29.06.2005

Zur Annexion freigegeben?

Taiwan

Göttingen
Taiwan ist der drittwichtigste Handelspartner der EU in Asien mit einem bilateralen jährlichen Handelsumfang von 37 Milliarden Euro. Zwar unterhalten EU-Staaten keine diplomatischen Beziehungen mit der Insel, doch Taiwan verfügte bereits vor der EU-Erweiterung über Handelsvertretungen in zwölf der fünfzehn EU-Staaten. Seit dem 10. März 2003 unterhalten die Europäer in Taiwan ein "Europäisches Wirtschafts- und Handels-Büro".

Ungeachtet der eskalierenden Spannungen in der Taiwan-Straße betonten insbesondere Deutschland und Frankreich in den letzten Wochen ihr unverbrüchliches Eintreten für die "Ein-China Politik". Es wäre fatal, wenn die chinesische Führung sich durch die Aufhebung des Waffenembargos, durch die Beschwörung der "Ein-China Politik" der Europäer sowie durch das Schweigen der EU zur Hochrüstung in der Taiwan-Straße darin bestärkt fühlen würde, eine Militärintervention gegen Taiwan vorzubereiten.

Selbst wenn die EU an ihrer Ein-China Politik festhält, so muss sie Peking gegenüber zumindest mit aller Entschiedenheit deutlich machen, dass jede militärische Intervention der Volksrepublik gegen Taiwan ernsthafte Folgen für ihr Verhältnis zu China sowie für das Ansehen der Volksrepublik in der Internationalen Staatengemeinschaft hätte. Für eine Aufhebung des Waffenembargos könnte angesichts der Spannungen zwischen China und Taiwan kaum ein schlechterer Termin gewählt werden.

Hochrüstung der Diktatur

Nicht nur in Taiwan, sondern auch in Japan und vielen südostasiatischen Staaten wird die Hochrüstung Chinas durch modernste Waffensysteme mit großer Besorgnis verfolgt. In einem 2004 von der japanischen Regierung veröffentlichten Weißbuch zur Verteidigungspolitik wurde Besorgnis über die wachsenden Rüstungsanstrengungen Chinas geäußert. Die wachsende Fähigkeit der Volksrepublik, Hochtechnologiewaffen einzusetzen, müsse aufmerksam verfolgt werden. Als besonders bedrohlich empfindet Taiwan die Aufrüstung. Das gescheiterte Referendum vom 20. März 2004 in Taiwan macht deutlich, wie tief die Ängste vor einer Verärgerung des übermächtigen Nachbarn auf dem Festland in der Bevölkerung des Inselstaates sind. In der zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl abgehaltenen Volksabstimmung konnten sich die Taiwanesen dazu äußern, ob Taiwan angesichts der chinesischen Bedrohung ein Raketenabwehrsystem installieren und mit China Gespräche aufnehmen solle. Da weniger als 50 Prozent Beteiligung an dem Referendum registriert wurden, ist die Volksabstimmung gescheitert.

Mit jedem Schritt der Modernisierung seiner Streitkräfte hat die Volksrepublik China mehr militärische Optionen zur Auswahl, um den Druck auf Taiwan zu erhöhen. Das US-Verteidigungsministerium äußerte bereits 2002 seine tiefe Besorgnis über die massive Steigerung der Verteidigungsausgaben Chinas und über neue High-Tech-Waffen, die die Bedrohung Taiwans deutlich steigerten; in einem Report wird China vorgeworfen, vor allem für einen eventuellen Konflikt in der Taiwan-Straße aufzurüsten.

Mehrfach drohten chinesische Militärs mit Krieg, sollte Taiwan die Ausrufung eines unabhängigen Staates vorantreiben, schließlich verabschiedete Peking auch ein entsprechendes Gesetz, das den Einsatz von Militärgewalt ausdrücklich vorsieht – eine Lizenz zum Überfall auf Taiwan. Gerade angesichts dieser Drohungen und politischer Bekenntnisse ist es besonders unverständlich, dass sich die EU für eine Aufhebung des Waffenembargos einsetzt. Immer wieder appellierte die taiwanesische Regierung 2004 angesichts der wachsenden Spannungen an die EU, das Embargo nicht aufzuheben und dem Drängen Chinas nicht nachzugeben.

Ulrich Delius