26.11.2005

Wenn ihnen der Boden unter den Füßen schmilzt…

Indigene Völker in der Arktis leiden unter Klimawandel

Zunehmend gefährlich: Eislochfischen. Foto: K.-H. Raach

Seit Jahrhunderten leben die über 30 indigenen Völker nördlich des Polarkreises von der Jagd auf Eisbären, Walrosse und Robben, von der Rentierhaltung, vom Fischfang und Sammeln. Immer haben sie ihre Lebensweise den sich wandelnden Umweltbedingungen anzupassen gewusst. Der Klimawandel verändert ihren Lebensraum jedoch so schnell, grundlegend und zerstörend, dass eine Anpassung kaum möglich scheint. Die Indigenen müssen beobachten, wie die Eisbären verhungern und bestimmte Pflanzenarten nicht mehr wachsen. Die Winter sind kürzer und wärmer geworden, Gletscher ziehen sich zurück oder tauen gänzlich ab, und Menschen sterben, weil ihre vertrauten Wege durch die dünner gewordene Eisdecke nicht mehr sicher sind.

Die über 400.000 Indigenen in der Arktis sind mit den Folgen des Klimawandels bereits massiv konfrontiert, obwohl sie selbst kaum dazu beigetragen haben. Seit Jahrzehnten haben sie sich gegen die Öl- und Gasförderung auf ihrem Land gewehrt, die die Umwelt zerstört und die Gesundheit der Indigenen beeinträchtigt. Jetzt droht ihnen sogar die Vernichtung ihrer Lebensgrundlagen durch den globalen Ölboom. Denn der Gehalt von Kohlendioxid in der Atmosphäre, durch den die Klimakatastrophe maßgeblich hervorgebracht wird, entsteht durch das Verbrennen fossiler Energieträger wie Öl und Kohle. Wenn die Industrieländer nicht endlich konsequent ihre Energiepolitik ändern und den Kohlendioxidausstoß reduzieren, schmilzt den Menschen in der Arktis der Boden immer weiter unter den Füßen weg.

…und uns die Zeit durch die Hände rinnt

Die Arktis, in der sich das Klima zwei- bis dreimal stärker als im globalen Durchschnitt verändert hat, ist ein Indikator für die globale Klimakatastrophe. Die Reaktionen der Verantwortlichen sind jedoch wenig beispielhaft und wegweisend. Statt der Urbevölkerung der Arktis Hilfe anzubieten, die indigenen Völker mehr in die internationale Klimapolitik einzubinden und den Klimawandel mit einer verantwortungsvollen Energiepolitik zu verlangsamen, schielen viele Unternehmen und Regierungen nach den wirtschaftlichen Perspektiven, die eine eisfreie Arktis bieten würde. Wo Eis zu Wasser wird, können Rohstoffe auf dem Seeweg preiswerter transportiert werden. Nach der Überfischung der meisten Ozeane sehen Fischfangflotten im hohen Norden neue Möglichkeiten. Ölkonzerne versuchen bereits, sich die Rechte an der Ausbeutung weiterer Ressourcen unter dem nun schmelzenden Eis zu sichern.

Von den Saami in Lappland über die Evenken in Sibirien, die Yup´ik und Gwich´in in Alaska bis zu den Inuit in Grönland mahnen indigene Gruppen aus drei Kontinenten vor der Zerstörung dieses einzigartigen Naturraumes. Was für Umweltschützer zum Weltnaturerbe zählt, ist für die indigenen Völker das Land ihrer Vorfahren, in dem sie seit Jahrhunderten leben. Sie spüren die Folgen des Klimawandels täglich und sehen ihr Recht auf Gesundheit, auf Nahrung, ihre Kultur, die Sicherheit ihrer Wohnorte und andere Menschenrechte verletzt. Für sie ist eine neue Klimapolitik nicht ein Luxus, sondern eine Frage des Überlebens.

Den Klimawandel eindämmen können nur die Industrieländer, die auch die Hauptverursacher der Klimaveränderung sind. Bei der nächsten Versammlung der Unterzeichnerstaaten der UN-Klimarahmenkonvention vom 28.11. bis 9.12.2005 in Montreal müssen dringend wirksame Maßnahmen beschlossen werden, um die Geschwindigkeit und das Ausmaß des Klimawandels zu verringern. Auch brauchen die indigenen Völker mehr Unterstützung bei der Bewältigung der schweren Schäden, die bereits heute festzustellen sind. Neben finanzieller Hilfe für die Urbevölkerung muss stärker ihr Wissen von der Natur und den Folgen des Klimawandels berücksichtigt werden. Die indigenen Organisationen dürfen nicht länger von den Entscheidungsprozessen in der Klimapolitik ausgeschlossen bleiben. Denn es sind die Indigenen, die die Folgen des Klimawandels alltäglich erleben und die Hauptleidtragenden dieser Entwicklung sind.

Bitte geben Sie indigenen Völkern in der Arktis eine Stimme!

- Für Mitspracherecht indigener Organisationen in klimarelevanten

Entscheidungsprozessen!

- Für konsequenten Richtungswechsel in der Klimapolitik!

- Für Initiativen zur Bewältigung der aktuellen Zerstörung in der Arktis!

> Bitte fordern Sie Dänemark und Kanada auf, eine Expertenkommission und einen Hilfsfonds zur Bewältigung der Situation einzurichten. Sicherzustellen ist die Teilnahme der im Arktischen Rat vertretenen indigenen Organisationen an allen Entscheidungsprozessen des Arktischen Rats. Zudem müssen indigene Gruppen Mitspracherecht in internationalen Entscheidungsprozessen wie Montreal bekommen (siehe beiliegenden Briefvorschlag oder www.gfbv.de).

> Bitte wenden Sie sich an das Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention UNFCCC. Fordern Sie den Beschluss effektiver Maßnahmen gegen den Kohlendioxidausstoß, stärkere Beteiligung indigener Gruppen und die Etablierung einer UN-Expertenkommission mit indigenen Experten (beiliegend oder unter: www.gfbv.de).

> Bitte fordern Sie Ihre Bundestagsabgeordneten auf, sich für ein Umdenken in der Klimapolitik einzusetzen (beiliegender Briefvorschlag).

> Machen Sie mit Veranstaltungen auf die Situation der indigenen Völker in der Arktis aufmerksam. Fordern Sie unser Infoblatt zur Arktis zum Verteilen oder Auslegen an. Engagieren Sie sich auf kommunalpolitischer Ebene, indem Sie an Ihre Stadt herantreten und sich für die Realisierung nachhaltiger Energieprojekte einsetzen. Regen Sie Partnerschaften zwischen Gemeinden und indigenen Völkern in der Arktis nach dem Beispiel des Klimabündnisses an: www.klimabuendnis.org

DAS TUT DIE GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER

Mit Appellen, Presseerklärungen und Veranstaltungen mit betroffenen Indigenen aus der Arktis macht die GfbV auf die dramatischen Folgen des Klimawandels für die Ureinwohner aufmerksam. Wir geben mit unserer Arbeit indigenen Völkern der Arktis auch hier in Mitteleuropa eine Stimme. Gemeinsam mit indigenen Vertreterinnen und Vertretern suchen wir das Gespräch mit Politik und Wirtschaft, um auch bei den Entscheidungsträgern ein Umdenken in der Klimapolitik herbeizuführen. Weiteres zu Thema und Forderungen: www.gfbv.de