27.01.2006

Werte-Test für Muslime? Terrortest für christliche Serben? Bosniens Muslime - die "einzigen Christen" des Balkans?

Die kollektive Verunglimpfung der Muslime in Baden-Württemberg mag für den bevorstehenden Wahlkampf taugen, allein provokative Befragungen von Muslimen lösen die Probleme der Einbürgerung von Ausländern nicht, sagt der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Tilman Zülch. Terrorismus von Christen ist nicht weniger schlimm als jener von Muslimen. Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech sollte zur Toleranz und Humanität zurückkehren, statt beleidigende Fragenkataloge für Muslime zu entwerfen.

 

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) erinnert daran, dass während des Bosnien-Krieges christliche serbische Gastarbeiter und eingebürgerte Serben zum verlängerten Wochenende ins bosnische Kriegsgebiet fuhren, um sich an Raub, Mord und Vergewaltigung zu beteiligen. Damals nannte die GfbV dem Bundeskriminalamt BKA 34 Namen von mutmaßlichen Kriegsverbrechern. Zwei von ihnen wurden in Deutschland verhaftet: Nikola Jorgic wurde in Deutschland wegen Beteiligung an Völkermord an den bosnischen Muslimen verurteilt, Dusko Tadic an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert.

 

In Bosnien wurden etwa 200.000 Menschen vernichtet, 90 Prozent der zivilen Opfer des Genozids waren muslimische Bosniaken. Die europäischen Regierungen - einschließlich Deutschland - sahen den Massakern vier Jahre lang tatenlos zu. Nahezu alle serbisch-orthodoxen Bischöfe unterstützten die so genannten ethnischen Säuberungen. Balkanspezialisten bezeichneten Bosniens Muslime deshalb als "einzige Christen des Balkans".