25.11.2010
Willkürliche Gewalt gegen Christen und undemokratische Wahlbedingungen
Parlamentswahlen in Ägypten (28.11.)
Im Vorfeld der Parlamentswahlen in Ägypten nimmt die willkürliche und brutale Gewalt gegen
koptischen Christen unvermindert zu. Bei den jüngsten Angriffen der ägyptischen Polizei auf
Angehörige der religiösen Minderheit wurden am gestrigen Mittwoch mindesten ein Kopte
getötet und etwa 20 verletzt. Die Polizei löste mit größter Brutalität eine friedliche
Protestdemonstration von Kopten gegen das Bauverbot einer Kirche in Kairo auf. 93 Kopten
wurden festgenommen. "Die ägyptische Regierung scheint auf dem Rücken der christlichen
Minderheit, Wahlkampf im mehrheitlich muslimischen Land zu betreiben. Nur so kann die
unverhältnismäßige Reaktion der ägyptischen Polizei erklärt werden", sagte Nahostreferent
Kamal Sido der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Donnerstag in Göttingen.
Währenddessen hat die demokratische Opposition unter dem Friedensnobelpreisträger und
früherem Vorsitzenden der Internationalen Energieagentur IAEA Mohamed Al-Baradei aus
Protest gegen die undemokratischen Wahlbedingungen bei den am Sonntag in Ägypten
beginnenden Parlamentswahlen zum Wahlboykott aufgerufen. "Durch den Boykott soll
gezeigt werden, dass das Regime Mubaraks nicht demokratisch legitimiert ist. Die
Gegenparteien werden stark benachteiligt. Die Wahl ist deshalb weder fair noch oder
demokratisch", erklärte die Menschenrechtsorganisation. Die Opposition wurde im Vorfeld
der Wahl bereits massiv daran gehindert, ihre Wähler zu mobilisieren: Kandidaten wurden
verhaftet, Wahlwerbung in den Medien nicht zugelassen und die Versendung elektronischer
Botschaften per Mobiltelefon eingeschränkt.
Doch längst prägen Terror und Gewalt den Alltag der Kopten in Ägypten. Anfang März 2010
wurden Angehörige dieser christlichen Religionsgemeinschaft Opfer von pogromartigen
Ausschreitungen: 2.000 bis 3.000 Islamisten skandierten nach der Freitagspredigt im
nordägyptischen Küstenort Mersa Matrouh radikale Parolen, warfen Steine nach den
Gläubigen, verwüsteten koptische Häuser und Geschäfte oder brannten sie nieder.
Gewalttätige Angriffe auf Kopten in Ägypten bis hin zu Morden und Vergewaltigungen hätten
stark zugenommen, beklagte ein Vertreter der Koptischen Kirche in Deutschland gegenüber
der GfbV. "Auch unsere Kirche leidet sehr. Gotteshäuser werden immer wieder von
Extremisten niedergebrannt."
Die christliche Minderheit stellt mit acht bis zehn Millionen Menschen mindestens zehn
Prozent der etwa 83 Millionen ägyptischen Staatsbürger. Die meisten Christen sind Kopten.
Sie gehören vor allem der orientalisch-orthodoxen Kirche an. Es gibt aber auch die
koptischen Katholiken, die griechisch-orthodoxen, griechisch-katholischen und
protestantisch-arabischen Christen. Sie bilden jeweils nur kleine Gemeinschaften. Im
ägyptischen Parlament sind die Christen unterrepräsentiert: von insgesamt 440
Abgeordneten stellen sie nur vier.
Unsere laufende Chronik der Menschenrechtsverletzungen an den Kopten können Sie bei
der GfbV unter nahost@gfbv.de anfordern.
Der GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido ist erreichbar unter Tel. 0551 - 4990618