16.01.2010

Vortrag und Diskussion mit Herrn Özdal Ücer, Abgeordneter der BDP, Nachfolgepartei der inzwischen verbotenen prokurdischen Partei DTP, im Parlament der Türkei

Vortrag und Diskussion: "Frieden und Freiheit für Kurden in der Türkei"

Göttingen, Victor-Gollancz-Haus 20:00 Uhr

Vor rund 70 Gästen im vollbesetzten Saal des Victor-Gollancz-Hauses für Menschenrechte in Göttingen hat Özdal Üçer, Abgeordneter der prokurdischen Partei BDP im türkischen Parlament, über die aktuelle Situation der Kurden in der Türkei berichtet. "Kurdische Kinder müssen jeden Morgen vor dem Unterrichtsbeginn schwören, dass sie stolze Türken sind", kritisierte der ehemalige Grundschullehrer die Verleumdung der kurdischen Identität durch die türkische Politik. "Wenn Kinder dann sagen, dass sie Kurden sind, werden sie als Terroristen bezeichnet und sie und ihre Eltern werden bestraft." Dies war nur eines der Beispiele, die Üçer für die Unterdrückung der kurdischen Minderheit anführte.

Auch auf die PKK und ihre Rolle im angestrebten Annäherungsprozess zwischen Kurden und Türken ging Üçer ein: "Die türkische Regierung muss sich fragen, warum die PKK entstanden ist. Die PKK repräsentiert den Großteil der Kurden in der Türkei, sie muss deshalb in den Friedensprozess einbezogen werden." Des Weiteren kritisierte Üçer sowohl die Politik des türkischen Ministerpräsidenten Recip Tayyip Erdoğan, als auch die Europäische Union. Diese mache ihre Arbeit in der Kurdenfrage schlecht und lasse sich von der Türkei betrügen.

Nach Üçer sprach der Bremer Rechtsanwalt und Mitglied der Internationalen Liga für Menschenrechte, Dr. Rolf Goessner. Er konzentrierte sich in seinem Beitrag vor allem auf die Vorraussetzungen für eine Lösung des Kurdenkonflikts. Beide Seiten, sowohl Kurden als auch Türken, müssten sich bewegen und von militärischen Auseinandersetzungen absehen, so Goessner. Solange die Kurden in der Türkei nicht gleichberechtigt seien, beispielsweise sprachlich und in der politischen Repräsentation, könne der Konflikt nicht gelöst werden.

Weiterer Diskussionsteilnehmer war Yüksel Koç, 2. Vorsitzender von Yekkom, der Föderation kurdischer Vereine in Deutschland. Koç beklagte, dass nicht einmal in Deutschland die kurdische Identität anerkannt werde. Kurden würden statt dessen offiziell als Araber, Perser oder Türken angesehen. Er selbst habe seiner Tochter keinen kurdischen Namen geben können, weil diese von deutschen Behörden nicht anerkannt würden.

Tilman Zülch, Bundesvorsitzender der GfbV kritisierte deutlich und scharf die Menschenrechtspolitik der PKK in der Vergangenheit. Das habe dazu beigetragen, dass die Bundesregierung die PKK damals verboten hat. Dennoch muss nach Wegen gesucht werden, wie man die in der Türkei vorsichtig begonnene Diskussion über die Kurdenfrage, in einen Friedensprozess münden lasse. Auch Dr. Kamal Sido, Nahostreferent appellierte dringend an die Kurden, sich ihrer Vergangenheit zu stellen und diese kritisch aufarbeiten. Ein offenes Gespräch über alle strittigen Fragen sei unentbehrlich.

Am Ende der teilweise recht lebhaften Diskussion einigten sich alle Beteiligten darauf, zukünftig für die Rechte der Kurden in der Türkei enger zusammenarbeiten zu wollen.