15.07.2008

Vier Jahre Engagement der internationalen Gemeinschaft für ein Ende der Straflosigkeit in Darfur (2004 – 2008)

Gerechtigkeit für Darfur

Hintergrund: Dramatische Lage der Zivilbevölkerung in Darfur

Fünfeinhalb Jahre nach Beginn des Völkermords in Darfur eskaliert die humanitäre und menschenrechtliche Lage im Westen des Sudan immer mehr. Seit Beginn des Jahres 2008 sind weitere 180.000 Menschen in Darfur vertrieben worden. Allein 60.000 Menschen mussten nach UN-Angaben aufgrund von Angriffen der sudanesischen Armee fliehen (Washington Post, 20.6.32008). Damit erhöht sich die Zahl der Menschen, die seit der Unterzeichnung des "Friedensabkommens" in Darfur am 5.Mai 2006 ihre Dörfer verlassen mussten, auf 880.000. Rund 2,5 Millionen Menschen mussten insgesamt seit Beginn des Genozids im Jahr 2004 fliehen. Ingesamt sind 4,2 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass die Verbrechen gegen die Menschlichkeit bislang 300.000 Opfer gefordert haben. Tatsächlich dürften jedoch mehr als 400.000 Menschen zu Tode gekommen sein. Die sudanesische Regierung dagegen behauptet, es seien bislang 10.300 Darfuris gestorben.

Im Jahr 2008 wurde die humanitäre Versorgung der Not Leidenden durch Überfälle von Janjaweed-Milizionären und Banditen weiter erschwert. Zwischen dem 1. Januar 2008 und dem 20. Juni 2008 wurden 160 Lastwagen-Konvois mit Hilfsgütern überfallen und entführt (Associated Press, 22.6.2008). Allein 83 Hilfstransporte des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen wurden angegriffen und Fahrer sowie Ladung verschleppt. Die Zahl der Überfälle hat gegenüber dem Vorjahr deutlich zugenommen. Im gesamten Jahr 2007 waren 142 Fahrzeuge überfallen, 15 Helfer getötet und 59 verletzt worden. Aufgrund der zahlreichen Übergriffe musste das Welternährungsprogramm seine Hilfslieferungen im Jahr 2008 um 42 Prozent kürzen, ein drastischer Einschnitt, von dem 2,7 Millionen Not Leidende betroffen sind (IRIN, 24.6.2008). Aber nicht nur die Menge der Hilfsgüter hat abgenommen, sondern auch die Qualität der Versorgung hat sich in den ersten Monaten des Jahres 2008 deutlich verschlechtert.

Die Koordination der Vereinten Nation für humanitäre Hilfe (UNOCHA) erklärte im Juni 2008, dass die Arbeitsbedingungen für Hilfsorganisationen in Darfur in den letzten 18 Monaten niemals so schlimm gewesen seien wie heute (AFP, 25.6.2008). Fast jeden Tag würde ein Fahrzeug angegriffen, der von den Behörden versprochene Schutz durch Eskorten wird nur selten gewährt. Auch wird die Arbeit der in- und ausländischen Helfer immer wieder von den Behörden behindert. Erst Ende Juni 2008 wurde ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" ausgewiesen.

Am 31. Juli 2007 hatte der Weltsicherheitsrat mit der Verabschiedung der Resolution 1769 der Entsendung von 26.000 Soldaten und Polizisten unter dem gemeinsamen Kommando der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union (AU) nach Darfur zugestimmt. Die Friedenstruppen haben ein Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung. Doch außer 140 Polizisten aus Bangladesch sowie einigen Offizieren, Ingenieuren und UN-Mitarbeitern sind seit dem Beschluss des Friedenstruppeneinsatzes keine neuen Soldaten in den Westen des Sudan gekommen. Die bislang in Darfur stationierten 8.000 ausländischen Soldaten gehören zum Kontingent afrikanischer Soldaten, die seit 2004 schrittweise im Rahmen eines AU-Einsatzes nach Darfur gekommen waren. Zwar stimmte die sudanesische Regierung nach monatelangem Streit im Juli 2007 der Stationierung der UNAMID-Friedenstruppen grundsätzlich zu, doch seither verzögern die sudanesischen Behörden mit immer neuen Bedingungen die zügige Verlagerung der Soldaten in den Westen des Sudan. So streitet man momentan über eine Liste von Staaten, die Truppen stellen dürfen, und wie diese Soldaten ausgerüstet sein dürfen. Einigen konnte man sich bislang auch nicht auf eine Vereinbarung über die Einsatz-Modalitäten der Blauhelme sowie über die Frage, ob ihre Überwachungsflüge angemeldet und von den sudanesischen Behörden gestattet werden müssen.

Mehrfach wurden die Friedenstruppen angegriffen. Zuletzt starben sieben afrikanische Soldaten und 22 weitere wurden verletzt, als sie am 8. Juli 2008 vermutlich von Janjaweed-Milizionären attackiert wurden. Nach Angaben der Vereinten Nationen war der Angriff so vorbereitet, dass er möglichst viele Menschenleben kostete.

 

Sudans Regierung missachtet Völkerrecht

Systematisch hat die Regierung des Sudan seit Beginn des Völkermords in Darfur alle Resolutionen des Weltsicherheitsrates zu dem Konflikt verletzt. Gegen mindestens acht Resolutionen (1325, 1502, 1556, 1591, 1593, 1612, 1674, 1769) zum Schutz der Zivilbevölkerung, zu einem Waffenembargo, zu einer Flugverbotszone, zu Sanktionen, zur Entwaffnung der Milizen und zur Bestrafung der Verantwortlichen hat der Sudan verstoßen.

