24.08.2005

Tschetschenien-Tagebuch - Mitte bis Ende August 2005

In diesem Tagebuch dokumentiert die GfbV die Lage in Tschetschenien jenseits der großen Schlagzeilen. Es soll dazu beitragen, die Blockade gerade von Nachrichten über die anhaltenden Menschenrechts-verletzungen in der Republik aufzuweichen.

Eintragungen von Mitte bis Ende August 2005

31.8.2005

Urteil gegen Tschetschenien-Offiziere aufgehoben: Der Oberste Gerichtshof Russlands hat zum zweiten Mal das umstrittene Urteil gegen eine Gruppe russischer Offiziere um den Hauptmann Eduard Ulman aufgehoben. Gegen die vier Mitglieder einer Spezialeinheit, die in Tschetschenien Zivilisten ermordet hatten, muss nun ein dritter Prozess stattfinden. Zwei Mal zuvor waren die Angeklagten freigesprochen worden, weil sie nach Ansicht der Geschworenen-Jury auf Befehl gehandelt hätten. Der tschetschenische Präsident Alu Alchanow begrüßte die Entscheidung der Obersten Gerichts, die dabei helfe, bei der tschetschenischen Bevölkerung Vertrauen zum russischen Rechtssystem zu schaffen. (www.russland-news.de)

31.8.2005

Leptospiroseepidemie in Tschetschenien: Nach Angaben des Chefarztes des Krankenhauses der Stadt Gudermes wurden in der letzten Woche etwa 65 Kinder in seinem Krankenhaus mit Verdach auf Leptospirose, auch Weil’sche Krankheit genannt, eingeliefert. Die betroffenen Kinder könnten sich durch Baden im vergifteten Fluß Michig angesteckt haben. Wasserproben wurden nun zur Analyse nach Dagestan geschickt. Leptospirose wird durch das Urin von infizierten Tieren übertragen. In Deutschland werden jährlich 10-15 Fälle gemeldet. (Prague Watchdog)

29.8.2005

Mädchen erliegen ihren Verletzungen: Zwei Einwohner des Dorfes Avtury erliegen den Verletzungen, die sie sich bei einem Artilleriebeschuss ihres Dorfes durch die russischen Truppen zugezogen hatten. Die 15-jährige Liza und die 17-jähre Makka Sugaipova waren bei dem Beschuss am 19. August schwer verletzt worden, als weitere Personen schwere Verbrennungen davontrugen, darunter fünf Mädchen im Alter von 7 bis 17 Jahren. (SNO*, 31.8.2005)

28.8.2005

Der 24-jährige Kjuri Ustaev aus dem Dorf Kotar-Jurt wird von Unbekannten in Tarnuniform verhaftet. Er hatte sich weder im ersten Krieg noch im zweiten Krieg an den Kämpfen beteiligt. Der Grund für seine Festnahme ist also genauso wenig bekannt wie sein derzeitiger Aufenthaltsort. (SNO, 2.9.2005)

27.8.2005

Vorgehen gegen ausländische und russische NGOs: Gelder der Menschenrechtsorganisation "Gesellschaft für russisch-tschetschenische Freundschaft" werden von den russischen Steuerprüfungsbehörden eingezogen. Dies stellt den Höhepunkt einer gezielten Kampagne gegen die in Nishny Novgorod ansässige Organisation dar, die einen Großteil ihrer Projekte durch den Europarat finanziert bekam. Schon vor Monaten hatten Übergriffe gegen Mitarbeiter der Organisation das Aufsehen von Menschenrechtsorganisationen erregt. Zusätzlich wurde die tschechische humanitäre Organisation "People in Need" im Juli gezwungen, ihre Arbeit in Tschetschenien niederzulegen und sich vollständig aus Russland zurück zu ziehen. Namhafte russische Politiker hatten ausländische NGOs immer wieder beschuldigt, in Tschetschenien die Kämpfer zu unterstützen bzw. zu spionieren. Die amerikanischen Peace Corps und die britische Hilfsorganisation Merlin waren so schon vor langem gezwungen worden, sich zurückzuziehen. (Institute for War and Peace Recording, 1.9.2005

27.8.2005

Junger Mann von Unbekannten verschleppt: Letschi Schabaev wird aus dem Ort Berdykel von unbekannten Bewaffneten verschleppt. Er hatte sich zu Besuch bei Verwandten aufgehalten. Der Grund für seine Festnahme und sein gegenwärtiger Aufenthaltsort sind unbekannt. (SNO, 30.8.2005)

27.8.2005

Einwohner von Kotar-Jurt verhaftet: Rustam Ustaew wird im Dorf Kotar-Jurt im Rahmen einer so genannten Säuberung von Sicherheitskräften verhaftet und verschleppt. Sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Der Grund für sein Verschwindenlassen ist ebenfalls unbekannt.

(SNO 29.8.2005)

26.8.2005

Der 23-jährige Ibragim Saraliew wird aus gewaltsam aus seiner Wohnung in einem großen Wohnblock im Bezirk Zavodskij in Grosny verschleppt. Augenzeugen berichten, dass die Täter mit Fahrzeugen ohne Nummernschilder vorgefahren seien. Der Grund für die Verschleppung des jungen Mannes ist unbekannt. (SNO, 1.9.2005)

26.8.2005

Verschwindenlassen von zwei Einwohnern des Dorfes Pamjatoj: Zelimchan Babuev und Ibragim Nembulatov werden von Bewaffneten, die in Fahrzeugen ohne Nummernschilder unterwegs waren, verschleppt. Ihr Aufenthaltsort und der Grund für ihre Festnahme sind unbekannt. (SNO, 29.8.2005)

