05.05.2005

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von Minderheiten in Erdölfördergebieten

Genf
Beim Weltwirtschaftsforum in Davos am 31. Januar 1999 forderte der UN - Generalsekretär Kofi Annan die Führer der Weltwirtschaft auf, sich des UN - Global Compact sowohl in ihrer jeweiligen Unternehmenspolitik als auch durch Unterstützung einer angemessenen Politik "anzunehmen und ihn in die Tat umzusetzen". In einer globalisierten Welt wächst den Wirtschaftsunternehmen immer größere Verantwortung für die Menschenrechtslage in den Gebieten zu, in denen sie aktiv sind. Seit mehr als 10 Jahren beobachtet die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bereits die Querverbindungen zwischen Wirtschaftsmaßnahmen und Menschenrechtsverletzungen in aller Welt, insbesondere jedoch in den hochsensiblen Gebieten, in denen ethnische oder religiöse Minderheiten leben. Die GfbV möchte die Aufmerksamkeit der Sub Commission auf solche Fälle richten, in denen Ölunternehmen zugesagt hatten, Minderheiten dort, wo Öl und Erdgas gefunden wurde und gefördert wird, bessere Lebensbedingungen zu verschaffen. Das Gegenteil ist der Fall. Es ist zu groben Menschenrechtsverletzungen gekommen. Ebenfalls wurden wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verletzt. Dies trifft zum Beispiel auf den Sudan, Kolumbien und China (Autonome Region Tibet und Autonome Region der Uighuren in Xinjiang) zu.

Menschenrechtsverletzungen im Sudan

Einer der blutigsten und am längsten andauernden Kriege in Afrika wird vom Öl angeheizt. In welchem Ausmaß sind ausländische Ölgesellschaften Mittäter? Ein Jahr nachdem eine offizielle kanadische Delegation unter Vorsitz von John Harker die Mittäterschaft ausländischer Ölgesellschaften verurteilt hat, eskaliert die Menschenrechtssituation weiter. In den Ölfeldern und ihrer Umgebung vertreiben die Regierungsstreitkräfte und von der Regierung unterstützte Milizen noch immer die Zivilbevölkerung mit Gewalt. Dies wird von Unternehmen wie Lundin, Petronas und CNPS toleriert. Durch die Offensive, die erforderlich sein wird, um das Konzessionsgebiet von TotalFinaElf unter Kontrolle zu bekommen, wird die "verbrannte Erde" dicht an die Grenzen zu Uganda und Kenia herangetragen werden. Die Infrastruktur der Ölgesellschaften, so auch Landebahnen und Versorgungswege, wird von den Regierungsstreitkräften, die im Südsudan kämpfen, genutzt. Dadurch wiederum nehmen die Kampfhandlungen zu. Der Sudan exportiert mittlerweile Erdöl und finanziert mit den Gewinnen die Expansion des Krieges. Im Norden des Landes ist ein neuer industrieller Komplex entstanden, der Berichten zu Folge sowohl für zivile als auch für militärische Zwecke genutzt wird. Die Ausgaben im Verteidigungsetat haben sich verdoppelt. Als Folge der Vertreibungen der Zivilbevölkerung können die Menschen sich nicht länger von ihrem Land ernähren. Dies führt zu akuter Lebensmittelverknappung und zu Ängsten vor einer Hungersnot.

