"Der Augsburger Weg"

Kriminalkommissar Helmut Sporer will Prostituierte besser vor Zwang und Ausbeutung schützen

Foto: jose pereira/Flickr © BY-ND 2.0

 

Zusammengefasst von Sarah Reinke

Helmut Sporer ist Leiter des Kommissariats 1 der Kri­minalpolizeiinspektion in Augsburg. Er kommt aus der Praxis und kennt die negativen Auswirkungen des umstrittenen Prostitutionsgesetzes auf die Lage der Frauen genau. Im Juni 2013 sagte er als Sachverständiger vor dem Bundestag aus und diskutierte mehrmals in Talkshows über eine Neuregelung des Gesetzes 1), das aus dem Jahr 2002 stammt. Schon 2010 hat Kommissar Sporer Vorschläge für „notwendige Neuregelungen“ 2) ausgearbeitet. Er geht davon aus, dass die meisten Prostituierten nur „scheinbar freiwillig oder selbständig arbeitende Frauen“ sind, „90 Prozent der Frauen verkaufen ihren Körper nicht freiwillig 3) “, sagt er. Gut 60 Prozent der Frauen stammen aus dem Ausland und von diesen wiederum die Hälfte aus Mittel- und Osteuropa. Sporer stellt dar, dass die Frauen oftmals unter einem großen Druck stehen, viel Geld zu verdienen, etwa um ihre verarmten Familien oder kranke Angehörige zu unterstützen. Oftmals wagten sie nicht, sich gegen Willkür, Gewalt und menschenunwürdige Arbeitsbedingungen zur Wehr zu setzen. Daher schlägt Sporer sechs Neuerungen vor, die die Frauen besser schützen und die Verfolgung und Bestrafung von Kriminellen in diesem Bereich ver­bessern sollen: 

1. Ausübung der Prostitution nur als selbständige Erwerbsarbeit 

Nur wenn Prostituierte tatsächlich selbständig und selbstbestimmt arbeiteten, könnten ihre Rechte und Würde garantiert werden, ist Sporer über­eugt. Dies sei „zentraler Punkt“ des Konzepts. Er fordert die Abschaffung des „eingeschränkten Weisungsrechts“ aus § 3 des derzeit gültigen Gesetzes, um zu garantieren, dass eine Prostituierte ihre Tätigkeit jederzeit unterbrechen oder beenden kann. Bisher werden Prostituierte allzu oft strengstens reglementiert, teils völlig überwacht und zu vielen Tätigkeiten gezwungen, ohne dass Bordellbetreiber mit Strafen rechnen müssen. 

2. Mindestalter 21 Jahre 

Die meisten Opfer von Menschenhandel sind jünger als 21. Viele sind nach den Erfahrungen der Polizei schüchterne Mädchen aus Südost- und Ost­europa, die oft kein Deutsch sprechen und unter falschen Versprechungen hierher gelockt oder verschleppt wurden. Eine 21-Jährige habe einem Menschenhändler, Freier oder Bordellbesitzer mehr entgegenzusetzen und sei auch insgesamt nicht mehr so leichtgläubig wie eine 18-Jährige. 

3. Verpflichtende regelmäßige Gesundheitsuntersuchung 

Maximal fünf Prozent der Prostituierten lassen sich freiwillig regelmäßig medizinisch untersuchen, obwohl die Frauen aus Staaten mit hohen Zuwachsraten von HIV/Aids- und He­patitis-Infektionen kommen. Der Besuch beim Gesundheitsamt könne für Prostituierte abgesehen von einer notwendigen gesundheitlichen Vorsorge eine Chance sein, überhaupt Kontakt mit der Außenwelt herzustellen und über die eigene Lage nachzudenken. 

4.Verpflichtende Anmeldung beim Finanzamt als selbständig Erwerbstätige 

Mit der Prostitution werden in Deutschland Milliarden Euro verdient, versteuert wird davon wenig. Eine verpflichtende steuerliche Anmeldung würde für Transparenz sorgen, die Frauen könnten eine Krankenversicherung abschließen und für das Alter vorsorgen. Eine eigene soziale Absicherung und die legale Grundlage ihrer Tätigkeit seien für Prostituierte wichtig, um sich wenigstens teils aus der Abhängigkeit von Bordellbesitzern befreien zu können. 

5. Verpflichtende Anmeldung bei der Polizei 

Sporers Erfahrung zeigt, dass Frauen, die in Kontakt mit der Polizei stehen, kaum Opfer von Straftaten werden. Durch die Pflicht, sich polizeilich zu melden, müssten die Frauen die Anonymität verlassen. Gleichzeitig stellten sie sich unter den Schutz der Behörde und lernten, dass die Polizei ihnen helfen kann. 

6. Erlaubnispflicht für den Betrieb eines Bordells 

Ob ein Zimmer für eine Prostituierte angemietet oder ein Großbordell eingerichtet wird – immer müssten diese Orte der Erlaubnispflicht unterliegen, fordert der Kommissar. Die Polizei solle für Kontrollen zuständig sein, um Fälle von Zwangsprostitution und Straftaten gegen die Frauen aufdecken und verfolgen zu können. Es müsse gewährleistet sein, dass der Bordellbetreiber nicht gleichzeitig Arbeitgeber oder Anordnungsbefugter ist. Außerdem dürfe er nicht am Umsatz der Frauen beteiligt werden. 

1) Zuletzt bei der Sendung „Menschen bei Maischberger“ am 26. November 2013 im Ersten. 

2) Helmut Sporer: Prostitution – Der Augsburger Weg, Menschenwürde und Selbstbestimmung als zentrale Kriterien einer notwendigen Neuregelung, Kriminalistik 4/ 2010, S. 235 – 240.
3)„Menschen bei Maischberger“, November 2013 


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