20.06.2005

"Unerträgliche Praxis": Gefährdete Flüchtlinge aus Tschetschenien, Kosovo und Afghanistan ständig von Abschiebung bedroht

Weltflüchtlingstag (20. Juni)

Die "unerträgliche Praxis" deutscher Behörden, Schutz suchende Flüchtlinge aus Tschetschenien, dem Kosovo und Afghanistan nicht zur Ruhe kommen zu lassen und sie permanent mit der zwangsweisen Abschiebung in ihre Heimatländer zu bedrohen, hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) anlässlich des Weltflüchtlingstages (20. Juni) scharf kritisiert. "Diese Menschen, denen zu Hause Gefahr für Leib und Leben droht, werden oft kalt und gedankenlos in Nerven aufreibender Unsicherheit darüber gehalten, wie lange sie in Deutschland bleiben dürfen", sagte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. "Häufig werden ihre ohnehin nur für wenige Monate geltenden Duldungen entweder erst kurz vor Ablauf der Fristen verlängert oder die Flüchtlinge werden tatsächlich in Abschiebehaft genommen und zwangsweise zurückgeführt – ohne Rücksicht auf die gefährliche Lage in ihren Ländern." Die GfbV fordert für Tschetschenen, Afghanen sowie Roma, Aschkali und "Ägypter" aus dem Kosovo eine Aufenthaltsbefugnis für mindestens ein Jahr. Für schon seit Jahren in Deutschland lebende Flüchtlingsfamilien mit hier geborenen und aufgewachsenen Kindern und Jugendlichen fordert die GfbV ein dauerhaftes Bleiberecht. Der 20. Juni wurde im Jahr 2000 von der UN-Vollversammlung zum Weltflüchtlingstag erklärt.

 

Die tschetschenischen Flüchtlinge sind der Hölle von Völkermord, massenhaften Verschleppungen, Folter und willkürlichen Morden entkommen, viele sind traumati-siert. Für sie ist die Russische Föderation keine Fluchtalternative, betont die GfbV in ihrer jüngsten Stellungnahme zur Situation dieser Flüchtlinge. Trotzdem werden man-che aus Deutschland dorthin abgeschoben. Die GfbV ist sehr besorgt darüber, dass eine große Zahl dieser Menschen nach den Bestimmungen der Dublin II-Verordnung in osteuropäische Staaten, insbesondere nach Polen, zurückgeschickt wird. Dort gibt es weder eine angemessene medizinische oder therapeutische Behandlung für sie, noch treffen die Flüchtlinge auf zumutbare Lebensbedingungen. Dem russischen Genozid in Tschetschenien sind bisher rund 200.000 Menschen zum Opfer gefallen.

 

Die Menschenrechtssituation der von der albanischen Mehrheit diskriminierten und verfolgten Restminderheit der Roma, Aschkali und der so genannten Kosovo-"Ägypter" hat sich nach Angaben des GfbV-Kosovo-Teams vor Ort weiter zuge-spitzt. Eine Rückkehr der 38 500 als Flüchtlinge in Deutschland lebenden Angehöri-gen dieser Minderheiten ist wegen Lebensgefahr völlig unmöglich. "Die GfbV fordert deshalb ein Bleiberecht für diejenigen, die mehr als fünf Jahre in Deutschland leben, und eine einjährige Aufenthaltsbefugnis für alle anderen", sagt Zülch. Völlig verarmt, zu fast 100 % arbeitslos, inzwischen von nahezu allen humanitären Hilfswerken ver-lassen, medizinisch so gut wie nicht versorgt und weitgehend am Schulunterricht gehindert, gibt es keine Lebensperspektive mehr für diese Minderheit in der kosovo-albanischen Gesellschaft. Von den etwa150.000 Roma, Aschkali und "Ägyptern" wurden 130.000 durch Morde, Vergewaltigungen, Entführungen, Folterungen und bis heute anhaltende rassistische Verfolgung aus dem Land getrieben.

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich nicht nur in der Hauptstadt Kabul, sondern auch in den Provinzen weiter so verschlechtert, dass die geplante Rückführung von Flüchtlingen nach Auffassung der GfbV verantwortungslos wäre. In der letzten Zeit gab es mehrere Anschläge mit einer Vielzahl von Todesopfern. Mitte Mai haben sich antiamerikanische Proteste von 10 auf 34 Provinzen ausgeweitet, in der Stadt Jalalabad wurden UN-Büros angegriffen, das ausländische Personal musste in Sicherheit gebracht werden. Im Süden und Südosten kommt es regelmäßig zu Kämpfen, Experten sprechen von einer "Irakisierung" Afghanistans.