Die nachstehende Chronik der Bemühungen um ein Ende der Straflosigkeit in Darfur macht deutlich, dass die Führung in Khartum mit allen Mitteln versucht, eine Bestrafung der Verantwortlichen der Verbrechen zu verhindern. Zwar bekräftigt sie stetig, dass sie eine Auslieferung der Verdächtigen nach Den Haag kategorisch ablehnt und Prozesse nur im Sudan durchgeführt werden dürften. Doch die bisher stattgefundenen Verfahren gegen den Minister für humanitäre Angelegenheiten, Ahmed Haroun, sowie gegen andere Beschuldigte haben gezeigt, dass die sudanesische Justiz nicht unparteiisch urteilt und es keine Unabhängigkeit des Gerichtswesens im Sudan gibt. Auch ist Khartum seinen zahlreichen Beteuerungen, glaubwürdige Ermittlungen gegen die Beschuldigten einzuleiten, nicht nachgekommen.

Darüber hinaus verweigert der Sudan systematisch jede Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof, den er in aller Öffentlichkeit auch von hochrangigen Repräsentanten des sudanesischen Staates verunglimpfen lässt. So wird dem Chefankläger Moreno-Ocampo vorgeworfen, ein "Terrorist" zu sein, und der gesamte Gerichtshof als "terroristische Organisation" bezeichnet. Gipfelpunkt der Verleumdungen des international anerkannten Gerichtes war die Ausstellung eines Haftbefehls gegen Moreno-Ocampo wegen Unterstützung des Terrorismus.

Die sudanesische Führung muss sich fragen lassen, warum sie nicht nur die Auslieferung Harouns hintertreibt, sondern den per Haftbefehl Gesuchten auch noch als Regierungsmitglied weiter deckt. Als Affront gegen die internationale Staatengemeinschaft ist seine Ernennung zum Mitvorsitzenden eines Komitees zur Überprüfung von Beschwerden von Opfern der Menschenrechtsverletzungen in Darfur anzusehen. Dies ist auch kein Ausnahmefall. Auch im Falle des mit Reise- und Finanzsanktionen vom Weltsicherheitsrat, der EU und den USA belegten Janjaweed-Milizenführers Musa Hilal ignoriert die sudanesische Führung die internationale Staatengemeinschaft, in dem sie ihn zum Sonderberater des Staatspräsidenten al Bashir ernennt.

 

Kritik an Sudans Führung aus dem eigenen Land

Die Blockadepolitik der sudanesischen Führung stößt sogar in der eigenen Regierungskoalition auf Ablehnung. So fordern Abgeordnete und Minister der südsudanesischen SPLM den sudanesischen Präsidenten immer wieder auf, mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenzuarbeiten und die Verdächtigen auszuliefern. Von der oppositionellen Umma-Partei bis zur Kommunistischen Partei wird dieser Appell von einem breiten Bündnis der demokratischen politischen Opposition getragen. Nur die Partei des Staatspräsidenten, die Nationale Kongresspartei beharrt auf ihrem unnachgiebigen Kurs, der dem Ansehen des Sudan weltweit schadet.

Auch lokale Gouverneure und Abgeordnete in Darfur fordern öffentlich eine glaubwürdige Strafverfolgung der Verantwortlichen durch den Internationalen Gerichtshof. Die Betroffenen in Darfur fordern allemal seit Jahren Gerechtigkeit und eine Bestrafung der Verantwortlichen. Dies bestätigten auch Befragungen von Darfur-Flüchtlingen im Nachbarland Tschad durch die Gesellschaft für bedrohte Völker.

 

Internationale Staatengemeinschaft missachtet ihre Verantwortung

Enttäuschend ist das bisherige Verhalten der internationalen Staatengemeinschaft auf die vielfachen Provokationen der sudanesischen Führung. China, Sudans treuester Verbündeter, intervenierte gleich dreimal seit Dezember 2007 im Weltsicherheitsrat, um eine Verurteilung der mangelnden Zusammenarbeit des Sudan mit dem Internationalen Strafgerichtshof zu verhindern.

Doch auch die Europäische Union (EU) beschränkte sich auf immer neue Appelle an die sudanesische Führung und auf die bislang leere Androhung von Sanktionen, sollte Khartum nicht mit Den Haag kooperieren. Zwar nahm der Ton der Erklärungen in den letzten Monaten an Schärfe zu, doch auf gemeinsame Sanktionen konnte sich die EU bislang nicht verständigen. Zuletzt verhinderten im Juni 2008 Frankreich und Spanien den Beschluss von Sanktionen.

 

Darfur ist nicht mit Norduganda vergleichbar

Kritiker der neuen Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofes wenden ein, dass das Vorgehen Moreno-Ocampos weitere Friedensgespräche in Darfur beeinträchtigen könne. Sie vergleichen die Lage mit Norduganda. In Norduganda kämpft seit 20 Jahren die Terrorbewegung Lord’s Resistance Army (LRA) gegen die ugandische Armee. Auf Betreiben der ugandischen Regierung wurden gegen führende LRA-Kommandeure Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs erlassen. Breite Teile der Zivilgesellschaft in Norduganda kritisierten die Haftbefehle, weil sie die Suche nach einer Friedenslösung behinderten. Insbesondere kirchliche Kreise hatten sich jahrelang mit Unterstützung internationaler Menschenrechtsorganisationen gegen den Widerstand der ugandischen Regierung für Frieden in Norduganda eingesetzt.

In Norduganda fordern die meisten Menschen eine Aufhebung der Haftbefehle des Internationalen Gerichtshofes. Das heißt aber nicht, dass sie nicht eine Aufarbeitung der schrecklichen Menschenrechtsverletzungen der LRA verlangen. Diese Aufarbeitung soll nur im Land unter Einsatz traditioneller Methoden der Gerichtsbarkeit erfolgen. Diese wurden in Kooperation mit der ugandischen Regierung wurden inzwischen so der Situation angepasst, dass Verfahren gegen Verantwortliche der LRA in Norduganda stattfinden könnten. Doch bislang hält der Internationale Strafgerichtshof an seinen zuvor ausgestellten Haftbefehlen gegen LRA-Führer fest.

Im Westen des Sudan stellt sich die Situation anders dar. Dort fordert eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung eine Bestrafung der Verantwortlichen der Kriegsverbrechen und des Völkermordes. Da eine solche Aufarbeitung angesichts der mangelnden Unabhängigkeit der Gerichte nicht im Sudan erfolgen kann, plädieren die meisten Vertriebenen und Angehörigen von Opfern in Darfur für eine Überstellung der Täter an den Internationalen Strafgerichtshof. Dies behindere auch nicht den Frieden, erklären viele Darfuris, da die sudanesische Regierung ohnehin nicht an Frieden interessiert sei und alles unternehme, um einen glaubwürdigen Friedensprozess zu unterbinden.

