06.07.2006

Tschetschenien-Tagebuch Juli 2006

In diesem Tagebuch dokumentiert die GfbV die Lage in Tschetschenien jenseits der großen Schlagzeilen. Es soll dazu beitragen, die Blockade gerade von Nachrichten über die anhaltenden Menschenrechts-verletzungen in der Republik aufzuweichen.

Eintragung vom 3.7. - 31.7.2006

28.7.2006: Nächtlicher Beschuss

In der Nacht zum 27.7. wurde das Bergmassiv in der Nähe des Dorfes Gechic-Tschu im Bezirk Urus-Martan von russischer Artillerie beschossen. Menschen wurden nicht verletzt. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gab am 28.7.2006 der Klage der Tschetschenin Fatima Barsorkina statt und verurteilte Russland zur Zahlung von 35.000 Euro Schmerzensgeld. Barsorkinas Sohn war im Jahr 2000 spurlos verschwunden. Die Straßburger Richter teilten die Überzeugung Barsorkinas, dass deren Sohn chdschimurat Jandijew von russischen Soldaten entführt wurde. Barsorkina hatte mehrere Versuche unternommen, vor russischen Gerichten angehört zu werden. Ein von der tschetschenischen Militärstaatsanwaltschaft eingeleitetes Verfahren verlief 2004 jedoch im Sande. Dieses Urteil ist das erste im Zusammenhang mit dem Tschetschenienkrieg, in dem es um das "Verschwindenlassen" von Personen geht. Wahrscheinlich sind über 5.000 Menschen seit dem ersten Tschetschenienkrieg 1994 in der Nordkaukasusrepublik verschollen. Den Straßburger Richtern liegen noch zahlreiche ähnliche Fälle vor.

 

28.7.2006: Tuberkulosefälle in Tschetschenien nehmen drastisch zu

Im Rahmen eines Kolloquiums des tschetschenischen Gesundheitsministeriums wurde die erschreckend hohe Zahl Tuberkulosekranker in Tschetschenien diskutiert. Alleine seit Jahresbeginn 2006 sind 228 Personen in Tschetschenien an Tuberkulose gestorben.

 

24.7.2006: Nächtliche Entführung

Usman Israilov (geb. 1984) wird in der Nacht von Unbekannten aus seinem Haus im Dorf Tschiri-Jurt verschleppt. Nach Berichten der Verwandten drangen nachts um zwei Uhr Unbekannte in das Haus ein, die Tschetschenisch ohne Akzent sprachen und entführten den jungen Mann. Bis zum 31. Juli konnte nichts über seinen Verbleib ermittelt werden.

 

19. Juli 2006 Säuberungen" in Tschetschenien nehmen zu

Der tschetschenische "Verband unabhängiger Organisationen" veröffentlichte die Statistik über Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien im Juni. Danach hat die Zahl der "Säuberungen" in den tschetschenischen Orten im Vergleich zu den Vormonaten zugenommen. Angestiegen ist auch die Tendenz, so genannte "mobile Kontrollposten" an Strassen und in Ortschaften aufzustellen. Es hielten sich hartnäckig Gerüchte über eine weitere Eskalation des Krieges in den hießen Sommermonaten. 20 Personen, darunter zwei Frauen und zehn Angehörige tschetschenischer Sicherheitskräfte wurden im Juni in Tschetschenien getötet. Ein Grab mit den sterblichen Überresten von neun bislang nicht identifizierten Personen wurde im Dorf Chozi-Tschu gefunden. Acht Personen kamen in Inguschetien ums Leben, darunter der Kommandeur des inguschetischen Sonderverbandes OMOn und seine drei minderjährigen Kinder. Sieben Personen, darunter zwei Frauen verschwanden in Tschetschenien, das Schicksal von zwei weiteren Männern ist unklar. 73 Personen, darunter wieder zwei Frauen, wurden in Tschetschenien festgenommen. Nur eine Person von diesen 73 wurde bislang wieder entlassen. Zwei Männer wurden in Inguschetien festgenommen. (Quelle: www.livechechnya.org)

 

7. Juli 2006: Putin im Interview zum Krieg in Tschetschenien: "Das war es wert!"

Am 6.7. 2006 stellte sich Putin per Internet an ihn übermittelten Fragen. Auf die Frage, ob sich der Krieg in Tschetschenien gelohnt hätte sagte er: Natürlich hat sich der Krieg gelohnt. Es ging für uns nicht mehr um die Unabhängigkeit Tschetscheniens. Wir verstanden, dass jene Kräfte, die nichts mit den Interessen des tschetschenischen Volkes gemeinsam haben, Tschetschenien nutzten, um von dort aus gegen die Russische Förderation zu agieren und die umliegenden Republiken anzugreifen. Wir sind einfach davon überzeugt, dass sich die Krise ausgedehnt hätte, hätten wir die Sache nicht an den Punkt gebracht, an dem sie jetzt ist. Das Ziel war es ja, einen Staat der vom Schwarzen bis zum Kaspischen Meer reichen sollte, einzurichten. Das können wir nicht gebrauchen, gerade vor dem Hintergrund nicht, dass wir in Russland große muslimische Bevölkerungsanteile haben."

 

6. Juli 2006: UN kündigt humanitäre Hilfe und Rückkehr nach Tschetschenien an

Der UN-Vertreter für Russland, Dennis McNamara kündigte am 5.7. 2006 an, 82 Millionen Dollar für humanitäre Hilfe für den Nordkaukasus und besonders Tschetschenien bereit zu stellen. Er forderte Russland weiterhin auf, die tschetschenische Zivilbevölkerung besser zu schützen und sagte, die UN plane, nach Tschetschenien zurückzukehren und ein Büro dort zu eröffnen.

 

5. Juli 2006: Schwere Angriffe von tschetschenischen Kämpfern fordern sieben Todesopfer und 25 Verletzte

Ein russischer Armeekonvoi ist in der Region Schali im Südosten Tschetscheniens in einen Hinterhalt geraten. Tschetschenische Kämpfer griffen den Konvoi an und töteten sieben Soldaten, weitere 25 wurden verletzt. In der Region war es in den Tagen zuvor zu so genannten Säuberungen gekommen. Zugangsstrassen zu mehreren Orten waren abgeriegelt und die Papiere der Bewohner überprüft worden. Über Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit den "Säuberungen" ist nichts bekannt geworden.

 

3. Juli 2006: Rassismus in der Russischen Föderation: Sechs Ausländer am Wochenende von Skinheads attackiert

Bei insgesamt drei Überfällen auf Ausländer wurden am Samstag in Moskau zwei Armenier, ein Aserbaidschaner, ein Kasache und zwei Usbeken durch Messerstiche verletzt. Die Armenier und der Aserbaidschaner wurden in der Metrostation "Kusnetschny Most" am Nachmittag von einer etwa 15-köpfigen Gruppe überfallen und zusammengeschlagen. Zwei weitere Armenier wurden dabei durch Schläge verletzt. Kurz zuvor war ein Major der kasachischen Armee am Pokrowski Boulevard überfallen worden. Zwei Usbeken wurden am Abend Opfer eines ähnlichen Angriffs am Prospekt Wernadskogo.