29.08.2007

Yezidi suchen Sicherheit im Bundesland Kurdistan

Nach Bombenattentaten Plebiszit über Zugehörigkeit ihrer Region Sinjar im Nordirak gefordert

Bei einer Trauerdemonstration der Yeziden in Berlin für die etwa 500 Opfer der Bombenanschläge im Nordirak Mitte August hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Dienstag eine Volksabstimmung über einen möglichen Anschluss der mehrheitlich von kurdischen Yezi-den besiedelten Region Sinjar an das nordirakische Bundesland Kurdistan gefordert. "Wir haben den Eindruck, dass es rings um die Region Kräfte gibt, die jetzt die Jahr-tausende alte Gemeinschaft der Yeziden zerstören, vernichten oder vertreiben wollen und somit auch das Ziel haben, eine uralte Kultur und Religion auszulöschen", sagte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch bei der Kundgebung, an der rund 2000 De-monstranten teilnahmen. Schutz für die Menschen des Sinjar-Gebietes werde wohl nur aus dem Irak selbst kommen können. Deshalb hätten Yeziden auf einer von der GfbV organisierten Versammlung im deutschen Exil schon 2003 gefordert, Sinjar dem benachbarten Kurdistan als selbst verwaltetes Gebiet anzuschließen. Artikel 140 der irakischen Verfassung garantiere ihr Recht auf Selbstbestimmung. In der Regierung Kurdistans bekleiden zwei Yeziden Ministerämter. Als religiöse bzw. ethnische Minderheiten genießen Yeziden, assyro-chaldäische Christen und Turkmenen dort kulturelle Autonomie.

 

"Viele Yeziden möchten, dass ihre Region zu Kurdistan gehört, weil die Lage dort si-cher und friedlich ist", hatte Dr. Dakhil Said Khidir, Beiratsmitglied der GfbV-Kurdistan/ Nordirak am Telefon berichtet. Im Bergland Sinjar lebt die weltweit größte yezidisch-kurdische Gemeinschaft mit bis zu 400.000 Angehörigen. Das Gebiet ist nur noch über eine einzige und sehr unsichere Straße zu erreichen. Sinjar, eine der heute um-strittensten Regionen des Irak, liegt im äußersten Nordwesten des Landes und ist bisher Teil der Provinz Ninive (Hauptstadt Mosul). Sie grenzt im Westen an Syrien. Der Hauptort Sinjar hat 40.000 Einwohner, die – wie in den meisten Orten des Distriktes - in ihrer großen Mehrheit kurdische Yeziden sind.

 

Hintergrundinformationen:

Unter den mehrheitlich muslimischen Kurden bilden die Yeziden als religiöse Minderheit eine Jahrtausende alte nahöstliche nichtchristliche und nichtislamische Glaubensgemein-schaft. Sie sprechen die Kurmanci-Variante des Kurdischen und leben im Irak, Syrien, in der Türkei, Armenien und Georgien sowie in der europäischen Diaspora. Ihre Gesamtzahl wird auf rund 800.000 geschätzt. Im Nordirak leben insgesamt ca. 550.000 Yeziden. In der Region Sinjar stellen sie rund 80 % der Bevölkerung. In Deutschland sind etwa 45 000 Yeziden, meist Religionsflüchtlinge aus der Türkei, ansässig.

 

Die Yeziden blicken auf eine lange Leidensgeschichte zurück. Schon unter osmanischer Herrschaft kam es häufiger zu Verfolgungen der yezidischen Bevölkerung wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit. Seit Machtantritt der Baathpartei Saddam Husseins 1968 wurden die Yeziden Opfer von Deportationen, Massenerschießungen und Folterungen. Als Angehörige einer ethnischen und religiösen Minderheit wurden Zehntausende von ihnen in Internierungs- und Konzentrationslagern sowie so genannten Modelldörfern festgehalten.

 

Nach dem Zusammenbruch des Saddam-Regimes und dem Einmarsch der Amerikaner erfolgte eine allmähliche Rücksiedlung in die Heimatorte des Hauptsiedlungsgebietes um Sinjar. Der zunehmende Terrorismus in Mosul, der Hauptstadt der Provinz Ninive, löste eine weitere Fluchtbewegung auch von Intellektuellen und Studenten in die eigentliche Heimatregion aus.

 

Nach Angaben yezidischer Theologen glauben die Yeziden an einen einzigen Gott. Außerdem verehren sie auch den "Engel Ta’us", der für sie das Oberhaupt der Engel, Symbol der Güte sowie der für das Universum Verantwortliche ist. Für die Yezidi ist göttliche Macht übertragbar auf diejenigen, die gefestigt im Glauben sind und gute Taten vollbringen (und Propheten). Daher gibt es bei ihnen viele Gottgleiche (Xudan). Die berühmtesten von ihnen sind: Scheich Adi, Scheich Sin, Scheich Schams, Scheich Fakhir-Aldin, Mir Hasin Maman, Nassr Din, u.a..