutzgebieten stehen heute noch besonders außergewöhnliche Bäume, darunter der etwa 30 Meter hohe Tane Mahuta, Herrscher des Waldes, und der mehr als 50 Meter hohe Te Matua Ngahere, Vater des Waldes, der mindestens 2.000 Jahre alt ist. Das honigfarbene Kauriholz war sehr begehrt, noch begehrter war Kopal, das Harz des Baumes. In der Viktorianischen Zeit fertigten die Siedle daraus Schmuck, später dann auch Lack und Linoleum. Die Bäume wurden in einem solchen Ausmaß angezapft, dass viele danach eingingen. Die Maori verwendeten Kapia, wie sie es nennen, zum Beispiel zum Tätowieren: Ausgehärtetes Harz wurde verbrannt und gemahlen. Der pulverförmige feine Ruß wurde mit Haifischöl oder Tierfett zu einer Farbpaste vermischt, die in die Einstiche auf der Haut gerieben wurde und sie blau-grünlich einfärbte.

Wenn ein Maori den Wald betritt, begibt er sich damit unter seinesgleichen, denn wie die Bäume stammt auch er von Tane, dem Schöpfer, ab. Der Wald steht unter Tanes Schutz. Wenn man also einen Baum fällen will, muss man zuerst Tane, den Schöpfer der Bäume und des Menschen, beschwichtigen. Das geschieht mit Gebeten und bestimmten Ritualen. Der Zeitpunkt wird nach den Mondphasen entschieden. Das war zum Beispiel für ein Kriegs-Kanu wichtig, damit es nicht kentert und die Krieger nicht besiegt werden. Ist der Baum gefällt, wird in einer vom Tohunga, einem Priester, geleiteten feierlichen Zeremonie die Krone vom Stamm getrennt. Dann wird der Stamm ausgehöhlt und eine Gallionsfigur geschnitzt. Wenn das Kanu fertig ist, wird es feierlich gesegnet. Ein Kriegskanu, das Waka, konnte einst bis zu 90 Krieger aufnehmen und sich pfeilschnell bewegen. Auch heute werden noch Wakas hergestellt – um die alten Traditionen zu pflegen und sich zu versammeln. Die Regeln sind dieselben geblieben, werden aber nur von wenigen noch in allen Details befolgt.

Der Totara genannte Baum, eine Steineibe, ist auf Neuseeland heute nur noch vereinzelt anzutreffen. Sie wächst in Gemeinschaft mit anderen Baumarten und gibt vielen Vogelarten ein Zuhause, wie dem Fächerschwanz, Neuseelandfalken, Nordinsel-Rotkehlchen oder dem Brillenvogel. Viele Totara-Wälder wären komplett zerstört worden, hätte es in den 70er/80er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht die Baumbesetzungen, beispielsweise des neuseeländischen Umweltschützers Stephen King gegeben, mit denen das Fällen der besetzten Bäume verhindert wurde.

Das Totara-Holz ist sehr beliebt bei den Maori. Sie verwendeten es für Schnitzereien, Boote und für Versammlungshäuser. Wenn ein Maori das Holz oder den Stamm eines Baumes benutzen möchte, kann er ihn markieren, indem er ein Stück Borke heraustrennt, und ihn anschließend weiter wachsen lassen, bis er sein Holz verwenden möchte. Ein solches Exemplar konnte auch an einen Sohn oder Enkel vererbt werden.

Ein Maori-Mädchen mit traditioneller Bemalung. Foto: Che McPherson via iStock

Im Hamburger Völkerkundemuseum steht ein Maori-Haus vom Stamm der Te Arawa. Vor mehr als 100 Jahren wurde es aus dem Ort Rotorua nach Hamburg gebracht. Es hält die achtsame Verbindung zu den Ahnen der Te Arawa aufrecht und es nimmt Kontakt mit allen anderen Wesen auf, die es besuchen.

Radio, TV, Soziale Medien, Film und Musik – Maori-Kultur bleibt lebendig

Seit den 1920er Jahren versuchen Maori, über das Medium Radio die Sprache Te Reo Maori wiederzubeleben und Nachrichten in der eigenen Sprache zu verbreiten. Mittlerweile gibt es fast 22 Radiosender, die in Englisch und in Te Reo Maori ausgestrahlt werden.

Der Fernsehsender Maoritelevision wird seit 2004 von der neuseeländischen Regierung unterstützt, um die Kultur der Maori wiederzubeleben und zu fördern; unter anderem durch Sprachwochen und Haka-Feste. Der Haka-Tanz, den viele nur als beeindruckenden Kriegstanz kennen, hat eine viel breitere Tradition. Er wird fast von jeder Maori-Familie anders interpretiert. Haka wird heutzutage oft zu offiziellen Anlässen aufgeführt und gehört immer zum neuseeländischen Rugby.

Über die Internetseite www.maorilanguage.net können sich Maori und Interessierte intensiv mit der Sprache beschäftigen. Eine Sprachkommission beobachtet genau, wie sich die Sprache entwickelt und veröffentlicht ihre Erkenntnisse in Englisch und Te Reo Maori auf der Internetseite www.tetaurawhiri.govt.nz. Über diese Initiative können sprachgewandte Maori, die ihre Kenntnisse in den Kommunen und an andere Menschen gerne weitergeben wollen, finanzielle Unterstützung beantragen.

Das Maoriland Filmfestival in Otaki, einer Stadt im Kapiti Coast District auf der Nordinsel Neuseelands, zeigt in jedem Frühjahr neue Dokumentar-, Kurz- und Spielfilme von indigenen Filmemachern und Schauspielern und fängt damit filmisch Maori-Stimmen und -Geschichten ein. Die bekanntesten Filme, die auch in Europa gezeigt wurden, heißen „The Dark Horse“, „Whale Rider“, „Eagle vs Shark“, „Boy“, „The Dead Lands“ und „Mahana“.

Die Musiklandschaft hat sich bei den Maori teils traditionell und teils modern entwickelt. Die bekanntesten Künstler versuchen, beide Interpretationsebenen zu vermischen, das heißt mit modernen Mitteln alte Lieder oder Geschichten zu singen. Erfolgreiche Künstler sind beispielsweise die Opernsängerin Kiri Te Kanawa, Maisey Rika, Horomona Horo, Rob Ruha, Moana and the Tribe und Tiki Taane. 

http://boythefilm.com
Der Film „Boy“ von Taika Waititi, der selbst Maori-Wurzeln hat, wurde 2010 auf der Berlinale ausgezeichnet. Im Mittelpunkt steht der elfjährige Maori-Junge Boy (oben rechts), der mit seinem Bruder, Cousins und Cousinen bei seiner Großmutter aufwächst. Er liebt und verehrt seinen Vater, der jedoch seit Jahren im Gefängnis sitzt. Als er eines Tages nach Hause kommt, merkt Boy, dass sein Vater lange nicht die Person ist, die er sich in Gedanken ausgemalt hat. Foto: Pressefoto von "Boy"

[Zur Autorin]

Mara Stern ist seit 2009 als ehrenamtliche Redakteurin bei Radio Corax in Halle (Saale) aktiv und versucht in der monatlichen Sendung „Mitakuye Oyasin (Lakota) – Wir sind mit allem verwandt“ die indigenen Völker, deren Kulturen und das Leben zwischen zwei Welten zu vermitteln. Ansonsten ist sie seit 1984 als Medizinische Laborantin tätig und hat einen elfjährigen Sohn.


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