Äthiopien

Rosen für Europa stürzen Oromo in Armut

Foto: Planète à vendre/Flickr CC BY-NC-ND 2.0

von Monika Kunz

Für viele sind es Blumen der Liebe, für die Oromo jedoch sind es Blumen des Leids: Rosen, die in Äthiopien gepflanzt werden. Für die Anlage von Rosenplantagen wurden sie vertrieben. Doch auch die Anuak und Nuer wurden Opfer des indischen Konzerns, der nicht nur Rosen züchtet, sondern große Landflächen in Äthiopien kultiviert. Nun sind diese Angehörigen schwarzafrikanischer Völker mittellos. Ihre Dorfstrukturen sind zerstört und sie haben fruchtbares Land sowie den Zugang zu Wasser verloren.

2013: Eine von neun Schnittrosen, die in Europa gekauft wurden, stammte von einer Rosenfarm des multinationalen indischen Konzerns Karuturi Global Ltd. 580 Millionen
Rosen pflanzte die Firma pro Jahr in Äthiopien, Kenia und Indien. Seit dem 11. Februar 2014 ist die Tochtergesellschaft von Karuturi in den Niederlanden bankrott. Am 30. September 2014 musste auch sein Blumenvertrieb in den Niederlanden Insolvenz anmelden. Für viele Oromo-Kleinbauern hat diese kurze Wirtschaftsnotiz einen herben Beigeschmack. Denn sie verloren ihr Land an das Unternehmen, das zuvor riesige Investitionen in die äthiopische Landwirtschaft angekündigt hatte.

Blumenzucht seit 2001 in Äthiopien

Die Zucht überwiegend von Rosen als Schnittblumen für den Export nach Europa, Ostasien und den Mittleren Osten begann 2001 auf zunächst 1.500 Hektar Land nahe der Hauptstadt Addis Abeba. Das Unternehmen suchte die Nähe zum Flughafen: Weil Rosen rasch welken, müssen sie auf schnellstem Wege zu Großhändlern transportiert werden. 2001 brachte der Rosenexport 300.000 US-Dollar an Devisen für Äthiopien ein, 2006 waren es bereits 104 Millionen US-Dollar, 2011 etwa 200 Millionen US-Dollar.
2007 begann Karuturi in Kenia und Äthiopien zu expandieren. Steuervorteile, günstige Pachtverträge, Zugang zu Wasserressourcen und billige Arbeitskräfte machten dies möglich.

Kleinbauern vom Volk der Oromo wurden von den neuen Investoren systematisch verdrängt. Viele verloren ihr Land an Karuturi, andere konnten ihre eigenen Felder kaum noch bewässern. Denn die Rosenplantagen brauchten so viel Wasser, dass das Unternehmen sogar tiefere Bohrlöcher für neue Brunnen finanzierte. Diese Brunnen durften die Kleinbauern jedoch nicht nutzen.

Zukunftsregion Gambela?

Nicht nur in der Rosenzucht witterte Karuturi große Gewinne. Äthiopien hat dem Unternehmen 2010 in der Region Gambela im Südwesten des Landes zunächst 100.000 Hektar Land für 50 Jahre zur Pacht angeboten – für 0,85 Euro pro Hektar, also 4,25 Millionen Euro für die ganze Laufzeit des Vertrages. 200.000 Hektar pachtete der Konzern noch zusätzlich. „Das ist sehr gutes Land. Es ist ganz billig. Wir haben kein solches Land in Indien“, schwärmte Karmjeet Sekhon, der damalige Projektmanager von Karuturi. „Wir beginnen mit 20.000 Hektar Ölpalmen, 15.000 Hektar Zuckerrohr und 40.000 Hektar Reis, Mais und Baumwolle. Wir bauen Stauseen, Deiche, Straßen, Städte für 15.000 Personen. Das ist Phase 1. In drei Jahren [2011 bis 2014, d.Red.] werden wir 300.000 Hektar kultiviert haben und vielleicht 60.000 Arbeiter beschäftigen. Wir könnten hier eine Nation ernähren“, versprach das Unternehmen 2011. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Die Plantagen sind Ursache für unsägliches Leid. Die Regierungsvertreter behaupteten, dass das von Karuturi gepachtete Land vorherlandwirtschaftlich nicht genutzt wurde. Doch in Wirklichkeit leben dort seit Generationen rund 46.000 Anuak, die Fischfang und Wanderfeldbau betreiben. Und auch cirka 65.000 Nuer, die als Wanderhirten mit ihrem Vieh durch Gambela ziehen, sind dort zuhause.


