Buddhistische Nationalisten grenzen Minderheiten aus

Symbolbild: Die nationalistisch-buddhistische 969-Bewegung baut keinerlei Brücken zu den Muslimen des Landes. Im Gegenteil: Mit Hassparolen hetzt sie die Mehrheitsbevölkerung gegen die religiöse Minderheit auf. Foto: Gzooh via Flickr

 

Unvergessen sind die Bilder, als auf dem Höhepunkt der „Safran-Revolution“ 2007 Zehntausende Mönche demonstrierend die unbegrenzte Macht der Militärs in Burma (Myanmar) in Frage stellten. Die Mönche forderten mehr Demokratie und ein Ende der seit Jahrzehnten bestehenden Militärdiktatur. Symbolträchtig weigerten sie sich sogar, die traditionell dargebotenen Opfergaben der Generäle und Offiziere anzunehmen. Ein Affront für die Machthaber, der das Ende ihrer Alleinherrschaft einleitete. Denn zwischen den herrschenden Militärs und dem buddhistischen Klerus hatte lange tiefe Einigkeit bestanden. In einem Land, in dem 90 Prozent der Bevölkerung Buddhisten sind, ist die Rückendeckung buddhistischer Würdenträger besonders wichtig für die Machtsicherung.

Seitdem die Regierung jedoch versucht, das bis 2011 politisch isolierte Land zu öffnen und auch zu demokratisieren, erstarkt der buddhistische Nationalismus. Dafür gibt es viele Gründe, etwa weil die tiefen Umbrüche, also die politische und wirtschaftliche Öffnung des Landes die Menschen verunsichert. Eine der Schlüsselfiguren dieses Extremismus ist der 47 Jahre alte Mönch Ashin Wirathu. Er ist Überzeugungstäter und wegen „Volksverhetzung“ vorbestraft. Bereits 2001 schloss er sich der nationalistischen Bewegung 969 an. Nur zwei Jahre später wurde er noch während der Militärdiktatur zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er mit Hetzparolen anti-muslimische Gewalt ausgelöst hatte. Er kam jedoch 2010 aufgrund einer Amnestie vorzeitig frei und hetzt seitdem mehr denn je zuvor in sozialen Medien, in Klöstern sowie bei Demonstrationen gegen Muslime. Als ihm das US-Nachrichtenmagazin Time im Juli 2013 eine Titelgeschichte widmete, beschlagnahmten die burmesischen Behörden die Ausgabe und verboten die Verbreitung der Zeitschrift. Offiziell wurde dies mit der Sorge um den Frieden im Land begründet. Doch nicht Time bedroht den Frieden, sondern Wirathus rassistische Parolen. Der Mönch ist gut vernetzt mit Burmas Machthabern und Politikern, die seinen wachsenden Einfluss fürchten und zugleich fördern. Selbst als er die Südkoreanerin Yanghee Lee, UN-Sonderberichterstatterin für Myanmar, im März 2015 wegen ihrer Kritik an der Ausgrenzung der Rohingya öffentlich als „Flittchen“ und „Nutte“ beschimpfte, hatte dies keinerlei strafrechtliche Folgen. Die Regierung nimmt Wirathu in Schutz - trotz massiver internationaler Kritik. Er organisiert weiter ungehindert von den Behörden Demonstrationen gegen die UN und ausländische Nichtregierungsorganisationen, die die Politik der Diskriminierung Andersgläubiger kritisieren. Selbst muslimische Investoren aus dem Ausland, wie das aus Katar stammende Telefonunternehmen Ooredoo, bekommen in sozialen Medien seinen Hass zu spüren.

Wahlplakat von buddhistischen Mönchen in Yangon. Foto: Wayan Vota via Flickr

969 präsentiert sich im Internet als „tolerante“ soziale Bewegung, die sich für Nachbarschaftshilfe unter Buddhisten und für ihre „demokratischen Rechte“ einsetzt (www.969movement.org). Dabei steht im Namen die erste neun für Buddha, die sechs für seine Lehren und die zweite neun für den buddhistischen Klerus. In der Numerologie Südostasiens gilt diese Zahl als Gegensatz zu 786, die einen hohen symbolischen Wert für die Muslime der Region hat. Die Zahl wird der Anrufung Allahs im Koran „Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes“ zugeordnet. Die von der buddhistisch-nationalistischen Bewegung verwendete Zahl hat ihre Ursprünge in einem Buch, das U Kyaw Lwin, ein Mitarbeiter des Religionsministeriums, Ende der 1990er Jahre verfasst hat. Er witterte in der Ziffernfolge 786 eine muslimische Verschwörung. Seiner Theorie nach wollen Muslime im 21. Jahrhundert Burma erobern. Dazu zählte er die Zahlen 7, 8 und 6 zusammen und kam auf die Summe 21. Viele Anhänger von 969 gehören auch Ma Ba Tha (Patriotischer Verein Myanmars) an. Buddhistische Mönche gründeten diese Vereinigung zum „Schutz von Rasse und Religion“ im Januar 2014 am Rande einer Konferenz in Mandalay. Sie gilt inzwischen als einflussreichste Lobby-Gruppe nationalistischer Buddhisten in Burma. Ein 52-köpfiges Zentralkomitee, dem viele führende Mönche des Landes angehören, steht dem Verein vor. Auch Wirathu ist ein führendes Mitglied dieser Bewegung. Ma Ba Tha hat etwa die Verabschiedung eines umfassenden Gesetzespakets zur Einschränkung der Rechte von Muslimen und Christen iniitiiert und im Sommer 2015 durchgesetzt. Auch ließ Ma Ba Tha im Oktober 2014 Tausende buddhistische Nonnen und Mönche in den Straßen Mandalays für ein Gesetz demonstrieren, das Ehen von Buddhisten mit Andersgläubigen massiv erschwert.

