02.07.2005

Zwölf Argumente für eine Beibehaltung des EU-Waffenembargos gegen China

Göttingen
1.) Deutschlands Partner in Amerika und Ostasien warten auf ein klares Votum der Bundesregierung gegen eine Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen die Volksrepublik China. Das US-Verteidigungsministerium hat sich in einem im Juli 2005 veröffentlichten Bericht besorgt über Chinas Aufrüstung gezeigt. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bekräftigte diese Kritik nochmals bei einem Besuch in der Volksrepublik China im Oktober 2005. Nicht nur in den USA, sondern auch in Japan führt die wankelmütige Haltung Berlins zu immer mehr Unsicherheit und Verstimmung. Im US-Kongress und Senat mehrten sich in den letzten Monaten die Stimmen, die Sanktionen gegen europäische Rüstungskonzerne fordern, die Waffen nach China liefern möchten. Der Neubeginn in den transatlantischen Beziehungen ist bereits in Gefahr, bevor er richtig stattgefunden hat. Die USA nutzen ihren gesamten diplomatischen Einfluss, um sich für eine Beibehaltung des Embargos einzusetzen. Denn Washington fürchtet, amerikanische Soldaten könnten aufgrund der US-Sicherheitsgarantien für Taiwan im Falle eines chinesischen Angriffs dazu gezwungen sein, gegen eine mit europäischen Waffensystemen ausgestattete chinesische Armee zu kämpfen.

2.) Mehrfach hat sich der Deutsche Bundestag gegen eine Aufhebung des Embargos zum heutigen Zeitpunkt ausgesprochen. Der scheidende Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich über die ablehnenden Voten des Deutschen Bundestages hinweggesetzt, um eine rasche Aufhebung des Embargos durchzusetzen. Nachdrücklich hat Angela Merkel in einer Bundestagsdebatte am 14. April 2005 das Verhalten Bundeskanzler Schröders in der Embargo-Frage verurteilt. Der Vorsitzende des CDU-Bundesfachausschusses Internationale Zusammenarbeit und Menschenrechte, Armin Laschet, bekräftigte bereits am 21. März 2005 in einer gemeinsam mit dem Leiter des CDU-Bundesfachausschusses Europapolitik, Elmar Brok, abgegebenen Erklärung das eindeutige Nein der CDU zu einer Aufhebung des Embargos. Eine Beendigung der Sanktionen sei angesichts der chinesischen Aufrüstung sicherheitspolitisch ein verheerendes Signal und beeinträchtige das Verhältnis zu den USA. Die führenden CDU-Außenpolitiker widersprachen auch der Einschätzung von Embargo-Gegnern, der Europäische Verhaltenskodex gegen Rüstungsexporte sei als Schutz gegen eine illegale Aufrüstung Chinas ausreichend.

3.) Die Konfliktprävention und –beilegung hat oberste Priorität in der deutschen Außenpolitik. Mit einer Aufhebung des Embargos würde Deutschland die Spannungen in der Taiwan-Strasse schüren.

4.) Nach der Verabschiedung des Anti-Sezessionsgesetzes und nach den staatlich gesteuerten anti-japanischen Demonstrationen in China im Frühjahr 2005 wurde deutlich, dass Chinas Führung mit einer immer nationalistischeren Außenpolitik versucht, von den wachsenden sozialen Problemen im eigenen Land abzulenken. Eine gefährliche Politik, da sie das Risiko eines Militärschlages gegen Taiwan erhöht.

5.) Eine Militärintervention gegen Taiwan würde nicht nur die Sicherheit in Ostasien ernsthaft gefährden, sondern auch den deutsch-chinesischen Handel empfindlich stören. Denn die EU könnte einen chinesischen Militärschlag nicht ignorieren und müsste mit drakonischen Sanktionen reagieren.

6.) Taiwan ist nicht nur einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands in Asien, sondern auch das demokratische China. Angesichts der deutschen historischen Erfahrung der Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg und des Zusammenbruchs der SED-Diktatur in der DDR sollte die Bundesregierung das demokratische Taiwan stärken. Wer heute das Waffenembargo aufhebt, signalisiert China "grünes Licht" für eine militärische Intervention gegen das demokratische Taiwan.

