08.04.2016

Weltromatag (8. April 2016)

„Wie tief sind wir gefallen, dass mit Menschen so grob umgegangen werden darf?“ - Roma-Flüchtlingen aus dem Kosovo dauerhaftes Bleiberecht gewähren! (Pressemitteilung)

„Es muss endlich zur Kenntnis genommen werden, dass eine erzwungene Rückführung für Roma-Familien, die seit fast zwei Jahrzehnten unter uns leben, unweigerlich den Weg ins Elend bedeutet." © Archiv

Anlässlich des Weltromatages (8. April) hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Politik der Bundesregierung gegenüber langjährig in Deutschland ansässigen Roma-Flüchtlingen aus dem Kosovo scharf kritisiert. „Es erschüttert und empört uns, dass Angehörige dieser Volksgruppe unbarmherzig abgeschoben werden und ihren hier geborenen und aufgewachsenen Kindern ungerührt die Zukunft genommen wird“, erklärte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch am Freitag in Göttingen. „Wie tief sind wir gefallen, dass so grob mit Menschen umgegangen werden darf und viele unserer Politiker für Kinder, die hier zuhause sind, aber deren Eltern aus dem Kosovo kommen, keine Verantwortung übernehmen wollen?“ Die derzeit praktizierte hartherzige Abschiebepolitik erinnere an die Zeit vor 1979, als deutsche Sinti und Roma vielfach unmenschlich behandelt und nicht selten Opfer von ungerechtfertigten Polizeiaktionen wurden, kritisierte der Menschenrechtler.

Nur eine Kontingentlösung könne den Teufelskreis durchbrechen, in dem diese Roma-Flüchtlinge gefangen sind, betonte Zülch und forderte: „Es muss endlich zur Kenntnis genommen werden, dass eine erzwungene Rückführung für Roma-Famili-en, die seit fast zwei Jahrzehnten unter uns leben, unweigerlich den Weg ins Elend bedeutet, denn im Kosovo können sich Rückkehrer aufgrund der starken Diskriminierung kein neues Leben aufbauen.“ Die Roma müssten erneut fliehen und kehrten in der Regel nach Westeuropa zurück. „Es kann nicht ernsthaft Ziel deutscher Politik sein, Menschen in so eine ausweglose Situation zu treiben, dass sie nur noch in der Illegalität existieren können.“

Die GfbV rief die Bundesregierung dringend dazu auf, die Abschiebung von langjährig in Deutschland ansässigen Roma-Familien umgehend einzustellen und ihnen ein Bleiberecht zu gewähren. Die hier geborenen und aufgewachsenen deutschsprachigen Kinder und Jugendlichen hätten sich mit Hilfe von Lehrern, Sozialarbeitern, Geistlichen, Kirchengemeinden, Flüchtlingsräten und Menschenrechtlern integriert. Viele haben sich für sie engagiert und unendlich viel geleistet.

Mehr als 100.000 Angehörige der Roma-Minderheiten wurden während und nach dem Krieg im Kosovo (1998/1999) vor den Augen auch deutscher Bundeswehrsoldaten, die zur Nato-Sicherheitstruppe KFOR gehörten, von nationalistischen Albanern vertrieben. 70 von 75 ihrer Dörfer und Stadtteile wurden geplündert und zerstört. Heute ist Roma der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt, nur ganz wenige ihrer zerstörten Häuser wurden wiederaufgebaut. Roma finden im Krankheitsfall kaum medizinische Hilfe, ihre Kinder werden in Schulen gehänselt und ausgegrenzt. In Deutsch-land leben noch rund 4.400 Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo, die hier langjährig ansässig und von Abschiebung bedroht sind. Mindestens zwei Drittel von ihnen sind Kinder. Verschiedenen Schätzungen zufolge gibt es im Kosovo heute bis zu 38.000 Roma, Aschkali und Kosovo-Ägypter. Bis zu 8.000 von ihnen sind Roma. Vor dem Krieg lebten dort etwa 150.000 Angehörige dieser Minderheiten.


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