01.04.2008

UN-Sicherheitsrat soll vom Sudan Auslieferung von Kriegsverbrechern verlangen

Ehemalige Ankläger im Nürnberger Prozess und UNO-Ankläger:


Renommierte internationale Juristen - unter ihnen der ehemalige Ankläger im Nürnberger Prozess, Henry King - und Juristen aus Darfur haben den UNO-Sicherheitsrat heute in einem offenen Brief dazu aufgerufen, vom Sudan die Auslieferung der beiden gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ahmad Harun and Ali Kushayb zu verlangen. Obwohl sie in insgesamt 92 Punkten wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt sind, ist ersterer Staatsminister für humanitäre Angelegenheiten, und Ali Kushayb soll in den Ausschuss für humanitäre Angelegenheiten gewählt worden sein. Der Brief wurde initiiert von der "Wanted for War Crimes"-Kampagne (www.wantedforwarcrimes.org), einem Netzwerk von Organisationen, die sich für die Bestrafung der im westsudanesischen Darfur begangenen Verbrechen einsetzen. Auch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bezeichnet es als "puren Zynismus, dass die beiden mutmaßlichen Kriegsverbrecher, die für soviel Leid in Darfur verantwortlich sind, nun für humanitäre Angelegenheiten im Sudan zuständig sind."

 

Es folgt die Übersetzung des Briefes im Wortlaut:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

es ist beinahe ein Jahr her, seit der Internationale Strafgerichtshof (ICC) Haftbefehle gegen Ahmad Harun and Ali Kushayb ausgestellt hat. Den beiden wurden in insgesamt 92 Punkten wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sudan angeklagt. So wird ihnen beispielsweise vorgeworfen, in Bindisi im Westen Darfurs die Ermordung von Zivilpersonen, die Vergewaltigung von Frauen und Mädchen, die Zerstörung der Moschee und die Vertreibung von 34'000 Menschen organisiert zu haben.

 

Dass die sudanesische Regierung die Haftbefehle ignoriert, ist offensichtlich. Trotz der Anklage arbeitet Ahmad Harun weiterhin für die sudanesische Regierung, hat nun gar das Amt des Staatsministers für humanitäre Angelegenheiten inne und ist damit verantwortlich für die humanitären Anstrengungen im ganzen Land. Er wurde zum Co-Vorsitzenden eines Ausschusses ernannt, welcher Menschenrechtsbeschwerden überprüft und er steht mit der UNAMID-Friedenstruppe in Darfur in Verbindung. Über Ali Kushayb ist berichtet worden, er sei in den Ausschuss für humanitäre Angelegenheiten gewählt worden. Somit sind bei der Untersuchung über die Gräueltaten in Darfur die beiden Hauptverdächtigen nun verantwortlich für das Schicksal der Überlebenden.

 

Die Regierung des Sudans hat keine ernsthaften Absichten gezeigt, vergangene oder weiter anhaltende Verbrechen in Darfur zu untersuchen. Vor drei Jahren verwies die Resolution 1593 des UNO-Sicherheitsrats den Fall von Darfur an den Internationalen Strafgerichtshof, damit das internationale Recht durchgesetzt und die Straflosigkeit bekämpft würde. Diese Resolution verpflichtete alle Staaten, bei der Untersuchung oder bei der nachfolgenden Strafverfolgung des Internationalen Strafgerichtshofs mitzuwirken. Die internationale Gemeinschaft, welche im UNO-Sicherheitsrat vertreten ist, ist herausgefordert, das Recht und gerichtliche Entscheide durchzusetzen und die Verhaftung gesuchter Personen zu gewährleisten.

 

Wir rufen den UNO-Sicherheitsrat anlässlich des im Juni erscheinenden nächsten Berichts des Anklägers des Internationalen Strafgerichtshofes zu einer scharfen Erklärung von höchster Stelle (presidential statement) auf. Wir verlangen zudem, dass der UNO-Sicherheitsrat Khartum rasch einen Besuch abstattet, um die Auslieferung der beiden Verdächtigen an den Internationalen Strafgerichtshof zu verlangen. Weiter sollen scharfe Maßnahmen gegen diejenigen sudanesischen Regierungsbeamten ergriffen werden, welche die zwei Verdächtigen schützen und gegen diejenigen, welche weiterhin Verbrechen in Darfur verüben. So sollen beispielsweise deren Konten eingefroren werden.

 

Unterzeichner: Carla del Ponte und Richard Goldstone, ehemalige Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien und des Internationalen Strafgerichtshofes für Ruanda; Henry King, Ankläger im Nürnberger Prozess; Femi Falana, Präsident der westafrikanischen Anwaltskammer; David M Crane, Ankläger des Sondergerichtshofes für Sierra Leone; Irwin Cotler, ehemaliger Justizminister Kanadas; Salih Mahmoud Osman, Gewinner des Sakharov-Preises des Europäischen Parlamentes aus Darfur; Abdelrhman M. Gasim; Mohamed Abdalla Eldoma und Esadig Ali Hassan von der Anwaltskammer in Darfur; Lord Falconer, ehemaliger Staatssekretär für Justiz (UK); Héctor Diaz-Basteien Lopez, Union Internationale des Avocats