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Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn ich reise und in ein Land komme, in dem ich noch nicht gewesen bin, sind Geldscheine oft einer der ersten greifbaren Unterschiede zur Heimat. Meistens bedeutet das für mich Urlaub. Deswegen mag ich das Gefühl der mir unvertrauten Geldnoten in den Händen. Ich wende sie hin und her, schaue mir an, mit welchen Symbolen, Landschaften, Wahrzeichen und Personen sie bedruckt sind. Was wollen sie mir vom Land zeigen?

Später, unterwegs im Land, erfahre ich dann, was teuer ist und was nicht. Manchmal ist die ständige Umrechnerei lästig, manchmal ganz einfach. Am Ende einer Reise habe ich meistens keine Geldscheine mehr übrig. Aber im Kleingeldfach meines Portemonnaies haben sich über die Jahre Münzen aus verschiedenen Ländern angesammelt. Sie klimpern fröhlich vor sich hin, verlocken zu neuen Abenteuern, wenn ich an der Kasse im heimischen Supermarkt nach passenden Euro- und Centstücken krame.

In meiner Kindheit wurde der Euro eingeführt. Begeistert habe ich damals gelernt, die Münzen der verschiedenen Länder auseinanderzuhalten. Blöd fand ich Länder, deren Münzen alle das gleiche Motiv zeigten – König Albert II. aus Belgien zum Beispiel. Umso größer war die Freude, als ich die griechische 1-Euro-Münze mit der Eule darauf zum ersten Mal in die Finger bekam. Ich war auch ehrfürchtig davor, durch wie viele Hände sie auf ihrem Weg quer durch Europa von Griechenland bis zu mir nach Deutschland wohl gereicht worden war.

Geld erzählt Geschichten, ist so alltäglich nebensächlich – und doch alltäglich hauptsächlich. Geld regiert die Welt. Und die Gier nach Geld weckt oft das Schlimmste im Menschen. Die Osage, eine indigene Nation in den USA, waren eine Zeit lang das reichste Volk der Welt. Sie profitierten von Rohstoffen auf ihrem Land und teilten den Gewinn untereinander. Doch bald waren sie auch das Volk mit den meisten Mordopfern und ungeklärten Todesfällen der Welt. Erbschleicher*innen, eigentlich ein zu harmloser Begriff dafür, ergaunerten sich so Millionenbeträge.

Bei Rohstoffen wie Gold oder in Wirtschaftszweigen wie der Automobilindustrie sind die Lieferketten bis heute nicht sauber. Darunter leiden indigene Gemeinschaften etwa im Amazonasgebiet, aber auch die Uigur*innen in China. Koloniale Strukturen bestehen aufgrund von Geld etwa in Cabinda bis heute fort. Der Profit scheint stets schwerer zu wiegen als Menschenrechte.

Auf der anderen Seite soll mit Geld aber auch Verantwortung für Verbrechen übernommen werden. So fordern zum Beispiel die Ovaherero und Nama, dass Deutschland endlich dem Genozid Rechnung trägt, den es Anfang des 20. Jahrhunderts in der damaligen Kolonie auf dem Gebiet des heutigen Namibias an ihnen begangen hat. Zahlungen könnten zumindest fortbestehendes Leid mildern.

Bei der Arbeit an dieser Ausgabe hat mich ein Gefühl beschlichen: Verrückt, welche Macht ein paar Fetzen Papier haben, denen wir als Gesellschaft einen bestimmten Wert zuschreiben. Ich hoffe, die Lektüre unserer Artikel ist Ihnen am Ende jeden Cent wert gewesen.

Herzliche Grüße

Johanna Fischotter

PS: Mein Lieblingsgeldschein kommt übrigens aus Schottland. Da war ich noch nie. Aber ein Freund hat mir eine 10-Pfund Note mitgebracht. Sie zeigt auf der Rückseite zwei Otter.

 

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