Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

wer heute die nordfriesischen Inseln Föhr, Amrum oder Sylt besucht, ist überrascht. Die Ortstafeln haben sich verändert. Sossarap, Neibel oder Stianodd lauten die Namen der Dörfer Suddorf, Nebel und Steenodde heute. Das Friesische, das deutschen wie dänischen Besuchern unverständlich ist, wird wieder zum Leben erweckt. Friesische Vereine beschränken sich nicht länger nur auf die Pflege alter Traditionen. Vielmehr hat die friesische Sprachbewegung Schulstunden in der Regionalsprache durchgesetzt, Friesisch wird an der Flensburger Hochschule gelehrt und die Schleswig-Holsteinische Zeitung publiziert in ihren nordfriesischen Ausgaben eine Sonderseite pro Monat auf Friesisch und Plattdeutsch.

Die UNESCO schatzt, dass von den mehr als 6.000 weltweit gesprochenen Sprachen etwa 2.500 vom Aussterben bedroht sind. Nicht selten sind nur noch ältere Menschen der Sprache ihrer Vorfahren mächtig – nicht zuletzt aufgrund jahrzehntelanger Assimilation oder Unterdrückung. Viele junge Menschen müssen erst wieder ermutigt werden, sich für das kulturelle Erbe ihrer Gemeinschaft zu interessieren. Lange genug haben Regierungen Minderheitensprachen verboten. Das Überleben von Sprachen bedingt auch das Überleben von jeweils einzigartigen Kulturen. Wie grau wäre die Welt ohne ihre kulturelle und sprachliche Vielfalt? Weltweit gibt es Gemeinschaften, die um das Überleben ihrer Sprache und Kultur medial „kämpfen“. Mit Mikrofon und Diktiergerät bewaffnet rufen sie Radiosender ins Leben. So wie Radio KUYI in Arizona, das für die Hopi nicht nur eine wichtige Quelle ist, um vor drohenden Gefahren zu warnen, sondern gleichzeitig auch ihre indianische Kultur am Leben erhält. Im Internet organisieren und mobilisieren sich die weltweit verstreut lebenden Tscherkessen genauso wie die Armenier. Sie fordern von Russland oder der Türkei eine Entschuldigung für die an ihren Völkern begangenen Verbrechen. In Mexiko läuft seit 2013 die erste Telenovela, in der fast ausschließlich Maya-Yucateco gesprochen wird und Riten und Bräuche der Maya genau erklärt werden. Mediales Engagement hat auch seinen Preis. Viele NGOs in Russland schweigen lieber, als ihre Stimme zu erheben. Sie haben Angst, vom Geheimdienst verfolgt zu werden. In China lebende tibetische und uigurische Blogger laufen Gefahr, inhaftiert zu werden, weil sie die desolate Lage der Menschenrechte in der Volksrepublik anprangern. Sogenannte alternative Medien sind vielen Regierungen ein Dorn im Auge, denn sie schaffen Gegenöffentlichkeit. Insbesondere konventionelle Medien berichten kaum oder gar nicht über die Situation ethnischer und religiöser Minderheiten und/oder verbreiten Stereotype und Vorurteile.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker engagiert sich seit mehr als vier Jahrzehnten für Minderheiten, die oft um ihr Überleben, aber auch für den Erhalt ihrer Sprachen, Kulturen und ihrer Umwelt kämpfen. Wir und andere Organisation waren Teil einer europäischen Bewegung, die sich für die Stärkung der Minderheitensprachen eingesetzt hat. Das Ergebnis war 1992 die Verabschiedung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen.

Begleiten Sie uns auf einer spannenden Reise durch die Medienwelt von ethnischen Minderheiten und indigenen Völkern!

Ihre Sandy Naake
Redakteurin von „bedrohte Völker – pogrom“


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