Sri Lanka


Nachkommen afrikanischer Sklaven suchen nach ihrer Identität

© Werner H. T. Fuhrmann

von Werner H.T. Fuhrmann

Ihre Sprache haben sie fast vergessen und vergeblich haben Musikethnologen versucht herauszufinden, ob ihre Melodien noch aus ihrer alten Heimat Mosambik stammen.Im Nordosten des Inselstaates Sri Lanka bei Puttalam lebt im Dorf Sirambiyadiya eine ethnische Gemeinschaft von rund 150 Schwarzen. Rund 50 Schwarze sollen in Colombo wohnen. Sie nennen sich Kaffir, was im Arabischen eigentlich Ungläubige heißt. Ihr Schicksal ist erst wenig erforscht. Besucher sind erstaunt, auf der tropischen Insel plötzlich schwarze Afrikaner anzutreffen.

Die Legende erzählt, Portugiesen hatten 1638 ihre Vorfahren in ihrer damaligen Kolonie Mosambik gefangen und als Seestreitkräfte auf das frühere Ceylon verschleppt, berichtet der 56 Jahre alte Clanchef, Peter Louis: „Wir wurden wegen unserer wulstigen Lippen als ,Wunderwaffe’ eingesetzt.“ „Sie fressen eure Kinder“, hatten die Portugiesen den Königen Sri Lankas gedroht, als sie die Insel kolonisierten. Der Historiker Prof. Tennakon Wimalanda aus der sri-lankischen Hauptstadt Colombo glaubt dagegen, dass sie als Arbeitskräfte auf die Insel gebracht wurden, weil sie gegen Malaria immun seien. Sie wurden beim Bau des mächtigen Forts in der Hauptstadt Colombo eingesetzt. Insgesamt sollen zu der Zeit etwa 4.000 von ihnen in zahlreichen Segelschiffladungen auf die Insel gelangt sein.

Sicher ist, dass die später folgenden Kolonialherren aus den Niederlanden und England zunächst ebenfalls nicht auf die Muskelkraft von Afrikanern verzichtet haben und immer neue Sklaven nach Sri Lanka verschleppten. Sie wurden jedoch nicht mehr als Soldaten in den Krieg gegen sich wehrende Könige geschickt, sondern mussten vor allem auf Zimt- und Kaffeeplantagen schuften.

Nach einem Dokument von 1724 waren die Kaffir nach einem gewaltsamen Aufstand zum König von Kandy – heute ein bedeutendes religiöses Zentrum in Sri Lanka – übergelaufen und hatten als Kaffir-Regiment in seiner Armee gedient. Die Briten losten um 1800 die Hollander als Kolonialmacht ab, begannen die Berge abzuholzen und Tee anzubauen. „Unser Los hat sich dadurch nicht verändert“, sagt Peter Louis. „Als die Sklaverei 1845 von den Engländern auf Ceylon abgeschafft wurde, verdingten wir uns in der Landwirtschaft. Von unseren Nachbarn werden wir noch immer als andersartig und fremd angesehen. Unsere Haut ist nun mal viel dunkler und außerdem haben wir gekräuselte Haare.“

Auch der soziale und ökonomische Status ist bis heute geblieben. „Wir bekommen keine Unterstützung von der Regierung. Wir haben keinerlei Einfluss auf die Politik oder Verwaltung“, berichtet der Clanchef. Nach seinen Schilderungen beenden die Kinder der Kaffir die Schulzeit zumeist nach kurzer Zeit, weil sie als Tagelöhner und Arbeiter zum Lebensunterhalt beitragen müssen. Ihre Muttersprache hatten sie dort nicht gelernt. „Wir arbeiten auch auf dem Bau, bei den großen Farmern, als Hilfskräfte im Krankenhaus oder in den Salinen.“ Wenige von ihnen seien Kleinbauern. Nur zwölf Familien hatten ein eigenes Haus.

Die Kaffir gehören mehrheitlich zur katholischen Minderheit in dem vor allem von Buddhisten, aber auch Hindus und Muslimen geprägten Land. Identifikationsmerkmale der Kaffir sind neben ihrem Äußeren vor allem ihre Musik und ihr Tanz, der Baila. Sie spielen auf Instrumenten, die auf der Insel unbekannt sind, und auch ihr Tanz hat starke afrikanische Anklänge. In einer spektakulären Parade vor dem Frederick-Fort in Trincomalee versuchten die Kaffir 1981, zwei Jahre vor dem Ausbruch des Jahrzehnte dauernden Bürgerkrieges auf der Insel, noch einmal auf sich aufmerksam zu machen. Sie schlugen ihre afrikanischen Trommeln und schwangen ihre Speere. Damals hieß es noch, niemand habe sie verstanden, weil sie ihre Forderungen und Stammesparolen in einer „vollig unverständlichen Sprache“ vorgetragen hatten. Nur in ihren Liedtexten kommen heute im Gegensatz zu ihrer Sprache noch einzelne kreolische Worte vor. Ganz wenige alte Frauen sollen noch Kreolisch sprechen. Stolz berichten die Tänzer, dass ihre Tanze und Musik von Generation zu Generation weitergegeben worden seien. Dies habe stark dazu beigetragen, dass sie heute mit großem Selbstbewusstsein vor allem vor Touristen an den Stranden Sri Lankas auftreten. Im vergangenen Jahr sei die Musik- und Tanztruppe sogar vom Konsul ihres Landes nach Johannisburg eingeladen worden.

Clanchef Peter Louis ist nach einer Kinderlähmung behindert und humpelt Tag für Tag von Dorf zu Dorf, um Lose zu verkaufen. Noch hält er seine Leute zusammen in seinem Dorf unter Palmen. „Ich glaube aber, dass die Kaffir als eigenständige Ethnie nur noch etwa 40 Jahre auf Sri Lanka existieren werden. Wir können dem Druck von den anderen ethnischen Gruppen nicht auf Dauer standhalten.“ Schon jetzt wurden sich immer mehr junge Leute aus Colombo oder ihrem Dorf mit Singalesen oder Tamilen aus anderen Teilender Insel vermählen.


progrom im Online-Shop der GfbV bestellen

 

Lesen Sie weiter