 

Chronik der Bemühungen um ein Ende der Straflosigkeit in Darfur

26. Februar 2003: Beginn der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und des Völkermords

26. Juli 2004: Der Außenministerrat der Europäischen Union (EU) spricht sich unter dem Vorsitz des niederländischen Außenministers Bernard Bot dafür aus, dass der Weltsicherheitsrat eine Untersuchungskommission ernennt und nach Darfur entsendet.

13. September 2004: Der Rat der EU-Außenminister bekräftigt nochmals die Notwendigkeit der Entsendung einer vom Weltsicherheitsrat bestimmten Untersuchungskommission in den Westen des Sudan.

18. September 2004: Mit der Resolution 1564 beschließt der Weltsicherheitsrat die Bildung einer Darfur-Untersuchungsmission, die klären soll, ob in Darfur humanitäres Völkerrecht massiv verletzt oder Völkermord verübt wird. Insbesondere Deutschland, das zwischen dem 1. Januar 2003 und dem 31. Dezember 2004 als nicht-ständiges Mitglied in dem höchsten UN-Gremium vertreten war, engagierte sich für das Zustandekommen der Resolution sowie für die Übertragung des Darfur-Dossiers an den Internationalen Strafgerichtshof.

11. Oktober 2004: Der EU-Außenministerrat begrüßt die Resolution 1564 des Weltsicherheitsrates und die Schaffung der Untersuchungsmission.

25. Januar 2005: Die vom Weltsicherheitsrat gebildete Untersuchungsmission legt einen umfassenden Bericht vor und empfiehlt, den Internationalen Strafgerichtshof mit der Bestrafung der Verantwortlichen für die festgestellten Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu betrauen.

31. März 2005: Der Weltsicherheitsrat betraut den Internationalen Strafgerichtshof mit der Resolution 1593 mit der Lage in Darfur. Die Resolution wird mit elf Ja-Stimmen, keiner Gegenstimme und vier Enthaltungen (China, USA, Brasilien, Algerien) angenommen. Gegenstand der Ermittlungen sollen Verbrechen sein, die seit dem 1. Juli 2002 im Westen des Sudan begangen wurden. Nachdrücklich wird darin die Regierung des Sudan aufgefordert, mit dem Strafgerichtshof umfassend zusammenzuarbeiten und ihm sowie seinem Chefankläger jede notwendige Unterstützung zu gewährleisten. Der Sudan hat zwar nicht das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ratifiziert, doch der Weltsicherheitsrat kann sich darüber hinwegsetzen und das Gericht mit der Strafverfolgung betrauen, wenn eine Gefahr für den internationalen Frieden und die Sicherheit besteht.

5. April 2005: UN-Generalsekretär Kofi Annan übergibt dem Internationalen Strafgerichtshof eine Liste mit den Namen von 51 Verdächtigen, die in Darfur für Vergewaltigungen, Plünderungen und Morde verantwortlich sein sollen. Verfasst wurde die Liste von den Mitgliedern der unabhängigen Untersuchungsmission, die vom Weltsicherheitsrat gebildet worden war.

1. Juni 2005: Der Chefankläger Luis Moreno-Ocampo gibt bekannt, dass der Internationale Strafgerichtshof offiziell Ermittlungen zu Darfur aufgenommen hat.

Dezember 2005: Moreno-Ocampo wählt eine Reihe Straftaten in Darfur für weitere Ermittlungen aus.

18. Februar 2006: Sudans Staatspräsident Omar al Bashir erklärt, dass Verbrechen in Darfur nur von sudanesischen Gerichten geahndet werden dürften. Faire öffentliche Gerichtsverfahren und das Recht auf Verteidigung jedes Angeklagten sowie die Beachtung der Menschenrechte seien im Sudan garantiert (Sudan Tribune, 19.2.2006). Der sudanesische Präsident bekräftigte, dass kein sudanesischer Verdächtiger von seiner Regierung dem Internationalen Strafgerichtshof überstellt werde (Xinhua, 19.2.2006).

26. Februar 2006: Der sudanesische Justizminister Mohamed Ali al-Mardi spricht dem Internationalen Strafgerichtshof jede Gerichtsbarkeit über Sudanesen ab. Dies gelte sowohl für sudanesische Armeeangehörige als auch für paramilitärische Einheiten (wie die Volksverteidigungskräfte / Popular Defense Force) und für Rebellen (Reuters, 26.2.2007). Um dem Internationalen Strafgerichtshof zuvor zu kommen, kündigte das sudanesische Justizministerium die Bildung eines Sondergerichtshofes an, der bereits in der folgenden Woche einsatzbereit sei. Das Gericht solle verschiedene Fälle von Entführungen, Geiselnahme, Morden sowie Zerstörungen von Häusern in West-Darfur aufarbeiten (Sudan Tribune, 26.2.2007).

Mai 2006: Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Louise Arbour wirft der sudanesischen Regierung in einem Bericht vor, die Behörden in Khartum seien nicht Willens, die Verantwortlichen für Vergewaltigungen und die Ermordung von Zivilisten zur Rechenschaft zu ziehen.

25. Februar 2007: Der immer häufiger wegen seiner Rolle in Darfur beschuldigte frühere Innenminister Ahmed Haroun weist in einem Interview jede Schuld von sich. "Ich kann mich selbst verteidigen und bin überhaupt nicht besorgt", erklärt der heutige Minister für humanitäre Angelegenheiten selbstbewusst (AFP, 25.2.2007). Die Anschuldigungen seien falsch und politisch motiviert. "Mein Gewissen ist rein und ich fühle mich nicht schuldig, denn ich habe mich an die nationalen Gesetze gehalten und nur im öffentlichen Interesse gehandelt", erklärt Haroun. Der Minister sagt, er würde jede Entscheidung der sudanesischen Regierung akzeptieren und befolgen. Sollte er dem Gerichtshof in Den Haag überstellt werden, so würde er dort die gleiche "heldenhafte" Haltung beweisen wie der irakische Präsident Saddam Hussein. Dem Strafgerichtshof unterstellt der Beschuldigte, er wolle mit seinen Ermittlungen nur den Friedensprozess erschweren, der von Libyen und Eritrea zurzeit vorangetrieben werde. Die von beiden Staaten angestrebten Friedensverhandlungen scheiterten am mangelnden Verhandlungswillen aller Konfliktparteien.