Erdölexploration auf dem traditionellen Territorium der U'wa

1992 hat die Regierung Kolumbiens der internationalen Ölgesellschaft Occidental Petroleum (Oxy) Bohrrechte im traditionellen Territorium des Volkes der U'wa genehmigt. Oxy schätzt das Vorkommen in der als Samoré Block bekannten Region auf etwa 1,5 Milliarden Barrel. 1997 wurde Roberto Cobaría, der damalige gewählte Führer der U'wa, mitten in der Nacht aus seinem Bett geholt, zusammengeschlagen und verletzt. Anfang 2000 begann Oxy mit dem Bau der ersten Bohrstelle namens Gibraltar 1. Dieses Projekt hat bereits zu einer dramatischen Zunahme von Menschenrechtsverletzungen und von Umweltschäden geführt. Im vergangenen Jahr wurde das Land der U'wa militarisiert. Im März 2000 wurden drei US-amerikanische Unterstützer der U'wa von einer Guerilla - Gruppe in Araca ermordet. Die U'wa fürchten, dass diese Morde und der Angriff auf Roberto Cobaría Vorboten dessen sind, was auf sie zukommt, wenn das Erdölprojekt auf ihrem Land voranschreitet. Die U'wa warnen davor, dass dieses Projekt, sollte es nicht eingestellt werden, zu immer mehr Gewalt, Umweltzerstörung, Kulturverlust, Ölverseuchungen durch Bombardements der Guerilla und Entwaldung durch Zugangsstraßen führen wird.

Auslandsinvestitionen in den Autonomen Regionen Tibet und Xinjiang in China

Internationale Erdöl- und Erdgasunternehmen investieren in den Energiesektor der westchinesischen Regionen Tibet und Xinjiang. BP Amoco hat mit der staatlichen Ölgesellschaft PetroChina bereits Verhandlungen über eine Beteiligung am Bau einer 4.200 km langen Pipeline von Xinjiang nach Shanghai aufgenommen. Über den Bau weiterer Pipelines verhandelt PetroChina auch mit weiteren internationalen Unternehmen. In Xinjiang unterdrücken chinesische Behörden jeden Versuch der Uighuren, für Menschenrechte und Demokratie einzutreten. Die Machenschaften von PetroChina werden Zehntausende chinesische Ölarbeiter nach Tibet und Xinjiang bringen. Das schafft zwar Arbeitsplätze für Chinesen, gleichzeitig aber leiden Tibeter und Uighuren unter hoher Arbeitslosigkeit und einem sehr niedrigen Lebensstandard. Zudem sind durch diese demographischen Manipulationen Tibeter und Uighuren bereits zu Minderheiten im eigenen Land geworden. Durch seine Investitionen in PetroChina macht sich BP Amoco in hohem Maße unglaubwürdig. Da PetroChina an die strikte Firmenpolitik seiner Muttergesellschaft, des staatlichen chinesischen Erdölgiganten CNPC, gebunden ist, dürfte BP Amoco kaum die Möglichkeit haben, PetroChinas Fördermethoden zu beeinflussen.

Die tibetischen Ölquellen liegen in den Regionen Kham und Amdo, die 1949 von China in die Provinz Quinghai integriert worden sind. Für die Tibeter gehören diese Regionen aber nach wie vor zu Tibet. Tibetische und mongolische Nomaden leben seit Urzeiten im Tsaidem - Becken, in dem die Förderung stattfinden soll. Als Ergebnis der systematischen Ausbeutung der Ölreserven, die für Zentralchina von großer Bedeutung sind, geraten die religiösen und kulturellen Traditionen der Tibeter und Uighuren in Gefahr, ihre Menschenrechte werden verletzt. Gleichzeitig propagiert die Führung Chinas auch weiterhin die "Entwicklung" Tibets und Xinjiangs.

Um dieser vielfältigen Verletzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ein Ende zu setzen, bittet die GfbV die UN - Sub Commission zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte:

Druck auf die in Frage kommenden internationalen Ölgesellschaften auszuüben, damit diese ihre Planungen in den erwähnten Territorien im Hinblick auf den Global Compact Prozess überdenken

Die Frage von für internationale Ölgesellschaften gesperrten Gebieten (no-go-areas) wie etwa dem Sudan im Hinblick auf den Global Compact Prozess zu erörtern

Mechanismen zu entwickeln, mittels derer die Prinzipien des Global Compact für die internationalen Unternehmen verbindlicher werden.