01.07.2009

Vier Göttinger Roma-Kinder in Panik: Ihr Vater soll nach 17 Jahren in Deutschland abgeschoben werden

Langjährig geduldeten Flüchtlingen droht zwangsweise Rückführung

Vier Göttinger Roma-Kinder in Panik: Ihr Vater soll nach 17 Jahren in Deutschland abgeschoben werden

 

Voller Panik müssen vier in Göttingen geborene und aufgewachsene Roma-Kinder im Alter von zwölf bis 15 Jahren miterleben, wie ihr Vater Semsi R. aus ihrer Heimat abgeschoben wird. Der 41-Jährige sitzt in Abschiebehaft und soll nach 17 Jahren Leben in Deutschland am Donnerstag aus Hannover in den Kosovo ausgeflogen werden.

 

Die in Göttingen ansässige Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) reagierte mit Bestürzung auf die Abschiebeankündigung. "Offenbar lassen sich die Behörden zu "eiskalten Vollstreckern einer hartherzigen deutschen Flüchtlingspolitik" machen, wenn sie den vier Jungen den Vater wegnehmen und ihn in eine Zukunft in Armut und Elend schicken wollen", erklärte der GfbV-Vorsitzende Tilman Zülch. Er forderte Ministerpräsident Christian Wulff in einem dringenden Schreiben dazu auf, die Abschiebung der Familie aufzuhalten. Auch die Kinder und ihre Mutter sollen abgeschoben werden. Sie halten sich versteckt.

 

Für die Kinder wäre eine Abschiebung in das Herkunftsland ihrer Eltern eine Deportation ins "Nichts", schrieb Zülch. "So werden tiefe Wunden in die empfindlichen Seelen hier aufgewachsener Kinder langjährig geduldeter Flüchtlinge gerissen. Sie werden entwurzelt und für ihr Leben gezeichnet." Die vier Söhne der Familie R. fühlten sich als Deutsche, sprechen Deutsch als zweite Muttersprache und gehen in Göttingen zur Schule. Auch Lehrer und ihr Sportverein hatten sich bei der Ausländerbehörde vergeblich dafür eingesetzt, dass die Familie in Deutschland bleiben darf.

 

Semsi R. kam 1992 nach Deutschland, wurde zwei Jahre später als asylberechtigt anerkannt und erhielt wie später seine Frau und die 1994, 1995 und 1997 geborenen Jungen, unter ihnen Zwillinge, eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Nach dem Kosovokrieg 1999 wurde ihre Aufenthaltsgenehmigung 2005 widerrufen, weil Semsi R. den Lebensunterhalt seiner Familie nicht vollständig sichern konnte. Den Behörden reichte es nicht, dass er sich intensiv um Arbeit bemüht und sich sogar auch als Selbstständiger versucht hatte.

 

Wie viele andere Roma-Flüchtlinge hatte sich Familie R. aus Angst vor Diskriminierung bis 2007 als "Albaner" bezeichnet und ihre Zugehörigkeit zur Roma-Volksgruppe abgestritten. Deshalb entschieden Verwaltungsgerichte gegen zwei Eilanträge, die Semsi R. gegen eine drohende Abschiebung am 4. September 2008 gestellt hatte. Hals über Kopf floh die Familie nach Frankreich, wurde jedoch begleitet von 13 Sicherheitsbeamten wieder nach Deutschland gebracht. Bei dem Versuch, die Duldung seiner Familie zu verlängern, rief die Göttinger Ausländerbehörde die Polizei. Die Beamten nahmen den vierfachen Vater in Abschiebehaft.