Editorial

Foto: privat

Liebe Leserinnen und Leser,

Menschen tummeln sich zwischen Verkaufsständen; Händler versuchen, ihre Waren an den Mann und an die Frau zu bringen: Es ist Markttag in Maiduguri. Plötzlich durchbricht ein ohrenbetäubender Knall das Stimmenwirrwarr. Unbekannte zünden am 10. Januar 2015 in der nigerianischen Stadt einen Sprengsatz, der an einem zehnjährigen Madchen befestigt ist.

Sie reißt 16 Menschen in den Tod. Vieles deutet darauf hin, dass die Terrorgruppe Boko Haram dahinter steckt. Seit 2009 gehen die Islamisten, vor allem im Nordosten von Nigeria, mit beispielloser Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vor und toten im Namen Allahs. Doch der Terror von Boko Haram ist jedoch nur ein Teil des furchtbaren Geschehens in vielen Teilen Afrikas.

Das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (HIIK) hat 414 Konflikte für das Jahr 2013 weltweit gezählt – bei Redaktionsschluss lag das Konfliktbarometer für 2014 noch nicht vor. Die Wissenschaftler stuften 45 Konflikte als „hochgewaltsam“ ein, darunter 20 als „Kriege“. Mehr als die Hälfte davon werden in Afrika ausgetragen. Nur in 16 der insgesamt 54 afrikanischen Staaten werden des HIIK zufolge keinerlei Kriege oder gewaltsame Konflikte geführt.

Immer wieder wird Medienvertretern vorgeworfen, dass sie in der Berichterstattung über Afrika die sogenannten K-Themen – Kriege, Krisen, Korruption, Krankheiten, Katastrophen – aufgreifen. Anlässlich der Zahlen, die das Konfliktforschungsinstitut jährlich vorlegt, kein Wunder. Doch unterschlagen sie selbst so manchen Krisenherd. Der Fall Darfur findet kaum mehr Platz in der nationalen und internationalen Presse. Doch die Lage der Darfuris wird immer verheerender. Während über Libyen vor allem 2011 und 2012 nach dem Fall von Gaddafi berichtet wurde, finden sich heute in den Medien nur kleine Randnotizen über die ständigen Kampfe. Dass dort jedoch meist skrupellose Milizengruppen Krieg gegeneinander führen, die Städte weiter verwüsten, Libyer aller Volksgruppen bombardieren und schwere Menschenrechtsverletzungen begehen, wird kaum zur Kenntnis genommen. Und auch die Hoffnungen der südsudanesischen Völker auf Freiheit, Demokratie und Wohlstand nach 51Jahren Genozid, Vertreibung und Flucht, haben sich noch immer nicht erfüllt. Zwar hat das Land 2011 die Unabhängigkeit erkämpft, doch erneut ist Krieg, weil politische Gruppen um Macht und Einfluss ringen. Erbarmungslos unterdruckt die Regierung jegliche Kritik an ihrem autokratischen Führungsstil.

Längst sind die Konflikte in Afrika bei uns in Europa angekommen. Menschen begeben sich auf eine beschwerliche Reise über das Meer, um Kriegen und Diktaturen zu entfliehen. Die internationale Gemeinschaft setzt sich selten mit den Hintergründen ihrer Flucht auseinander; sie schweigt und scheint nahezu handlungsunfähig angesichts der immer weiter eskalierenden Konflikte zu sein. Die Zukunft von vielen afrikanischen Staaten ist ungewiss. Umso dringender ist es deshalb, dass die Weltgemeinschaft alles dafür tut, Friedens-, Demokratisierungs- und Wirtschaftswachstumsprozesse in Gang zu setzen.

Ihre Sandy Naake

Redakteurin von
„bedrohte Völker – pogrom“


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