27. Februar 2007: Moreno-Ocampo nennt mit dem ehemaligen sudanesischen Innenminister Ahmed Haroun und mit dem Führer der Janjaweed-Milizionäre, Ali Mohamed Ali Abdelrahman (genannt Ali Kushayb), die ersten zwei Verdächtigen. Es gebe einen Anfangsverdacht, dass sie verantwortlich seien für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Darfur in den Jahren 2003 und 2004 (Reuters, 27.2.2007).

Haroun und Ali Kushayb gelten als zwei von mindestens 22 Personen, die für Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur verantwortlich sein sollen. Haroun war zur Tatzeit amtierender Innenminister des Sudan und soll mehrmals während dieser Zeit an offiziellen Treffen in Darfur teilgenommen haben, bei denen er Janjaweed-Milizionäre und Soldaten zu Angriffen auf andere ethnische Gemeinschaften angestiftet haben soll. Ali Kushayb hingegen war einer der bedeutendsten Janjaweed-Kommandeure, der für Angriffe auf Dörfer in der Umgebung von Bindisi, Garsila und Mukjar in West-Darfur in den Jahren 2003/2004 verantwortlich gewesen sein soll.

Kritiker der Khartumer Führung vermuten, dass der Sudan sich weigert, der Stationierung von UN-Friedenstruppen in Darfur zuzustimmen, weil er befürchtet, die Soldaten könnten die Verdächtigen verhaften. Die Erfahrung in Bosnien zeigt jedoch, dass auch die Präsenz von ausländischen Truppen nicht sicherstellt, dass wirkungsvoll nach international per Haftbefehl gesuchten Kriegsverbrechern gefahndet wird. Noch am gleichen Tag erklärt der sudanesische Justizminister, Ali Kuschayb sei bereits seit November 2006 wegen der Verletzung sudanesischer Gesetze in Haft. Auch würde gegen ihn wegen seiner Aktivitäten in Darfur ermittelt (Reuters, 27.2.2007). Auch Haroun sei bereits wegen der Ereignisse in Darfur befragt worden, doch es gebe keinerlei Tatverdacht gegen ihn, erklärte der sudanesische Justizminister (Sudan Tribune, 27.2.2007). Der Minister bekräftigt, dass der Internationale Strafgerichtshof keine Gerichtsbarkeit in Sachen Darfur habe (UPI, 27.2.2007). Moreno-Ocampo weist dies zurück und widerspricht auch der Behauptung al-Mardis, es gebe keine Beweise für einen Haftbefehl.

Bashirs regierende Nationale Kongresspartei sieht in den Anschuldigungen Moreno-Ocampos den letzten Beweis für eine von westlichen Staaten gegen den Sudan betriebene "Verschwörung". Der Koalitionspartner der Nationalen Kongresspartei, die vor allem im Südsudan verankerte Sudanesische Volksbefreiungsbewegung / Sudan People’s Liberation Movement (SPLM) warnt hingegen die Führung in Khartum davor, die Ermittlungen und die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs in Frage zu stellen. Alle Rebellengruppen in Darfur begrüßen das Tätigwerden des Strafgerichtshofs.

Menschenrechtsorganisationen sehen die Einleitung von Ermittlungen gegen Haroun und Kuschayb als ersten wichtigen Schritt an, um die Straflosigkeit zu beenden. Haroun reagiert auf die Ankündigung Ocampos mit der Bemerkung, zunächst solle der Strafgerichtshof US-Präsident George W. Bush und den früheren israelischen Premierminister Ariel Sharon anklagen (Sudan Tribune, 27.2.2007).

28. Februar 2007: Die Regierung Südafrikas sichert dem Internationalen Strafgerichtshof ihre volle Unterstützung bei der Strafverfolgung der Verantwortlichen für die Verbrechen in Darfur zu (Reuters, 28.2.2007). Die Stimme Südafrikas zählt in Afrikas Politik, da der Staat als eines der einflussreichsten Länder in Afrika gilt.

Haroun sieht Iraks Diktator Saddam Hussein als sein Vorbild an. "Ich weiß nicht, warum ich mich an Saddams Hinrichtung erinnere. Die ganze Welt sah damals, wie er entschlossenen Schrittes zum Henker ging", erklärt Haroun gegenüber einer arabischen Zeitung, als er nach seinen Gefühlen nach der Ausstellung des Haftbefehls befragt wird (Reuters, 28.2.2007). "Der späte Saddam wirkte an diesem Tag standhafter als seine Henker. Mit der Unterstützung Gottes können wir diese Standhaftigkeit erreichen, die die muslimische und arabische Welt erschüttern wird", sagt Haroun.

Zur Rechtfertigung seiner Aktivitäten in Darfur erklärt der frühere Innenminister: "Der Polizei-Einsatz, der in Darfur stattfand, umfasste die Stationierung von tausenden Polizisten und wird einer der größten Einsätze bleiben, den es je in der Geschichte der sudanesischen Polizei gegeben hat….Damit sollte das Land der Fur sicher gemacht werden." Die Polizei-Operation sei erfolgreich gewesen, da die meisten Binnenflüchtlinge daraufhin von der Regierung kontrollierte Lager in der Umgebung der größeren Städte aufgesucht hätten. Menschenrechtsorganisationen werfen Haroun und der sudanesischen Regierung vor, für die größte Vertreibung des 21. Jahrhunderts verantwortlich zu sein. Mit dem Aufbau und der Instrumentalisierung der Janjaweed-Milizen hätten die Behörden ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem beliebig Dörfer überfallen und ganze Landstriche entvölkert werden konnten. Die Flüchtlingslager würden von denjenigen gesichert, die zuvor die Darfuris aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben hätten.

