30.09.2004

Vereinigung der ehemaligen weiblichen bosnischen Lagerhäftlinge, Sarajevo

"Zuerst wurde mein Ehemann abgeführt. Kurz darauf kamen die serbischen Milizen, um auch mich und meine beiden minderjährigen Töchter zu holen. Auf die Frage, wohin sie mich bringen, antworteten sie zynisch, dass sie für uns Musliminnen einen Ort vorbereitet hätten, an dem wir zum Zwecke der Hebung der Moral für die sexuellen Bedürfnisse der Soldaten sorgen würden", berichtet eine Zeugin von damals, die anonym bleiben will, der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Das Schicksal der Männer blieb oftmals unklar – viele wurden in Gegenwart der Frauen umgebracht.

über Monate hinweg wurden die Frauen gefoltert und sexuell missbraucht. Nach Scheinverhören brachte man sie in Privathäuser, Sporthallen und Lagerräume. Sie waren Gefangene in Frauenlagern und Bordellen – Massenvergewaltigungen waren keine Ausnahme: Eine Zeugin sagte aus, sie sei an einem Tag 29 Mal vergewaltigt worden. Dann sei sie ohnmächtig geworden.

"Der Schmerz und die Erniedrigung, die ich erlitten habe, werden niemals vergehen. Es tut so weh wie in den ersten Tagen. Es tut weh, dass wir von der ganzen Welt und auch von unserer Regierung vergessen und verlassen wurden", sagt sie heute.

Schwer traumatisiert, haben diese Frauen sich in der "Vereinigung der ehemaligen weiblichen bosnischen Lagerhäftlinge, Sarajevo" zusammengeschlossen. Kurz nach der Gründung hatte die Frauen-Sektion 700 Mitglieder. Die Zahlen steigen stetig. Denn heute, acht Jahre nach dem Krieg, geht das Leiden der Frauen weiter: Sie erhalten keine psychologische Betreuung, sind arbeitslos und stehen am Rande der Gesellschaft. Eine sichere Rückkehr in ihre, noch immer von den Anhängern Karadzic kontrollierten Heiatorte ist nicht gewährleistet.

Der Verband setzt sich für die Belange der Vertriebenen und über ganz Bosnien verstreuten Opfer von Vergewaltigung ein. Humanitäre Hilfe steht dabei zunächst im Vordergrund. Viele der Mitglieder können nicht einmal das Bus- oder Straßenbahnticket bezahlen, um an den Treffen des Verbandes teilzunehmen, andere würden verhungern, wenn die Gemeinschaft nicht dafür sorgen würde, dass sie zumindest einen Laib Brot und einen halben Liter Milch pro Tag erhielten. Dringend benötigt werden Patenschaften für die gänzlich verarmten unter ihnen und Stipendien für die Ausbildung der Kinder.

Beharrlich arbeiten die in der Vereinigung organisierten Frauen für die Durchsetzung der Bürger- und Menschenrechte der weiblichen ehemaligen Lagerhäftlinge und dokumentieren die erlittenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Mit ihrer Dokumentationsarbeit tragen sie entscheidend dazu bei, dass die Verbrechen geahndet und die Voraussetzungen für ein würdevolles Leben und eine Rückkehr in Würde geschaffen werden.

Nach Angaben der WHO gab es nach Kriegsende etwa 1.750.000 Menschen die klinische Symptome Trauma bedingter Erkrankungen zeigten. Heute sind es noch rund 350.000.