25.06.2018

Türkei: Wahlmanipulationen in Kurdenregion beobachtet

Viele Berichte über „Unregelmäßigkeiten“ bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Türkei (Pressemitteilung)

„Die Menschen haben immer weniger Angst vor Erdogans Schlägertruppen." Bild: geralt via pixabay CC 0 1.0

Nach Recherchen der Gesellschaft für die bedrohte Völker (GfbV) hat es bei den Wahlen in der Türkei am Sonntag vor allem in den Kurdengebieten im Osten des Landes erhebliche Wahlmanipulationen gegeben. „Freunde unserer Menschenrechtsorganisation haben uns berichtet, dass dort vielerorts vorher ausgefüllte Stimmzettel in die Wahlurner geworfen wurden“, sagte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido, der in ständigem telefonischen Kontakt mit vielen Menschen in Türkisch-Kurdistan steht, am Montag in Göttingen. Den Gewährsleuten der GfbV zufolge sei kurdischen Aktivisten in Pirsus (türkisch: Suruc) in der südostanatolischen Provinz Sanliurfa sogar gelungen, Fälschungsversuche mit Handys zu dokumentieren.

Auch in anderen Regionen des Kurdengebietes der Türkei wie in ländlichen Gegenden von Sanliurfa, Mus, Bingöl, Kahramanmaras, Mardin, Batman, Diyarbakir, Sirt und Bitlis sollen Erdogan-Anhänger unter den Augen der türkischen Sicherheitskräfte vorher ausgefüllte Stimmzettel in Wahlurnen gesteckt haben. Dort mussten potenzielle Wähler der prokurdischen HDP-Partei bis zu zehn Kilometer zu Fuß zu Wahllokalen laufen.

„Insbesondere in den Kurdengebieten hat der Ausnahmezustand eine faire und demokratische Wahl unmöglich gemacht, weil dort Polizei und Militär in den vergangenen Wochen bedrohlich präsent waren und die HDP sich mit ihrem Wahlprogramm nicht frei präsentieren konnte“, kritisierte Sido. Doch trotz dieser Machtdemonstration von Erdogan habe sich die Bevölkerung wenig einschüchtern lassen. „Die Menschen haben immer weniger Angst vor Erdogans Schlägertruppen. Das hat die Massenbeteiligung der Bürger an den Wahlveranstaltungen der oppositionellen kemalistischen CHP und der HDP gezeigt.“ Immer wieder wurden kurdische Aktivisten von Anhängern Erdogans verprügelt. Es gab sogar Tote und Verletzte. Seit Verhängung des Ausnahmezustands nach dem Putschversuch im Sommer 2016 sind die Grundrechte in der Türkei vor allem in Türkisch-Kurdistan massiv eingeschränkt

Viele Kurden hoffen, dass es der prokurdischen HDP gelingt, die Zehn-Prozent-Hürde zu überschreiten und ins Parlament einzuziehen. Das könnte erheblich dazu beitragen, die totale Herrschaft des Blocks der islamistischen AKP und der ultranationalistischen MHP zu brechen. Eine starke kurdische und oppositionelle Fraktion im Parlament könnte der "Ein-Mann-Herrschaft" Erdogans spürbar schaden.

Headerbild: geralt via pixabay