Haroun befindet sich unmittelbar vor der Bekanntgabe der Ermittlungen zu einer medizinischen Behandlung in Jordanien. Überhastet reist er von dort nach Khartum zurück, bevor der Strafgerichtshof die Ausstellung der Haftbefehle bekannt gibt.

1.März 2007: Der amtierende sudanesische Innenminister Zubair Bashir Taha droht jedem den Tod an, der versucht, die per Haftbefehl gesuchten Personen nach Den Haag zu überstellen (Al Hayat, 1.3.2007). Der Strafgerichtshof solle sich stattdessen um George Bush und Tony Blair kümmern, die Massenvernichtungswaffen und Phosphorbomben in Afghanistan, dem Süd-Libanon und dem Irak einsetzen ließen, erklärt der Minister (Sudan Tribune, 2.3.2007).

3. März 2007: Der sudanesische Präsident al Bashir bekräftigt, dass kein Sudanese für ein Strafverfahren an ein ausländisches Gericht ausgeliefert werde. Im Sudan würde jeder, der einen Fehler macht, zur Verantwortung gezogen, aber man sei nicht bereit, sich irgendein Diktat vom Ausland aufzwingen zu lassen, erklärt der Staatspräsident (Associated Press, 3.3.2007).

4. März 2007: In seinem ersten Interview seit der Ankündigung der Ermittlungen leugnet Ali Kuschayb alle Vorwürfe. "Wir haben keine unschuldigen Leute getötet und sind auch nicht für Vertreibungen verantwortlich", sagte der Milizenführer (Associated Press, 4.3.2007). Er leugnet auch, Führer der Janjaweed-Milizionäre zu sein, und bezeichnet sich stattdessen als ehemaligen Soldaten, der von den Behörden für die Popular Defense Forces engagiert worden sei, um Dorfbewohner und Nomaden vor den "echten Janjaweed" zu beschützen.

Der Assistent des sudanesischen Präsidenten und stellvertretende Vorsitzende der Nationalen Kongresspartei Nafie Ali Nafie kritisiert scharf sudanesische Politiker, die sich für eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof und für eine Auslieferung der Beschuldigten ausgesprochen haben. Diese Parteien würden politischen Selbstmord begehen und ihre Unterstützer würden sich von diesen Bewegungen abwenden (Sudan Tribune, 5.3.2007). Die oppositionelle Umma-Partei des einflussreichen Sadiq el Mahdi hat die sudanesische Regierung in einer Erklärung aufgefordert, mit dem Strafgerichtshof zu kooperieren, um das Image des Sudan in der Welt nicht weiter zu beschädigen.

Der frühere UN-Sondergesandte für den Sudan Jan Pronk begrüßt die Ermittlungen. Sie hätten eine neue politische Situation geschaffen, wo der Weltsicherheitsrat gescheitert sei. Es sei eine große Chance für das Volk des Sudan, da die sudanesische Regierung nun zeigen könne, dass sie anerkannte Institutionen der internationalen Gemeinschaft respektiert (Sudan Tribune, 5.3.2007).

5. März 2007: Auch die Kommunistische Partei des Sudan fordert die Regierung auf, mit dem Strafgerichtshof zusammenzuarbeiten und die Gesuchten nach Den Haag zu überstellen (UPI, 5.3.2007).

6. März 2007: Sudans staatliche Nachrichtenagentur kündigt an, dass Ali Kushayb im Sudan der Prozess vor einem Sondergerichtshof gemacht werde. Schon Am 7. März wolle das Gericht seine Verhandlungen aufnehmen (Reuters / Associated Press, 6.3.2007). Neben Kushayb sollen auch der Armee-Hauptmann Hamdi Sharaful Din sowie Abdelrahman Dawood Humaida angeklagt werden. Vergeblich fordern Menschenrechtsorganisationen, dass auch ausländische Beobachter diesen Verfahren beiwohnen dürfen.

8. März 2007: Aufgrund eines Einspruchs des Rechtsanwalts von Ali Kushayb verzögert sich die Verhandlung des Milizenführers (Reuters, 8.3.2007).

Der sudanesische Innenminister bekräftigt, dass seine Regierung die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs auch weiterhin kategorisch ablehnt. Der Chefankläger Moreno-Ocampo sei nicht an einer Beachtung der Gesetze interessiert, sondern verfolge politische Interessen. Er setze die politische Agenda von Staaten um, die den Sudan treffen wollten (Sudan Tribune, 9.3.2007).

11. März 2007: Sudans Innenminister macht deutlich, dass sein Land auch im Falle von Sanktionen des Auslands seine Politik, keine Sudanesen an ausländische Gerichte zu überstellen, aufgeben werde (AFP, 11.3.2007).

12. März 2007: Eine vom UN-Menschenrechtsrat entsandte Delegation von führenden unabhängigen Menschenrechtlern aus aller Welt erklärt, die Gewalt in Darfur sei vor allem auf eine gewalttätige Aufstandsbekämpfung durch die sudanesischen Sicherheitskräfte und mit ihnen verbündete Milizen zurückzuführen und nicht auf Rebellenüberfälle (Reuters, 12.3.2007).

Im sudanesischen Regierungskabinett gibt es Streit über den Umgang mit dem Haroun-Dossier. Präsidentenberater Minni Minawi, ein ehemaliger Rebellenführer aus Darfur, forderte die Abberufung Harouns als Minister und seine Überstellung nach Den Haag. Die SPLM-Minister sollen sich für eine Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof ausgesprochen haben. Die regierende Nationale Kongresspartei lehnt jede Auslieferung ab (Sudan Tribune, 13.7.2007).

Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Louise Arbour fordert den Sudan nachdrücklich auf, mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenzuarbeiten. Jede Verweigerung der Kooperation mit dem Gericht könne von der internationalen Gemeinschaft als Verweigerung der Zusammenarbeit mit dem Weltsicherheitsrat angesehen werden (Institute for War and Peace Reporting, 18.3.2007).

