19.04.2005

Zum 60. Jahrestag der Deportationen unter Stalin: Demonstration für Frieden in Tschetschenien

Am Vortag des 60. Jahrestages der kollektiven Deportation der Tschetschenen nach Kasachstan demonstrierte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) gemeinsam mit der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft und Flüchtlingen aus Tschetschenien für Frieden im Nordkaukasus und einen Deportationsstopp für die tschetschenischen Flüchtlinge aus Deutschland.

 

Der Völkermord in Tschetschenien dauert bis heute an. Partnerorganisationen der GfbV berichten, dass im Januar und Februar 2004 gezielt Jagd auf junge Frauen in Tschetschenien gemacht wurde. Unter dem Vorwand, Selbstmordattentate verhindern zu wollen, werden sie verschleppt. Einige kommen nach Tagen schwer traumatisiert frei, andere verschwinden für immer. Die rot-grüne Bundesregierung unterstützt diese russische Politik in Tschetschenien. Sie trägt Mitschuld am unendlichen Leid der tschetschenischen Zivilisten. Nach verschiedenen internationalen Schätzungen sind seit 1994 von den knapp 1 Million Tschetschenen etwa 160.000 umgekommen. Nicht einmal die wenigen Tschetschenen, die dem Genozid durch Flucht nach Deutschland entkommen, sind hier sicher.

 

"Der junge tschetschenische Flüchtling Issa Gataev wurde am 5. Februar von Helmstedt über Berlin nach Russland abgeschoben", sagte Sarah Reinke, Tschetschenienexpertin der GfbV. "Russische Menschenrechtler wollten ihn in Moskau abholen. Als sie am Treffpunkt ankamen, war er verschwunden. Bis heute fehlt von ihm jede Spur. Der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) liegen aus jüngster Zeit sechs Fälle vor, in denen Flüchtlinge aus Tschetschenien, die nach Russland abgeschoben wurden, direkt im Flughafen verhaftet und auf Polizeiwachen gebracht wurden. Dort wurden ihnen ihre Papiere abgenommen, einige wurden misshandelt, eine konnte für 3.000 Dollar freigekauft werden und zwei verschwanden. Von ihnen gibt es bis heute kein Lebenszeichen. Angesichts dieser Vorfälle ist es empörend, dass die Bundesregierung noch keinen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Tschetschenien erlassen hat. So wiederholt sich die entsetzliche Geschichte der Deportation der Tschetschenen 1944 im Jahr 2004."

 

In über 20 Städten in Europa und den USA wie in Brüssel, Wien, Rom, Paris, Stockholm, Warschau, Kopenhagen, Boston und New York fordern Bürger bei Mahnwachen ihre Regierungen heute und morgen auf, den Völkermord in Tschetschenien als Tatsache anzuerkennen und endlich zu handeln. Die russischen Behörden verbieten bislang eine Mahnwache von Menschenrechtlern in Moskau. Nur eine schnelle politische Lösung kann das unendliche Leid der tschetschenischen Zivilbevölkerung stoppen und weitere Terroranschläge in Russland verhindern. "Deshalb fordern wir von der rot-grünen Bundesregierung endlich eine Friedensinitiative, die zu Verhandlungen zwischen der tschetschenischen und der russischen Seite führen muss", erklärte Sarah Reinke weiter.

 

Am 23. Februar 1944 hatte auf Befehl des Sowjetdiktators Josef Stalin die kollektive Deportation des tschetschenischen Volkes begonnen. 75.000 Tschetschenen - verschiedenen Schätzungen zufolge rund ein Fünftel dieses kleinen Volkes - starben während des Transports nach Zentralasien oder im Exil an Hunger, Kälte und Krankheiten. Mit der Planmäßigkeit dieser Deportation und der Vernichtung von 20 Prozent der tschetschenischen und inguschetischen Bevölkerung hat die damalige Regierung Stalin Völkermord begangen.