19.07.2007

Vermehrt Übergriffe auf christliche Kopten in Ägypten

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist sehr besorgt um die Lage der Minderheit der Kopten in Ägypten. Die Kopten, von denen die meisten orthodoxe Christen sind, machen etwa sechs bis zehn Prozent der ägyptischen Gesamtbevölkerung von etwa 76 Millionen aus. In der Vergangenheit wurden sie immer wieder von muslimischen Ägyptern, die die Mehrheit der Bevölkerung bilden, schikaniert.

Einer der letzten Übergriffe auf die Kopten fand am Freitag, den 11. Mai 2007 in Bamha, einer Stadt 24 Kilometer südlich von Kairo, statt. Unter Muslimen zirkulierten Gerüchte, dass die Kopten der Stadt planen würden, ein Haus, das sie für ihre Gebete nutzten, in eine Kirche umzuwandeln. Deshalb versammelten sich an diesem Freitagabend etwa 300 Muslime nach ihrem Abendgebet und griffen die Kopten an. Dabei wurden 27 Häuser und Geschäfte niedergebrannt. Mindestens 10 Kopten, darunter auch Frauen, wurden bei den Angriffen verletzt.

Laut ägyptischem Gesetz kann ein solcher Bau oder Ausbau einer Kirche nur auf Präsidialerlass erfolgen. Für Moscheen gilt diese Regelung jedoch nicht – ein klares Beispiel für die Diskriminierung der Kopten in Ägypten.

Die Kopten werden von staatlicher Seite auch in anderer Hinsicht diskriminiert: Eine angemessene Repräsentanz in der Regierung wird ihnen verweigert. Außerdem wird ihnen kein gleichrangiger Zugang zu Bildung oder gleiche Möglichkeiten bei der Einstellung und Beförderung gewährt. Demzufolge werden beispielsweise nur sehr wenige Kopten Lehrer oder Professoren. Auch die Aufnahme in Militär- und Polizeiakademien ist für die christlichen Kopten sehr beschränkt.

Des Weiteren gibt es Berichte, dass einige Kopten durch Vergewaltigungen, Verheiratung, Namenswechsel und Gewalt dazu gezwungen wurden, zum Islam zu konvertieren.

Die unaufhörliche Diskriminierung gegen die Minderheit der Kopten sowie die zunehmende Intoleranz und die Verbreitung der Muslimischen Bruderschaft haben in letzter Zeit zu immer mehr Spannungen zwischen den beiden Gruppen geführt.

Am 8. Juni 2007 traten diese Spannungen in einem weiteren gewalttätigen Konflikt offen zu Tage. Militante Islamisten attackierten hierbei den koptischen Teil der Stadt Zawyet Abdel-Qader, 30 Kilometer nördlich von Alexandria, und zerstörten mehrere Häuser und Geschäfte der Kopten. Dabei wurden sieben Christen verletzt. Die Militanten hatten sich nach ihrem Mittagsgebet versammelt und Waffen aufgenommen, bevor sie in den koptischen Teil der Stadt einmarschierten. Nach eineinhalb Stunden des Wütens schritt die Polizei ein und beendete den Konflikt.

Nur vier Tage später, am 12. Juni 2007, attackierten militante Islamisten auch die "Kirche der Heiligen Jungfrau" in Dekheila, acht Kilometer entfernt von Alexandria, nachdem ein Konflikt zwischen einem Kopten und einem Muslim eskaliert war.

Das Ibn Khaldoun Research Center dokumentiert die Gewalt gegen die Kopten in Ägypten seit Jahrzehnten. Laut Angaben des Forschungszentrums gab es in den letzten vier Jahrzehnten mehr als 120 große Angriffe auf Kopten und ihre Kirchen sowie ihre Häuser und Geschäfte. In dieser Zeit wurden mehr als 4.000 Kopten ermordet oder verletzt. Viele dieser Attacken fanden freitags statt, nachdem die Muslime ihre Gebete in den Moscheen abgehalten hatten. Die meisten Übergriffe wurden jedoch nicht von militanten Islamisten, sondern einfachen Nachbarn durchgeführt. Auf Grund dessen haben sich viele Kopten in den vergangenen Jahren dazu entschlossen, in andere Länder, insbesondere die USA, auszuwandern, und nicht als Bürger zweiter Klasse in einem mehr und mehr islamischen Ägypten zu leben.

Angesichts dieser stark diskriminierten Lage der Kopten in Ägypten wandte sich die GfbV in den letzten Tagen an die EU-Außenminister. Wir baten sie, die Probleme der Kopten im Gespräch mit der ägyptischen Regierung sowie ihrer Repräsentanten anzusprechen und Druck auf das Land auszuüben, damit die Situation der Kopten vor Ort verbessert werden kann. Dabei schlugen wir eine Überarbeitung der Bildungsinhalte in Ägypten vor, in denen besonders die Prinzipien der Staatsbürgerschaft und der Menschenrechte betont werden müssten. Schließlich müssen beide Seiten lernen, sich gegenseitig zu tolerieren, um eine wirkliche Religionsfreiheit in Ägypten erreichen zu können.

Außerdem betonten wir, dass es von größter Wichtigkeit sei, dass den Kopten eine proportionale Repräsentation in der Regierung ermöglicht würde und dass sie gleiche Chancen auf Bildung und Arbeitsplätze erhalten. Wenn den Kopten in Ägypten keine bessere Zukunft geboten werden kann, werden gewaltsame Aufeinandertreffen zwischen Kopten und Islamisten immer häufiger werden – und eine immer größere Zahl der Kopten wird den Weg der Auswanderung wählen. Da seit des wachsenden Einflusses der Muslimischen Bruderschaft in Ägypten die Übergriffe auf Kopten sowohl an Häufigkeit als auch Intensität zugenommen haben, mahnte die GfbV auch den Schutz der Kopten, ihrer Stadtteile und Kirchen sowie ihrer Häuser und ihres Besitzes an. Denn nur wenn sich die Minderheit der Kopten in Ägypten wieder sicher fühlen kann, wird ihr Exodus ins Ausland nachlassen.