15. März 2007: Anschuldigungen, die Regierung des Sudan sei teilweise mitverantwortlich für Kriegsverbrechen in Darfur, seien "haltlos", erklärt der sudanesische Justizminister al-Mardi. Entsprechende Berichte von Menschenrechtsorganisationen seien nur für die Medien bestimmt und Teil einer gegen den Sudan geführten Kampagne (Associated Press, 15.3.2007).

18. März 2007: Die sudanesische Regierung kündigt an, sie werde keine Juristen nach Den Haag entsenden, um die Kompetenz des Strafgerichtshofs im Darfur-Fall zu hinterfragen (Sudan Tribune, 18.3.2007). Sudans Justizminister erklärt, sein Land setze jede Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof aus (Associated Press, 18.3.2007).

19. März 2007: In einem Interview mit einem US-Fernsehsender leugnet Präsident al Bashir jede Beteiligung seiner Regierung an den Verbrechen in Darfur. Der kürzlich veröffentlichte Report der Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates sei einseitig, erklärt der Präsident (Sudan Tribune, 20.3.2007).

22. März 2007: Der sudanesische Generalstaatsanwalt Salah Eddin Abuzzaid kündigt an, Staatsanwälte würden Minister Haroun nochmals verhören. Die Einsprüche der drei Beschuldigten gegen das weitere Verfahren seien zurückgewiesen worden (Associated Press, 23.3.2007).

24. März 2007: Sudans Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten Al Samani El Wasila bekräftigt, der Sudan sei selbst auch dazu in der Lage alle Straftäter in Darfur zur Rechenschaft zu ziehen. Mehrere Verdächtige seien bereits identifiziert worden (Xinhua, 24.3.2007).

26. März 2007: Präsident al Bashir lehnt es ab, Minister Haroun aus der Regierung zu entlassen und weiter von Staatsanwälten befragen zu lassen (AFP, 26.3.2007).

27. März 2007: Das sudanesische Justizministerium ordnet in einem Brief an alle führenden Tageszeitungen des Sudan an, keine Meldungen über die Verfahren zu Darfur zu veröffentlichen (Sudan Tribune, 293.2007).

April 2007: Chefankläger Moreno-Ocampo fordert die sudanesische Regierung in einem Brief auf klarzustellen, wie sie zu einer freiwilligen Ausreise der Beschuldigten nach Den Haag steht.

27. April 2007: Der Internationale Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle gegen Haroun und Ali Kushayb in Verbindung mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Darfur.

2. Mai 2007: Der sudanesische Justizminister weist die Haftbefehle zurück. Die sudanesische Regierung wähnt sich im Recht, weil sie die Statuten des Internationalen Strafgerichtshofes nicht ratifiziert habe (AFP, 2.5.2007).

3. Mai 2007: Die sudanesische Regierung bekräftigt nochmals, dass sie keinerlei Beweise für eine Schuld von Ali Kushayb und Haroun gefunden habe. Haroun habe nicht mit der Armee oder militärischen Operation zu tun gehabt (Reuters, 3.5.2007).

6. Mai 2007: Der sudanesische UN-Botschafter in New York, Abdalmahmood Abdalhaleem, fordert, die Besuche Moreno-Ocampos im UN-Hauptquartier zu begrenzen. Er komme immer häufiger für politische Gespräche nach New York (Sudan Tribune, 7.5.2007).

7. Mai 2007: SPLM-Abgeordnete im Regionalparlament in Süd-Darfur appellieren an die sudanesische Regierung, die per Haftbefehl Gesuchten nach Den Haag zu überstellen (Sudan Tribune, 8.5.2007).

6. Juni 2007: Der Internationale Strafgerichtshof fordert die sudanesische Regierung förmlich auf, die beiden gesuchten Personen auszuliefern (Sudan Tribune, 6.5.2007).

7. Juni 2007: Der sudanesische Justizminister lehnt nochmals jede Auslieferung ab (Xinhua, 7.6.2007).

Moreno-Ocampo appelliert an den Weltsicherheitsrat, den Sudan zu drängen, die Beschuldigten zu verhaften und nach Den Haag zu überstellen (Associated Press, 7.6.2007).

11. Juni 2007: Der sudanesische Innenminister Zubair Bashir Taha beschimpft Moreno-Ocampo als "minderen kleinen Angestellten, der einfache Arbeiten verrichtet". Er lehnt jede Auslieferung kategorisch ab (Sudan Tribune, 11.6.2007).

Juni 2007: Interpol sucht Haroun mit besonderem Vorrang.

2. Juli 2007: Der Gouverneur von West-Darfur, Abuelgasim Imam al-Haj, drängt die Regierung des Sudan zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof und verlangt die Auslieferung der Gesuchten (Sudan Tribune, 3.7.2007).

11. Juli 2007: Vor dem UN-Menschenrechtskomitee in Genf erklärt der Sudan, Armeeangehörige und Polizisten, die verdächtigt würden, in Darfur ihre Pflicht verletzt zu haben, würden im Sudan vor Gericht gestellt (AFP, 11.7.2007).

6. August 2007: Sudans Innenminister erklärt, Haroun sei verhört worden und es bestehe kein Tatverdacht mehr.

27. August 2007: Minister Haroun nimmt an einem Treffen der Kommission für Humanitäre Hilfe teil und berichtet über Umsiedlungen in Darfur.

28. August 2007: Moreno-Ocampo bezeichnet es als "total inakzeptabel", dass Haroun noch immer als Minister für humanitäre Angelegenheiten fungiert. Nachdrücklich beklagt der Chefankläger, dass Khartum nichts unternimmt, um die beiden Beschuldigten auszuliefern (Vereinte Nationen, 28.8.207).

30. August 2007: Moreno-Ocampo appelliert an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, den Sudan zur Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof zu drängen (Associated Press, 30.8.2007).

 

September 2007: Interpol sucht Ali Kushayb mit besonderem Vorrang. Moreno-Ocampo versichert, Augenzeugen hätten dem Gerichtshof berichtet, wie Ali Kushayb die Hinrichtung von Gefangenen und die Vergewaltigung von Frauen angeordnet habe (Sudan Tribune, 15.9.2007).