7.) Deutschland hat mit seiner Bewerbung um einen Ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen deutlich gemacht, dass Berlin den Anspruch erhebt, die Weltpolitik mitzugestalten. Dann muss es aber auch eine Außenpolitik betreiben, die diesem internationalen Anspruch gerecht wird und die Sicherheitsinteressen Taiwans, Japans, Südkoreas und der USA berücksichtigen. Japan hat mehrfach in den letzten Wochen vor einer Aufhebung des Embargos gewarnt und Chinas Hochrüstung als Sicherheitsrisiko bezeichnet.

8.) Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte beschwichtigend, er erwarte nach einer Aufhebung des Embargos keine nennenswerte Zunahme europäischer Rüstungsexporte nach China. Doch von der Aufhebung des Embargos verspricht sich vor allem die französische Rüstungsindustrie lukrative Aufträge. Seit dem Sommer 2003 hat China mehrfach in Frankreich Gespräche über die Lieferung hochmoderner Radar- und Waffensysteme geführt. Als fünftwichtigster Rüstungsexporteur der Welt hat Frankreich seit jeher bei seinen Rüstungsexporten wenig Skrupel gezeigt. So belieferte es beide Kontrahenten im Iran-Irak-Krieg und rüstete Argentinien im Falkland-Krieg gegen Großbritannien auf.

9.) Der EU-Verhaltenskodex für Rüstungsexporte bietet keine Gewähr, dass China nicht hochmoderne Rüstungssysteme in Europa erwirbt, die für einen Angriffskrieg gegen Taiwan genutzt werden können. Frankreich wird einer ernst zu nehmenden Verschärfung des EU-Verhaltenskodexes nicht zustimmen. Bislang erwies sich der Verhaltenskodex als äußerst lückenhaft. Wie die Genehmigungspraxis der EU-Staaten zeigt, wurden in den vergangenen zwei Jahren europäische Rüstungsgüter trotz des Verhaltenskodexes in unzählige Konfliktregionen und Diktaturen geliefert.

10.) Die deutsche Industrie erwartet von der Aufhebung des Embargos keine nennenswerten Impulse für den Außenhandel. Der führende britische Rüstungskonzern BAE warnte sogar vor einer Aufhebung des Embargos. Das Unternehmen fürchtet US-Sanktionen und machte deutlich, dass der Zugang zu dem US-Markt für den Konzern viel wichtiger sei als zum chinesischen Markt.

11.) Zwar hat sich China seit 1989 sehr verändert, doch der Wirtschaftsboom hat nicht zu einem demokratischen Wandel geführt. Menschenrechte werden noch immer mit Füßen getreten. Zwar behauptete die chinesische Regierung in einem am 13. April 2005 veröffentlichten Weißbuch, China habe Fortschritte bei der Beachtung der Menschenrechte gemacht, doch in keinem Land wird die Freiheit des Internets mehr begrenzt, werden mehr Menschen hingerichtet, wird die Religionsfreiheit massiver unterdrückt, wird die Pressefreiheit stärker begrenzt. Verhängt wurde das Waffenembargo nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens, bei dem 1989 mehr als 200 Studenten starben. Seit Juli 1999 starben mehr als 2.700 Falun Gong-Anhänger in chinesischem Polizeigewahrsam eines gewaltsamen Todes. Allein der Zahlenvergleich zeigt, wie wenig sich die Menschenrechtslage im viel beschworenen "neuen China" gebessert hat.

12.) Bis heute weigert sich die chinesische Regierung, die Verantwortlichen des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens juristisch zur Rechenschaft zu ziehen, die Opfer und ihre Angehörigen zu rehabilitieren sowie die seither inhaftierten Studentenführer freizulassen. Somit hat sich die offizielle chinesische Haltung gegenüber dem Massaker und der Demokratiebewegung seit der Verhängung des Embargos vor 16 Jahren nicht verändert. Ein Grund mehr für die EU, Peking für seine starre Haltung nicht auch noch mit der Aufhebung der Sanktionen zu belohnen.