Katastrophale ökologische Folgen
Die Region Gambela ist ein Feuchtgebiet, in dem es eine Vielfalt an Pflanzen und Tieren gibt. Die dort ansässigenVölker nutzten das Wasser für sich und ihre Tiere schonend. Doch nun ist dieses empfindliche Ökosystem weitgehend zerstört. Bei einem mechanisierten kommerziellen Agrarprojekt wie dem von Karuturi werden meist große Mengen an Dünge und Schädlingsbekämpfungsmitteln eingesetzt. Die Chemikalien mindern die Wasserqualität, schädigen das Ökosystem, verschlechtern die Lebensbedingungen der Anwohner und ihres Viehs. Kritik gibt es auch an den Anbaumethoden der Intensivwirtschaft: Der Boden wird mit der Zeit ausgelaugt. Es droht Erosion, vor allem bei heftigen Niederschlägen. Die Rodung von Wäldern bewirkt zudem Klimaveränderungen und eine Verringerung der örtlichen Niederschlagsmengen.


2010 begann die Zwangsumsiedlung und Vertreibung von zunächst 70.000 Angehörigen dieser Völker in neue Dörfer. Die Anuak und Nuer hatten keinerlei Mitspracherecht; sie wurden auch nicht ausreichend über die Umsiedlung informiert. Falls sie sich weigerten, ihr Zuhause zu verlassen, ging das äthiopische Militär brutal gegen die Widerstandleistenden vor. Die neuen Siedlungen wurden in trockenen Gebieten mit kargen Böden errichtet. „Es wurden uns eine Schule, ein Krankenhaus und frisches Wasser versprochen. Bis jetzt haben wir nur eine Wasserpumpe“, klagt Udul Ujulu, Chief des Dorfes Karmi, der ursprünglich mit seinen sieben Kindern an den Ufern des Flusses Baro in Gambella lebte. Weder die äthiopische Regierung noch Karuturi sahen die Notwendigkeit, den Umgesiedelten Zugang zu Wasser, medizinischer Versorgung und zu Bildungseinrichtungen sowie Arbeitsplätzen zu verschaffen. Den Nuer wurde sprichwörtlich der Wasserhahn zugedreht: So wurden Straßen und Wege blockiert, die zuvor von den Wanderhirten benutzt wurden, um Flüsse und Wasserstellen zu erreichen. Sie müssen seither auf wesentlich längere Wegstrecken ausweichen, um ihre Tiere zu tränken. Viele waren gezwungen, ihr Vieh zu Niedrigpreisen zu verkaufen. Auch die versprochenen Arbeitsplätze erfüllten nicht die Erwartungen: Da Karuturi eigene, indische Fachkräfte und Hilfsarbeiter mit ins Land bringen durfte, blieben den Anuak und Nuer höchstens einfache Jobs als Tagelöhner. Diese erhielten nicht den zugesagten Tageslohn von 25-30 Birr, sondern nur zwischen acht und zwölf Birr (etwa 0,50 Euro). Bis 2013 war die Blumenfarm in Naivasha, Kenia, der Goldesel für Karuturi, denn sie brachte drei Viertel des weltweiten Jahresgewinns des Karuturi-Imperiums. Doch im August 2013 streikten 3.000 Arbeiter auf der kenianischen Blumenfarm wegen nicht gezahlter Löhne. Kurze Zeit später konnte das Unternehmen die Stromrechnung in Höhe von 140.000 Euro nicht mehr bezahlen. Fast parallel kamen Schreckensnachrichten aus der Gambela-Region: Am 23. November 2013 warnte das äthiopische Magazin The Reporter , dass die Unternehmungen von Karuturi in Äthiopien am Rande eines Kollaps stünden. Der wenige Wochen später prompt eintrat. Die Farmarbeiter und ihre Familien in Kenia und Äthiopien waren dermaßen in Leid und Armut gestürzt, dass einige versuchten, sich das Leben zu nehmen. Äthiopien lockt Großkonzerne ins Land mit dem Ziel, landwirtschaftliche Entwicklung in armen ländlichen Regionen zu fördern. Doch statt die Landwirtschaft zu stärken, wurden Zehntausende Anuak, Nuer und Oromo entwurzelt. Für sie regnete es weder Gewinne aus der Rosenzucht noch aus der Landwirtschaft. Sie leben nun am Rand der Existenz.


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