Haroun wird von der sudanesischen Regierung zum Mitvorsitzenden eines Komitees ernannt, das die Sicherheitssituation im Sudan untersucht und speziell für Klagen von Opfern von Menschenrechtsverletzungen, insbesondere aus Darfur, zuständig ist (Reuters, 5.9.2007). Haroun amtiert auch als Verbindungsmann der sudanesischen Regierung zur UNAMID.

15. September 2007: Haroun erklärt, er könne trotz des Haftbefehls weiterhin ins Ausland reisen (Sudan Tribune, 17.9.2007).

17. September 2007: Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Louise Arbour erklärt, Menschenrechtsverletzungen und Straflosigkeit in Darfur hielten weiter an (AFP, 17.9.2007).

1. Oktober 2007: Die sudanesische Regierung gibt erstmals bekannt, Ali Kushayb sei aus Mangel an Beweisen freigelassen worden. Seit November 2006 soll sich der Milizenführer im Gewahrsam der Behörden befunden haben (Sudan Tribune, 2.10.2007).

8. Oktober 2007: Moreno-Ocampo kündigt an, er werde den Weltsicherheitsrat darüber informieren, dass der Sudan nicht zur Zusammenarbeit bereit sei (Sudan Tribune, 9.10.2007).

13. Oktober 2007: Der Chefankläger ruft zu einer weltweiten Mobilisierung auf, um die Verdächtigen in Darfur zu verhaften (Canadian Press Agency, 13.10.2007).

15. Oktober 2007: Moreno-Ocampo kritisiert, dass UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in seinem monatlichen Sudan-Bericht für den Weltsicherheitsrat den Kampf gegen die Straflosigkeit vernachlässigt habe (Sudan Tribune, 16.10.2007).

21. Oktober 2007: Mehrere Augenzeugen wollen Ali Kushayb in der sudanesischen Hauptstadt gesehen haben (Sudan Tribune, 22.10.2007).

18. November 2007: Moreno-Ocampo fordert, dass der Weltsicherheitsrat den Sudan zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof zwingt (Sudan Tribune, 19.11.2007).

5. Dezember 2007: Moreno-Ocampo wirft der Regierung des Sudan im Weltsicherheitsrat bei der Vorlage seines sechsten Reportes vor, die Zivilbevölkerung systematisch zu verfolgen und diese Verbrechen gezielt zu vertuschen (6.12.2007). Das sudanesische Außenministerium bezeichnet den Report als "einseitig und politisch motiviert" (Associated Press, 7.12.2007). Der sudanesische UN-Botschafter in New York erklärt: "Wir werden in keinem Fall unsere Leute an den Internationalen Strafgerichtshof ausliefern" (BBC, 5.12.2007).

9. Dezember 2007: China und Quatar verhindern im Weltsicherheitsrat eine förmliche Erklärung des Präsidenten zu den Kriegsverbrechen in Darfur und zu der Auslieferung der Verdächtigen. Der dem Rat vorsitzende italienische UN-Botschafter erklärt, dass die Mitglieder des Gremiums eine gemeinsame Erklärung für nicht notwendig halten, da Moreno-Ocampos Ausführungen sehr deutlich gewesen seien (Sudan Tribune, 10.12.2007).

10. Dezember 2007: Der EU-Außenministerrat fordert den Sudan in einer Erklärung zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof auf. Doch außer einem neuerlichen Appell an Khartum kann sich die EU nicht zu weitergehenden Maßnahmen durchringen.

1. Januar 2008: Nach Informationen gut informierter Kreise in Khartum versuchte Haroun im Dezember 2007 vergeblich, mit einem falschen Pass die Pilgerfahrt nach Mekka zu machen.

11. Januar 2008: Am Widerstand Russlands und Chinas scheitert eine Resolution des Weltsicherheitsrates zur Straflosigkeit in Darfur, in der der Sudan zur umfassenden Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof aufgefordert werden sollte (IWPR, 12. 1.2008).

16. Januar 2008: Die sudanesische Regierung gibt bekannt, dass der umstrittene Janjaweed-Führer Musa Hilal zum Sonderberater des Staatspräsidenten al Bashir ernannt worden sei. Zu dem Zeitpunkt seiner Ernennung bestanden bereits Sanktionen des Weltsicherheitsrates, der EU und der USA gegen Hilal aufgrund seiner Verantwortung für Kriegsverbrechen in Darfur. Am 26. April 2006 hatte der Weltsicherheitsrat die Einfrierung aller seiner Konten sowie die Einschränkung seiner Reisefreiheit angeordnet.

Mit dem Fall Hilal missachtet Khartum ein neuerliches Mal das Völkerrecht und die internationale Gemeinschaft. Der 1961 geborene Vater von 13 Kindern ist wegen Mordes und bewaffneten Raubes mehrfach vorbestraft. Im Jahr 2003 wurde er vorzeitig von den Behörden aus dem Gefängnis entlassen, um den Aufstand in Darfur zu zerschlagen. Das US-Außenministerium bezeichnete ihn im Jahr 2004 als einen der wichtigsten Janjaweed-Führer, die für Kriegsverbrechen im Westen des Sudan verantwortlich sind. Im Jahr 2005 räumte Hilal öffentlich ein, dass er im Namen der sudanesischen Regierung Angehörige arabischer Völker angeworben habe, um die Rebellen in Darfur zu bekämpfen.

28. Januar 2008: Der EU-Außenministerrat ruft den Sudan erneut zur Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof auf.

27. Februar 2008: Sudans UN-Botschafter in New York bekräftigt nochmals, dass "niemals" ein Sudanese an ein ausländisches Gericht ausgeliefert werde (BBC, 27.2.2008).

5. April 2008: Der Ministerrat der Europäischen Union verurteilt in einer Erklärung, dass der Sudan nicht zur Auslieferung mutmaßlicher Kriegsverbrecher bereit ist.

6. April 2008: Der sudanesische UN-Botschafter in New York fordert die Verhaftung und Anklage Moreno-Ocampos. Hintergrund waren die Bemühungen des Chefanklägers, Haroun im Ausland zu verhaften (Sudan Tribune, 6.4.2008).