Spätestens seit den schweren Übergriffen auf muslimische Rohingya im Arakan-Staat (offiziell: Rakhine-Staat) im Juni 2012 gilt 969 als massiver Unruhestifter im Vielvölker- und Vielreligionen-Staat Burma und als eine der größten Gefahren für den Demokratisierungsprozess. Denn Wirathus demagogische Auftritte ziehen im ganzen Land eine Blutspur hinter sich her. Manchmal liegen nur wenige Stunden zwischen seinen Hetzreden und dem Ausbruch von Gewalt gegen Muslime.Wirathu grenzt dabei nicht nur die offiziell als Staatsbürger nicht anerkannten muslimischen Rohingya aus, sondern warnt auch pauschal vor einer „Überfremdung“ und „Machtübernahme“ durch Muslime.

Die Jama-Moschee in Sittwe wurde 2012 geschlossen, nachdem radikale Buddhisten nahezu alle Muslime aus der Stadt vertrieben hatten. Foto: Adam Jones via Flickr

Diese Hasstiraden treffen alle Muslime, auch die offiziell als ethnische Minderheit anerkannte Gruppe der Kaman sowie weitere neun nicht offiziell anerkannte muslimische Gruppen (Mye Du, Hindustani, Chulia, Maiman, Surati, Pathi, Panthay, Pashu, Nastapuri). Seine Hetzparolen vergiften das politische und soziale Klima im Land und schüren gezielt Spannungen zwischen der durch die sozialen Veränderungen verunsicherten buddhistischen Mehrheitsbevölkerung und Andersgläubigen. Auch viele Christen –unter ihnen viele ethnische Minderheiten – fürchten sich vor dem buddhistischen Nationalismus und warnen vor einer Ausgrenzung religiöser Minderheiten.

Wie gefährlich die Hetze der Nationalisten ist, zeigte sich im März 2013. Damals wurden nach Hassreden von Buddhisten in der im Zentrum des Landes gelegenen Stadt Meiktila mindestens 44 Menschen von einem buddhistischen Mob getötet. Viele Muslime leben als Geschäftsleute in der Stadt. Probleme zwischen den Religionsgemeinschaften gab es nicht, bevor 969 seine Propaganda dort verbreitete. Auch mehr als zwei Jahre nach den Übergriffen bleiben die Verantwortlichen für die Gewalt straflos. Im Internet warben 969 und Ma Ba Thanoch im August 2015 mit dem Song „Wir werden unsere Nation mit unseren Knochen verteidigen“ für den Schutz der Mehrheitsbevölkerung der Bama und für den buddhistischen Glauben. Muslimischen Schülerinnen wollen sie das Tragen von Kopftüchern verbieten lassen (Guardian, 22.6.2015) und führende Vertreter von Ma Ba Tha riefen zur Unterstützung der von früheren und amtierenden Offizieren getragenen Regierungspartei USDP bei den Parlamentswahlen im November 2015 auf. Der Einfluss der nationalistischen Buddhisten ist so sehr gewachsen, dass selbst die NLD-Partei der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi aus Angst vor Diffamierung alle Muslime von den Kandidatenlisten für die Wahlen gestrichen hat. Im neuen Parlament werden somit voraussichtlich keine Muslime vertreten sein - ein Desaster für die Demokratisierung in dem Vielreligionen-Staat. Zwar gibt es auch engagierte Stimmen gegen Hass und Gewalt in Burma, wie die des Bloggers und Demokratie-Aktivisten Nay Phone Latt oder die des katholischen Kardinals von Rangoon, Charles Maung Bo, der für den Dialog zwischen den Religionen wirbt. Doch diese mäßigenden Stimmen haben es schwer in einem Land, in dem viele Menschen glauben, in den „Muslimen“ einen Sündenbock für viele Fehlentwicklungen gefunden zu haben.

 

[Zum Autor]

Ulrich Delius leitet das Asien- und Afrikareferat der GfbV in Göttingen. Er ist Autor vieler Menschenrechtsreporte, Memoranden, Bücher und Artikel über verfolgte ethnische und religiöse Minderheiten. Sein umfassender Sachverstand ist auch bei Journalisten sehr gefragt.


Header Foto: Gzooh via Flickr

Foto Mitte: Wayan Vota via Flickr

Foto unten: Adam Jones via Flickr


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