27.03.2009

Unterstützen Sie den Protest der russischen Evenken gegen ein riesiges Wasserkraftwerk auf ihrem Land!

Öffentliche Anhörung noch im April – bitte nochmal Proteste unterstützen!

Göttingen
[Stand 09. April 2010]

Die Abgeordneten des Parlamentes des Kreises Krasnojarsk, wo das gigantische Wasserkraftwerk gebaut werden soll, planen noch für April eine öffentliche Anhörung. Wir sollten das zum Anlass nehmen, um nochmal gegen das Vorhaben zu protestieren!

Viel Hoffnung gibt es leider nicht. Es ist schon verwunderlich, dass gerade heute dieser Termin verkündet wurde. Heute traf sich die Putin-Partei "Einiges Russland” in Nowosibirsk, um über ein Papier unter dem Titel "Strategie zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung in Sibirien bis zum Jahr 2020″ zu diskutieren. In diesem Strategiepapier ist der Staudamm fester Bestandteil. Sein Bau sollte schon 2009 begonnen werden und bis 2020 sollte das Wasserkraftwerk fertig sein. Noch andere gigantische Projekte sind laut diesem Strategiepapier geplant: ein Wasserkraftwerk in Kurejsko und in Motyginskoj. Wenn "Einiges Russland” diese Papiere verabschiedet, kann man die öffentliche Anhörung zum Ewenkenstaudamm möglicherweise als rein formell ansehen. Aber protestieren lohnt sich immer. Wer mehr zum Hintergrund des geplanten weltgrößten Staudamms wissen will, kann sich hier informieren. Die GfbV hat auch den zuständigen Gouverneur, den UN-Sonderberichterstatter für indigene Völker sowie die UNESCO in diesem Fall angeschrieben.

 

Hintergrundtext

In der sibirischen Region Evenkien am unteren Tunguskafluss soll ein gigantisches Wasserkraftwerk gebaut werden. Die Kosten für das Projekt werden auf 13 Milliarden USD geschätzt. Das Potential des Kraftwerks wird mit einer Leistungsspitze von 20 GW angegeben. Es könnte damit das größte Wasserkraftwerk der Erde werden. Dieser Bau wird massive Auswirkungen auf die Umwelt und die Lebenssituation der Menschen in der Region haben.

Auf dem Gebiet leben 17.300 Menschen. Davon gehören 21 Prozent zum indigenen Volk der Evenken. Einige ihrer Sprecher haben sich entschieden gegen das Projekt geäußert und werden in ihrem Protest von russischen Umweltorganisationen sowie dem russischen Zweig von Greenpeace unterstützt. Für die Evenken ist diese Region ihre Heimat. Der Bau des Wasserkraftwerks bedeutet für sie die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage und ihrer Kultur. Medien und Öffentlichkeit werden zu Gunsten des Projektes manipuliert. Die Evenken haben den Eindruck, dass die Gesetze, die zum Schutz der indigenen Bevölkerung in Russland erlassen wurden, wieder einmal gebrochen werden und nur im Sinne der unternehmerischen Interessen gehandelt wird.

Die Idee dieses Bauvorhabens nicht neu. Bereits Ende der 1980-er diskutiert, verwarf die Regierung der damaligen Sowjetunion den Plan. Das Präsidium der Akademie der Wissenschaften, führende Wissenschaftler, Ökologen und die Öffentlichkeit votierten klar dagegen. Es ist fast unmöglich, die Konsequenzen eines solchen Projektes vorab genau einzuschätzen. Was man heute schon weiß, ist, dass eine Million Hektar einzigartigen Lärchenwaldes geflutet werden müssten. Der Wald ist weitgehend unberührt und somit wichtig für die biologische Artenvielfalt und den Klimaschutz. Außerdem ist diese riesige Fläche an Natur von immenser Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht nicht nur lokal, sondern weltweit.

Eine erschreckende Tatsache scheint ganz aus der heutigen Debatte verschwunden zu sein: In der Region wurden Anfang bis Mitte der 1970-er Jahre eine Reihe unterirdischer, nuklearer Explosionen durchgeführt. Einige in Salzlagen vorgenommene Nuklearsprengungen im Gebiet Yermakovo formten drei radioaktiv verseuchte, unterirdische Kammern. Diese befinden sich im Flutungsgebiet der unteren Tunguska und würden durch die Wasserstauung aufgebrochen werden. Des weiteren gibt es in der Tunguskaregion Salzeinlagerungen. Würde der Bau realisiert, so würde das salzhaltigen Stauwasser allmählich den Permafrost zerstören. Die Salzschichten würden sich in das Reservoir einspülen und aus dem Süßwasser Salzwasser machen, was für die Umwelt katastrophale Folgen hätte.

Die Evenken gehören zu den so genannten kleinen Völkern des Nordens. Sie waren ursprünglich Nomaden und lebten als Fischer, Pelztierjäger und Rentierzüchter, wobei es besonders charakteristisch für sie ist, sich von den Rentieren nicht nur zu ernähren und das Fell zu verwenden, sondern auch auf ihnen zu reiten. Bereits in den 1930er Jahren wurden sie zur

Sesshaftigkeit gezwungen. Als sich die Evenken an das Leben in Dörfern gewöhnt hatten, kam der Zusammenbruch der Sowjetunion und damit die Wirtschaftkrise, die den ohnehin schon strukturschwachen Evenkischen Kreis besonders hart getroffen hat. Die Versorgung ist auf sämtlichen Ebenen nicht mehr gewährleistet, die Wirtschaft entwickelt sich nicht. Sie teilen das Schicksal vieler sesshaft gemachter Nomadenvölker: Arbeitslosigkeit und Alkoholismus. Letzterer ist nach Angaben einer Studie der Russischen Akademie der Wissenschaften so drastisch ausgeprägt, dass die Zahl der Ureinwohner in den kommenden Jahren um zwei Drittel sinken könnte. Die Lebenserwartung eines typischen evenkischen Dorfbewohners ist seit 1991 von 50 auf 42 Jahre gesunken.

Bitte unterstützen sie unseren Appell an das mit dem Bau des gigantischen Wasserkraftwerks befassten Unternehmen RusHydro, mit der Forderung eine öffentliche Revision des Bauvorhabens bis 2020 einzuleiten und zudem Repräsentanten der Evenken in die Beratungen zum Projekt miteinzubeziehen.

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