10.10.2011

Ureinwohner wehren sich gegen Umsiedlung und Existenzvernichtung

Geplante Kohleförderung im Nordwesten Bangladeschs

Aus bedrohte völker_pogrom 267, 4/2011

Bangladesch steckt in einer Energiekrise: Versorgungsengpässe behindern die Produktivität und Entwicklung des südasiatischen Landes. Große Kohlevorkommen im Distrikt Dinajpur im Nordwesten Bangladeschs könnten Abhilfe schaffen. Doch die dortigen Bewohner fürchten gravierende soziale und wirtschaftliche Auswirkungen durch den Abbau. Seit Jahren gibt es Massenproteste gegen das Projekt Phulbari. Besonders die Ureinwohner der Region wären in Gefahr, ihre Lebensgrundlage zu verlieren.

Rund 130.000 Menschen müssten den Angaben einer Regierungskommission zufolge für das Kohleabbauprojekt Phulbari umgesiedelt werden. Durch das zu erwartende Absinken des Grundwasserspiegels in Folge des Minenbaus wären der Ackerbau und die Trinkwasserversorgung in der Gegend gefährdet. Etwa 220.000 weitere Bewohner der Region würden dadurch ihre Lebensgrundlage verlieren.

Offiziellen Angaben zufolge sind 2.200 Angehörige vom Volk der Santal direkt von den Plänen betroffen. Doch Rabindranath Soren, Generalsekretär der Indigenenvertretung Jatiya Adivasi Parishad, bezweifelt dies: Da 20 Prozent des Landes in einem Umkreis von fünf Kilometern um die geplante Mine traditionell von indigenen Völkern bewirtschaftet werden, wären tatsächlich rund 20.000 Ureinwohner betroffen. Weitere 30.000 könnten wegen der ökologischen Langzeitfolgen ihre Lebensgrundlage verlieren. Neben den Santal beträfe das auch Angehörige der Munda, Mahili und Oraon.

Das britische Unternehmen Coal Management Resources hofft schon seit Jahren auf den lukrativen Zuschlag, um in Phulbari bis zu 16 Millionen Tonnen hochwertiger Kohle jährlich für mindestens 35 Jahre auf einer Fläche von 60 Quadratkilometern zu fördern. Das Unternehmen bietet den Anwohnern Kompensationszahlungen - alternatives Land steht in dem bevölkerungsreichen Land nicht zur Verfügung. Wegen der schwachen sozialen und wirtschaftlichen Stellung der Ureinwohner in einem Staat, der ihnen eigene Rechte und besonderen Schutz verwehrt, laufen diese besonders Gefahr, keinen Zugang zu staatlichen Förderungen zu erhalten und ihre Existenzen zu verlieren.

Selbst die Asiatische Entwicklungsbank (ADB), die das Projekt in Phulbari mit 300 Millionen US Dollar fördern wollte, zog 2008 ihre Beteiligung zurück, um nicht gegen eigene Grundsätze zu verstoßen. Diese beinhalten bei Umsiedlungen das Prinzip, dass Landverlust mit dem Erhalt von Land ersetzt werden muss. Außerdem sind laut internen Vorschriften die Bedürfnisse indigener Gemeinschaften in der gesamten Planungs- und Umsetzungsphase eines Projekts zu berücksichtigen. Beide Punkte wurden nicht erfüllt.

Bisher konnte der andauernde Protest der Anwohner die Kohleförderung in Phulbari verhindern: Bei einer Demonstration mit 50.000 Teilnehmern am 26. August 2006 schossen Mitglieder der paramilitärischen „Bangladesh Rifles“ in die Menge. Drei Menschen starben damals, bis zu 200 wurden verletzt. Die Regierung Bangladeschs legte das Tagebau-Projekt daraufhin auf Eis.

Internationale Unternehmen warten jedoch ungeduldig auf ein neues Energiekonzept der Regierung, das ihnen grünes Licht gibt für die Kohleförderung. Der deutsche Konzern RWE ist bereits als Berater aufgetreten und hat die Durchführbarkeit des Tagebaus in Phulbari bestätigt. Die Reform des Energiesektors in Bangladesch gehört zu den Schwerpunkten der deutschen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit dem Land.

Politische Vertreter und wirtschaftliche Interessenten bemühen sich in Bangladesch derzeit, die öffentliche Meinung zugunsten Phulbaris zu wenden. Sollte das nicht gelingen, könnte man den Kohletagebau in der Nachbarregion Barapukuria vorantreiben - und ihn von dort schleichend Richtung Phulbari ausweiten.


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