14.06.2005

Völker ohne Staat finden ihren Platz beim Bund der Staaten

Zum ersten Mal ist mit dem Permanent Forum on Indigenous Issues ein eigenes hochrangiges Gremium der UN für Ureinwohner zusammengetreten

bedrohte völker 214 / 4_2002
Als "Schritt in Richtung Anerkennung unseres Rechts auf Selbstbestimmung" bewertete Willie Littlechild von der Cree Nation, eines der acht Indigenen Mitglieder des Permanent Forum on Indigenous Issues PFII, dessen Gründungssitzung im Mai 2002. "Wir werden innerhalb des Permanenten Forums auf gleicher Ebene mit den Mitgliedern der Nationalstaaten sein. Zum ersten Mal in der Geschichte werden wir zur UN-Familie dazu gehören." Es ist in der Tat Neuland für diesen Bund von Nationalstaaten, auf höchster Ebene der UN-Hierarchie einem Forum Raum zu geben, dessen Zusammensetzung zur Hälfte von Ureinwohnern geprägt wird, von Völkern ohne Staat also. Das PFII ist direkt dem Wirtschafts- und Sozialrat ECOSOC zugeordnet, bei dem die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) beratenden Status genießt. Es befindet sich damit sozusagen "auf Augenhöhe" zum Beispiel mit der Menschenrechtskommission.

Der Gründungsversammlung des PFII, an der am Sitz der UN in New York City fast 1000 indigene Delegierte teilnahmen, wurde innerhalb der UN ein hoher Stellenwert eingeräumt. Dafür spricht zumindest die Liste prominenter Redner wie Mary Robinson, UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Frechette, stellvertretende Generalsekretärin, Ivan Simonovich, Präsident des ECOSOC oder Mark Malloch Brown, Leiter des UN-Entwicklungsprogrammes UNDP. Zum Abschluss der Konferenz gab sich auch Kofi Annan die Ehre und hieß die Ureinwohner in der Völkerfamilie der UN willkommen.

Bei aller Euphorie gab es allerdings von Anfang auch heftige Kritik, die vor allem die Auswahl der 16 Mitglieder des Forums sowie dessen Ausstattung mit Geld und Personal betrifft. So werden die Nationalstaatenvertreter von den Mitgliedsstaaten der UN nominiert und vom ECOSOC gewählt, die Vertreter der Indigenen Völker hingegen werden vom Präsidenten des ECOSOC ernannt – nach "ausführlichen Konsultationen" mit den Institutionen der Ureinwohner. Was unter "Konsultation" zu verstehen ist, wurde allerdings (noch) nicht definiert. Nur sechs der acht Vertreter, auf die sich die indigenen Organisationen zuvor analog zu den Regionen Arktis/Europa, Afrika, Asien, Nordamerika, Mittel- und Südamerika einschließlich Karibik, Pazifik sowie ehemalige Sowjetunion einschließlich Osteuropa geeinigt hatten, wurden letztlich vom ECOSOC-Präsidenten auch ernannt.

Ein eigenes Sekretariat und ein eigener Etat sind für eine wirklich souveräne Vertretung der Indigenen Völker bei den UN ein Muss, wenn sich das Forum nicht in der Organisierung seiner Jahresversammlungen erschöpfen soll. Unterstützt wurde diese Forderung der Delegierten u.a. von Erica Daes, die lange Jahre den Vorsitz der Working Group Indigenous Populations innehatte, von der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu oder dem norwegischen Saami Ole Hendrik Magga, im ersten Jahr Vorsitzender des PFII. Erstmals umfasst das Mandat einer Vertretung der Indigenen Völker innerhalb der UN nicht nur den Bereich der Menschenrechte, sondern auch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Kultur, Umwelt, Bildung und Gesundheit. Finanzieren soll das Forum seine Arbeit in dieser Vielzahl von Bereichen aber lediglich aus dem bestehenden UN-Etat und aus freiwilligen Zuwendungen der Mitgliedsstaaten.

Das PFII soll als beratendes Expertengremium Empfehlungen zu Belangen der Ureinwohner erarbeiten und an den ECOSOC oder andere Programme, Fonds oder Abteilungen der UNO weitergeben. Es soll eine Bestandsanalyse zur derzeitigen Lage Indigener Völker vornehmen, innerhalb der UN das Bewusstsein für indigene Belange schärfen und entsprechende Aktivitäten fördern und koordinieren. Zum Ende der ersten Amtszeit nach drei Jahren wird der erste Bericht des PFII vorgelegt werden. Entscheidungen des Forums werden nach dem Konsensprinzip gefällt. Kritiker wie der Koordinator des Netzwerkes für Indigene- und Stammesvölker in Asien Suhas Chakma sehen darin die Gefahr, dass die Vertreter der Nationalstaaten das Konsensprinzip als Dauerveto missbrauchen könnten, um wirkliche Veränderungen zu Gunsten der Indigenen zu verhindern.