25.8.2005

Weitere Verschleppungen in Tschetschenien: Der 45-jährige Chasu Elschurkaev wird gewaltsam aus seinem Haus im Bezirk Leninskij in der Stadt Grosny verschleppt. Die Täter und der momentane Aufenthaltsort des Verschleppten sind unbekannt. (SNO, 1.9.2005)

25.8.2005

Verschwindenlassen von Zivilisten dauert an: Der 35-jährige Rustam Mulkaev, Vater von zwei kleinen Kindern wird am Abend des 25. August von Unbekannten verschleppt. Die Bewaffneten dringen gewaltsam in das Haus der Familie im Dorf Assinovskaja ein und zerren Rustam auf die Strasse, zwingen ihn in ein Fahrzeug und verlassen das Dorf mit unbekanntem Ziel. Der derzeitige Aufenthaltsort des jungen Mannes ist unbekannt. (SNO, 31.8.2005)

25.8.2005:

Der 22-jährige Rustam Inaev, wird von Milizionären aus seiner Wohnung in Grosny verschleppt. Weder der Grund für die Festnahme noch der momentane Aufenthaltsort sind bekannt. (SNO, 31.8.2005)

25.8.2005

Zivilist in Grosny festgenommen: Der 31-jährige Vachit Doschukaev wird in Grosny von Sicherheitskräften festgenommen. Ein Grund für die Festnahme und der derzeitige Aufenthaltsort sind nicht bekannt.

(SNO, 26.8.2005)

25.8.2005

Premier von Inguschetien bei Attentat schwer verletzt: Bei zwei schweren Explosionen in der inguschetischen Hauptstadt Nasran wird der Premierminister von Inguschetien, Ibragim Malsagov, schwer verletzt. Einer seiner Begleiter, Amir Zizoev erliegt im Krankenhaus seinen Verletzungen, drei Passanten werden zusätzlich verletzt.

(ITAR TASS, RIA, 25.8.2005)

24.8.2005

Sprengstoffeinschlag: Ein Sprengkörper der Artillerie schlägt in ein Wohnhaus des Bezirks Staropromyslowski in Grosny ein. Fenster und Türen gehen zu Bruch, die Bewohnerin und ihr kleines Kind bleiben unverletzt. (SNO, 26.8.2005)

24.8.2005

Junger Mann verschleppt: Ein junger Mann wird im Rahmen einer so genannten gerichteten Säuberung im Ort Charkovskoe von Sicherheitskräften festgenommen und verschleppt.

(SNO, 26.8.2005)

24.8.2005:

Gestern legt der russische Präsident Wladimir Putin mit einem Erlass den Wahltermin für ein tschetschenisches Parlament auf den 27. November fest. Bei früheren Wahlen in Tschetschenein, z.B. den Präsidentschaftswahlen oder auch den Duma-Wahlen wurden die Ergebnisse systematisch gefälscht. Bei verdächtig hoher Wahlbeteiligung gewannen immer Kreml-treue Kandidaten. Es besteht kein Anlass, von der ür Ende November festgesetzten Wahl etwas anderes zu erwarten. Seit Ausbruch des Krieges gibt es in Tschetschenien kein Parlament mehr. Das Land wird offiziell von einem Staatsrat regiert, dem der Moskau-treue Präsident Alu Alchanow vorsteht. Die Mitglieder des 1997 frei gewählten

tschetschenischen Parlamentes mußten in den Untergrund gehen oder leben als Flüchtlinge außerhalb Tschetscheniens. Einige von ihnen engagieren sich heute bei westlichen Regierungen und internationalen Organisationen für ein Ende des Krieges in Tschetschenien. (www.russland-news.de)

23.8.2005:

Mehr als 90% der Bevölkerung Tschetscheniens leben unterhalb

der Armutsgrenze mit einem monatlichen Einkommen von weniger als 72 Euro, teilt der russische Wirtschaftsminister German Gref dem Kabinet mit. Auch in den Nachbarrepubliken von Tschetschenien, z.B. in Inguschetien leben die Menschen mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 1.350 Rubeln im Vergleich zu 5.141 Rubeln im gesamtrussischen Durchschnitt, in einer wirtschaftlich sehr angespannten Situation.

(ITAR-TASS)

18.8.2005:

In Grosny wird eine Organisation der Mütter von Verschwundenen gegründet. Etwa 60 Frauen versammeln sich zur Gründungskonferenz. In Tschetschenien sollen nach vorsichtigen Schätzungen in den letzten fünf Jahren mindestens 5.000 Personen verschwunden sein.

(Prague Watchdog, 19.8.2005)

17. 8. 2005:

Vier Personen werden im Rahmen einer "Säuberung" durch Angehörige des tschetschenischen Innenministeriums im Ort Kurdjukovskaja festgenommen. (SNO, 19.8.2005)

17. 8. 2005:

Im Ort Alchan Jurt führen Sicherheitskräfte eine so genannte gerichtete Säuberung durch. Ruslan Ibragimov wurde dabei festgenommen und verschleppt. (SNO, 19.8.2005)

16.8.2005:

Am Ufer des Flusses Gums in der Nähe von Gudermes wird der Leichnam einer Unbekannten gefunden. Ihre Identität konnte noch nicht geklärt werden. (SNO, 19.8.2005)

13.8.2005:

Charon Astamirow wird in der Nacht von bewaffneten Unbekannten aus seinem Wohnhaus in Stariye Atagie verschleppt. Die Bewaffneten tragen Tarnanzüge und kommen in Fahrzeugen ohne Nummernschilder.

(SNO, 19.8.2005)

 

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*SNO = Sojus nesavissimich organisacii (dt.: Verband unabhäniger Organisationen)