25.04.2006

Unsere bisherige Menschenrechtsarbeit zu Darfur/Westsudan

Sommer 2004 - Sommer 2005

Als wir im Sommer 2004 vor dem gewaltsamen Tod von 125.000 Menschen im Westen des Sudan warnten, reagierten Journalisten und Politiker mit ungläubigem Staunen auf die hohe Zahl von Opfern. Inzwischen gehen Hilfsorganisationen davon aus, dass in den letzten drei Jahren bis zu 400.000 Menschen in Darfur zu Tode gekommen sind. Jeden Monat sollen dort 15.000 Menschen sterben. Mehr als 700 Dörfer wurden von Milizionären und sudanesischen Soldaten zerstört, 2,6 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Anlässlich des Gedenkens an 10 Jahre Völkermord in Ruanda warfen wir der internationalen Staatengemeinschaft am 6. April 2004 vor, im Westen des Sudan erneut zu versagen und hunderttausende Vertriebene ihrem Schicksal zu überlassen. Mehrfach forderten wir in Presseerklärungen, das Ausland müsse endlich den Schutz der Zivilbevölkerung sicherstellen und dürfe "ethnische Säuberungen" nicht unterstützen. Vor dem Gipfeltreffen der bedeutendsten Industriestaaten forderten wir am 11. Juni 2004 in Schreiben an alle Präsidenten der G 8-Staaten die Verhängung von Sanktionen und den Einsatz von UN-Friedenstruppen. Schon damals warfen wir der von der Europäischen Union gelobten und geförderten Beobachtertruppe der Afrikanischen Union in Darfur in mehreren Presseerklärungen Versagen vor. Denn die afrikanischen Friedensschützer verfügen über ein unzureichendes Mandat, zu wenig Personal und Ausrüstung und werden von der sudanesischen Armee nicht ernst genommen. Inzwischen räumt auch die EU ein, dass die Afrikanische Union mit der Bekämpfung des Völkermordes in Darfur überfordert ist. Mehrere hunderttausend Menschen bezahlten diese späte Einsicht mit ihrem Tod. Mehrfach wandten wir uns im Herbst 2004 an die Afrikanische Union und forderten ein umfassenderes Mandat für die Darfur-Mission, ihre personelle Aufstockung sowie eine bessere Ausrüstung. Zwar wurde das Mandat inzwischen etwas erweitert und auch eine Erhöhung des im Westen des Sudan eingesetzten Personals wurde beschlossen. Doch noch immer ist die AU nicht dazu in der Lage, den Genozid zu stoppen.

Fast jede Woche warfen wir dem Sudan in Presseerklärungen vor, das wahre Ausmaß des Genozids zu verschleiern und mit immer neuen Hinhaltemanövern und Versprechungen eine internationale Intervention abwenden zu wollen. Die Deutsche Welle und zahlreiche deutsche Radiosender griffen unsere Kritik auf und boten uns oft die Möglichkeit, in Interviews die Hintergründe des Mordens darzulegen. Doch wir kritisierten nicht nur den Sudan, sondern auch seine Helfershelfer in Europa und im Weltsicherheitsrat. So warfen wir der EU am 12. August 2004 Mitschuld an den Verbrechen in Darfur vor, als der EU-Sondergesandte Peter Feith nach einem Besuch im Westen des Sudan bestritt, dass dort Genozid verübt wird. Nur wenige Tage zuvor hatten wir eine einhundert Seiten umfassende Dokumentation zu den Völkermordverbrechen in Darfur veröffentlicht, über die in vielen Medien berichtet wurde. Mit einer Mahnwache vor dem Berliner Büro der Europäischen Kommission drängten wir die EU am 31. August 2004, nach dem ergebnislosen Verstreichen eines Sudan-Ultimatums der Vereinten Nationen nun endlich wirksamen Sanktionen gegen den Sudan zu verhängen. Doch wieder einmal blockierten Frankreich und Belgien jedes glaubwürdige EU-Engagement, um die schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stoppen. Unsere Frankreich-Kritik stieß gerade auch bei französischen Medien auf großes Interesse. Nachdrücklich kritisierten wir in Schreiben an die EU-Kommission und alle europäischen Regierungschefs im Februar 2005 die Wiederaufnahme der europäischen Entwicklungshilfe an den Sudan, die angesichts des Mordens in Darfur ein falsches Zeichen an Khartum sei. Europäische Minister und Politiker, die die Krisenregion besuchten, forderten wir regelmäßig vor ihren Reisen auf, die schweren Menschenrechtsverletzungen deutlich anzusprechen und unmissverständlich einen Stopp des Genozides und eine Entewaffnung der Milizen von der sudanesischen Regierung zu fordern. In vielen Gesprächen, Telefonaten und Fax-Schreiben drängten wir deutsche Politiker, den Bemühungen um einen Stopp der Genozidverbrechen in Darfur oberste Priorität zu geben. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete sowie die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul und die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, griffen den Appell auf und engagierten sich sehr für ein Ende des Völkermordes. Auch öffentlich machten diese Ministerinnen die sudanesische Regierung für die andauernden Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur verantwortlich. Doch weder Bundeskanzler Schröder, noch Außenminister Fischer nutzten ihren ganzen politischen Einfluss, um die Blockade in der Sudan-Politik der EU zu überwinden und der Bekämpfung des Völkermordes oberste Priorität zu geben.