Chakma plädiert dafür, dass das PFII bis spätestens 2004 finanziell und personell auf eigenen Füßen stehen müsse, denn mit der Dekade der Indigenen Völker der Welt läuft auch der "Voluntary Fund" der Dekade aus. Ohne einen eigenen, selbstverwalteten Etat laufe das PFII Gefahr, ein Papiertiger zu werden, meinte auch der Präsident der Metis Nation von Ontario / Kanada Tony Belcourt in seiner vielbeachteten Rede zu Beginn des Forums. Permanente Foren könnten durchaus finanziell eigenständig sein. Das 2001 geschaffene Permanente Forum zu Wald etwa sei von der UN-Generalversammlung mit einem Etat von $ 750.000 ausgestattet worden, während das Permanente Forum der Bewohner des Waldes leer ausgehen solle. Wirkliche Souveränität bedeute aber, dass die Indigenen Völker sich auch selbst an der Finanzierung ihres Forums beteiligen: "Wir haben als Metis in Kanada gelernt, dass Selbstbestimmung mit Selbsthilfe anfängt. Es wird sich nie Substanzielles ändern, wenn wir nicht selbst die Initiative ergreifen." Die Metis Nation ging abschließend mit gutem Beispiel voran und stellte dem PFII eine Vollzeitstelle im Gegenwert von $ 100.000 pro Jahr zur Verfügung. Die Maori aus Neuseeland sagten eine Geldspende von $ 50.000 zu.

Das PFII wird seinen Schwerpunkt zunächst darauf setzen, eine moderne Kommunikationsstruktur und Datenbanken aufzubauen. Inhaltlich soll ein besonderes Augenmerk auf der Gesundheitssituation und der Lage von Kindern und Jugendlichen Indigener Völker liegen.

Web- und Lesetipps

Die UN-Website Indigene Völker

Das Netzwerk indigener Medienschaffender

Website Indigene Völker des UN-Hochkommissars für Menschenrechte

Indigenous Affairs 1 / 02 - International Processes; Zeitschrift der International Workgroup for Indigenous Affairs mit sehr guten Hintergrundberichten zum Permanten Forum, zum 2001 eingesetzten Sonderberichterstatter zu Indigenen Völkern und zur Stellung Indigener Völker in weiteren internationalen Organisationen inner- und außerhalb der UN. Zu bestellen über www.iwgia.org oder iwgia@iwgia.org

Basisdaten zum Permanenten Forum

Gründungssitzung: 13. bis 24. Mai 2002 in New York City mit nahezu 1.000 indigenen Teilnehmern. UN-Interessenvertretung der nach UN-Angaben mindestens 300 Millionen Angehörigen von etwa 5.000 indigenen Völkern in 70 Staaten der Erde.

Vorgeschichte: Die Weltmenschenrechtskonferenz in Wien schlägt 1993 in ihrer Abschlusserklärung die Gründung des Forums vor. Die UN-Vollversammlung erklärt dies 1995 zu einem der Ziele der Dekade der Indigenen Völker der Welt (1995 - 2004). 1998 beruft die UN-Menschenrechtskommission eine Ad-hoc Arbeitsgruppe, die Zusammensetzung, Mandat und Ebene des Forums innerhalb der UN-Hierarchie festlegt. Im Juli 2000 stimmt der ECOSOC der Gründung des Forums ebenfalls zu. Im Dezember 2000 trifft die UN schließlich bei ihrem Millenniumsgipfel die endgültige Entscheidung.

Technika: Die Amtszeit des Forums beträgt drei Jahre und kann um ein Jahr verlängert werden. Die Mitglieder treffen sich ein Mal im Jahr für 10 Arbeitstage zur Vollversammlung, zu der sich Delegierte der Indigenen Völker, von NGOs und Nationalstaaten als Gäste akkreditieren lassen können; die nächste Versammlung soll im Mai / Juni 2003 in New York City stattfinden; ECOSOC hat das Forum ermächtigt, eine dreitägige Vorbereitungssitzung und eine fünftägige Arbeitssitzung zwischen den Vollversammlungen abzuhalten. Das Forum legt dem ECOSOC alle drei Jahre einen Bericht vor. (bgt)