15. Mai 2008: Moreno-Ocampo führte im Frühjahr 2008 Gespräche mit der Regierung Saudi-Arabiens, Jordaniens, Quatars, Ägyptens und mit der arabischen Liga, um sie über die Ermittlungen im Darfur-Dossier zu informieren. So will er die Bewegungsfreiheit der beiden Verdächtigen deutlich einschränken. Die Regierung Saudi-Arabiens war auch über die geplante Umleitung eines Flugzeugs informiert, mit dem Haroun im Dezember 2007 unter falschem Namen eine Pilgerreise nach Mekka antreten wollte. Im letzten Moment entschied sich der Minister, den Flug nicht anzutreten.

22. Mai 2008: Das Europaparlament fordert die Europäische Union auf, alle Guthaben sudanesischer Führer einzufrieren, so lange die sudanesische Regierung nicht zu einer Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof bereit ist (AFP, 22.5.2008).

5. Juni 2008: Moreno-Ocampo klagt den Sudan vor dem Weltsicherheitsrat wegen seiner mangelnden Zusammenarbeit an. Darfur sei ein gigantischer Schauplatz von Verbrechen. Der ganze Staatsapparat sei darin verwickelt (BBC, 4.6.2008). Seit einem Jahr bestünden die Haftbefehle gegen Haroun und Ali Kushayb. Die Regierung des Sudan unternehme nicht nur nichts, um sie zu verhaften und auszuliefern, sondern fördere sogar noch diesen Brandstifter Haroun mit neuen Ämtern und Anerkennungen, während die internationale Gemeinschaft ständig neue Feuerwehrleute entsende, um wenigstens das schlimmste humanitäre Elend lindern zu helfen.

Chinas UN-Botschafter lobt im Weltsicherheitsrat die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofes und appelliert an die sudanesische Regierung, ihre Kommunikation mit dem Gericht zu verbessern (Sudan Tribune, 7.6.2008).

6. Juni 2008: Präsident al Bashir erklärt gegenüber einer Delegation des Weltsicherheitsrates, sein Land sei Opfer einer "teuflischen Kampagne", bei der "übertrieben" und "Fakten entstellt" würden (BBC, 6.6.2008).

10. Juni 2008: Die Regierungen der EU und der USA rufen bei einem Treffen in Slowenien gemeinsam den Sudan dazu auf, die Resolution 1593 zu beachten und mit dem Internationalen Strafgerichtshof zusammenzuarbeiten. Andernfalls drohe die Verhängung von Sanktionen (Sudan Tribune, 10. Juni 2008).

Sudans Präsident al Bashir bezeichnet den Internationalen Strafgerichtshof als "terroristische Organisation" und wiederholt nochmals, kein Sudanese werde an das Gericht überstellt (Sudan Tribune, 11.6.2008).

11. Juni 2008: Sudans UN-Botschafter in New York fordert die Entlassung des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofes. Moreno-Ocampo sei ein Terrorist, erklärt der Diplomat (Sudan Tribune, 12.6. 2008).

16. Juni 2008: Der EU-Außenministerrat verabschiedet eine schärfer formulierte Erklärung, in der der Sudan aufgefordert wird, mit dem Internationalen Strafgerichtshof zu kooperieren. Doch die Verhängung von Sanktionen scheitert im EU-Außenministerrat am Widerstand Frankreichs und Spaniens. Zumindest verschärfte die EU jedoch die entsprechenden Formulierungen im Vergleich zu vorangegangenen Erklärungen.

Der Internationale Strafgerichtshof weist darauf hin, dass die Verantwortung für die Verhaftung mutmaßlicher Kriegsverbrecher aus Darfur bei den Staaten liege. Das Gericht verfüge nicht über eine Polizei, um Haftbefehle zu vollstrecken. Dabei sei man auf die Hilfe von Staaten angewiesen (Sudan Tribune, 17.6.2008).

19. Juni 2008: Der sudanesische Justizminister verklagt Moreno-Ocampo wegen Förderung des "Terrorismus" (misna, 19.6.2008). Nicht zum ersten Mal fällt der Sudan durch eine ungewöhnliche Klage gegen internationale Persönlichkeiten auf. Im Jahr 2007 hatte Khartum an INTERPOL einen Haftbefehl gegen die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Irene Khan, weitergeleitet. Ihr wurde "boshafte Berichterstattung" über die Folterung oppositioneller Politiker vorgeworfen.

Sudans UN-Botschafter in New York vergreift sich erneut im Ton und bezeichnet Moreno-Ocampo "als kleinen Clown, der ein politischer Agent der USA ist" (Sudan Tribune, 20.6.2008).

Die sudanesische Regierung erklärt ihre Bereitschaft zu Verhandlungen mit dem Internationalen Strafgerichtshof über Gerichtsverfahren gegen die Beschuldigten Haroun und Ali Kushayb, sofern diese Prozesse auf sudanesischem Territorium stattfinden würden (Sudan Tribune, 20. 6.2008).

22. Juni 2008: "Ich schwöre zu Gott, dass wir keinen Sudanesen an ein internationales Gericht überstellen werden", sagt Sudans Präsident al Bashir (Sudan Tribune, 23.6.2008).

8. Juli 2008: Der Führer der oppositionellen Umma-Partei, Sadiq el Mahdi, macht deutlich, dass seine Partei von Beginn an für eine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof gewesen ist (Sudan Tribune, 9.7.2008).

11. Juli 2008: China bemüht sich, die Ausstellung weiterer Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofes zu Darfur mit einer Resolution des Weltsicherheitsrates zu verhindern, erklären vertraulich Diplomaten in New York. Dabei solle die Verfahrensregel des Artikels 16 der Statuten des Gerichtshofes zur Anwendung kommen, der die Aussetzung der Strafverfolgung für zwölf Monate ermöglicht. China begründet diesen Schritt damit, dass ansonsten der politische Dialog zu Darfur deutlich erschwert würde (Sudan Tribune, 12.6.2008).