Massive Kritik äußerten wir auch an der Blockadepolitik Chinas und Russlands, die aus ganz eigenen politischen Motiven im Weltsicherheitsrat wirksame Sanktionen gegen den Sudan verhindern. Fast ein Dutzend Mal schrieben wir an den Weltsicherheitsrat und an den UN-Generalsekretär und forderten wirksame Maßnahmen, um den Genozid zu stoppen.

Mit Rüstungslieferungen unterstützt Russland die Hochrüstung der sudanesischen Armee. Nachdem Russland zwölf Kampfflugzeuge an den Sudan lieferte, protestierten wir am 29. Juli 2005 mit einer Mahnwache vor der Botschaft Moskaus in Berlin. Als wenige Wochen später Mitarbeiter eines Krankenhauses in Darfur über Indizien für einen Giftgaseinsatz durch die sudanesische Armee berichteten, forderten wir den Bundesnachrichtendienst auf, diesen Hinweisen nachzugehen. Auch aus dem Deutschen Bundestag wurde aufgrund unserer Hinweise eine Anfrage zu dem möglichen Giftgaseinsatz an die Bundesregierung gerichtet. Im September 2004 veröffentlichten wir eine detaillierte Liste mit den Namen von 134 Milizionären aus Darfur, die nach unseren Informationen mit G 3-Schnellfeuergewehren aus deutscher Lizenzproduktion ausgerüstet wurden und mit diesen Waffen im Westen des Sudan schwerste Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Die Liste der Milizionäre übermittelten wir den Vereinten Nationen, um eine Strafverfolgung der Verantwortlichen für die Genozidverbrechen zu unterstützen.

Im Sommer 2004 entsandten wir eine dreiköpfige Untersuchungsmission in den Tschad, die in Interviews mit Flüchtlingen aus Darfur das katastrophale Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen dokumentierte. Mehr als 90 Prozent der Befragten berichteten über die Zerstörung ihrer Häuser, die Vergiftung ihrer Brunnen und die planmäßige Vertreibung durch Milizionäre und sudanesische Soldaten. Die Recherchen unserer Untersuchungsmission, die in einem im Oktober 2004 veröffentlichten Report zusammengefasst wurden, belegen eindeutig, dass in Darfur Völkermord begangen wird. In zahlreichen Interviews und Presseerklärungen wiesen wir auf die katastrophale Lage der Flüchtlinge aus Darfur im Tschad hin und warnten vor einer weiteren Zuspitzung der humanitären Lage in den Flüchtlingslagern. Mehrfach wandten wir uns in Fax-Schreiben an alle bedeutenden internationalen Hilfsorganisationen sowie an die reichsten Industrienationen und forderten eine deutliche Erhöhung der Katastrophenhilfe für die Überlebenden des Genozids in Darfur.

Ein breites Medienecho fanden der symbolische Bau eines Flüchtlingslagers und die Anlage eines muslimischen Gräberfeldes vor der Neuen Wache, der "Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland" am 9. August 2004 in Berlin. Viele Radio- und Fernsehsender sowie Zeitungen berichteten über die Menschenrechtsaktion. Zahlreiche deutsche Politiker und Personen des Öffentlichen Lebens unterstützten im Dezember 2004 unseren Aufruf für die bundesweite Menschenrechtsaktion "Ein Licht für den Westsudan! Völkermord beenden - nicht länger zusehen!". Bei unserer zentralen Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor am 12. Dezember 2004 riefen unter anderem die Ministerin Wieczorek-Zeul und der ehemalige Bundesinnenminister und Sudan-Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission, Gerhart Baum, dazu auf, nicht länger wegzuschauen, sondern wirksame Maßnahmen zum Stopp des Mordens in Darfur zu ergreifen. 36 Städte und Gemeinden in Deutschland beteiligten sich an der bundesweiten Menschenrechtsaktion. Ausdrücklich begrüßten wir die Mitwirkung der Bundeswehr an der Friedenssicherung im Südsudan und forderten vor der entscheidenden Debatte über den Sudan-Einsatz im Bundestag am 21. April 2005, die Bundesregierung solle sich in den Vereinten Nationen für die Entsendung einer internationalen Friedenstruppe nach Darfur einsetzen.

Nach der Verhaftung und Ausweisung führender Vertreter internationaler Hilfsorganisationen im November 2004 und Mai 2005 warfen wir den sudanesischen Behörden vor, internationale Helfer systematisch einzuschüchtern, um jede öffentliche Kritik an der katastrophalen Menschenrechtslage zu unterdrücken. Nach der monatelangen Blockade humanitärer Hilfe mache diese Repression gegen ausländische Helfer erneut deutlich, wie wenig der sudanesischen Führung das Schicksal der Zivilbevölkerung bedeute.

Auch auf dem LIVE AID-Konzert im Juni 2005, das Bob Geldorf auf drei Kontinenten in mehreren Großstädten mit hunderten Künstlern veranstaltete, waren wir beim Berliner Konzert mit unserem Aktionsteam präsent, um über die Verbrechen in Darfur aufmerksam zu machen.