03.04.2007

Tschetschenien-Tagebuch April 2007

In diesem Tagebuch dokumentiert die GfbV die Lage in Tschetschenien jenseits der großen Schlagzeilen. Es soll dazu beitragen, die Blockade gerade von Nachrichten über die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in der Republik aufzuweichen.

Seit Anfang Februar 2007 gibt es ein Blog zu "Krieg, Flucht und Hilfe", in dem auch viele tschetschenische Schicksale aufgegriffen werden. Zum Blog "Nachdenken über Krieg, Flucht, Hilfe"

Eintragung vom 1.4.2007 - 29.4.2007

29. 4.2007

Treffen zwischen Vertretern des Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) und tschetschenischen Autoritäten

Vertreter des Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) trafen in Grozny führende Mitglieder der tschetschenischen Regierung. Bei dem Treffen wurde der neue Vorstand des ICRC in dem repräsentativen Büro für den Bereich Nord-Kaukasus sowie der Vorstand des Komiteebüros in Tschetschenien vorgestellt. Das Problem um vermisste Personen und die Situation in dem Orthopädischen Zentrum in Grozny seien angesprochen worden. (www.eng.kavkaz.memo.ru)

28.4.2007

Überfall auf russischen Konvoi

Ein russischer Konvoi wurde zwischen Grozny und Argun überfallen und bekämpft, acht russische Soldaten wurden dabei getötet, fünf wurden verwundet. (www.cerenonline.com)

27.4.2007

18 Tote bei Helikopterabsturz im Kaukasusgebirge

Mindestens 18 Menschen starben bei dem Absturz eines russischen Militärhubschraubers über den Bergen des Kaukasus im südlichen Distrikt von Shatoi. Am Morgen des 27.04.2007 kam es zu Kampfhandlungen zwischen tschetschenischen Kämpfern und dem russischen Militär. Der Helikopter, in dem sich Militärangehörige befanden, war neben zwei weiteren Helikoptern zur Unterstützung herbeigerufen worden und stürzte während des Landevorganges ab. Die Frage danach, ob der Helikopter herunter geschossen wurde oder es sich um einen Unfall handelte, wurde von Mitarbeitern des Ministeriums unterschiedlich beantwortet. Der tschetschenische Präsident Ramzan Kadyrow nannte als Grund der Katastrophe "technisches Versagen". Der Absturz wird als der zweitschwerste Angriff auf einen Helikopter der Regierung in den letzten Jahren eingestuft. Bei den Kampfhandlungen ca. 44 Kilometer von der Hauptstadt Grozny entfernt seien weitere Menschen ums Leben gekommen. (AP)

25.4.2007

Zwei russische Soldaten und ein Zivilist sterben bei Minenunfällen

Zwei russische Soldaten starben als ihre Fahrzeuge auf Minen auffuhren. Ein Zivilist kam im tschetschenischen Dorf Serschen Jurt ums Leben als sein Traktor auf eine Mine fuhr. (Interfax)

25.4. 2007

Europarat ermahnt Russland

Ein Sprecher des Europarates ermahnte Russland das Zusatzprotokoll Nr. 14 zur Europäischen Menschenrechtskonvention zu ratifizieren. Russland ist der einzige Mitgliedsstaat des Europarates, der dieses Protokoll noch nicht ratifiziert hat. Es soll die Arbeit des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs erheblich erleichtern und beschleunigen. Russische Parlamentarier hatten sich gegen die Ratifizierung entschieden, das sie Nachteile für ihr Land befürchten, aus dem die meisten Klagen an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof stammen. (RIA Novosti)

25.4.2007

Verwaltung verbietet Demo

Die Stadtverwaltung der Wolgastadt Nischny Novgorod hat eine Demonstration der russischen Opposition, die für den 28.April geplant war, verboten. (www.primanews.ru)

25.4.2007

Kritische russische Journalistin bittet in Großbritannien um Asyl

Jelena Tregubowa, eine bis 2004 beim Kreml akkreditierte Journalistin ist Autorin eines Polit-Bestsellers, der auf Deutsch unter dem Titel "Die Mutanten des Kreml" erschien. Darin beschrieb sie ihre Arbeit als Kreml-Korrespondentin der Zeitung "Kommersant" und ihre Treffen mit Putin. Das Buch enthüllte auch die strenge Zensur, die die Putin-Regierung ausübt. Nach Erscheinen der russischen Ausgabe war sie Anfang 2004 nur knapp einem Sprengstoffanschlag auf ihre Wohnung entgangen. Mittlerweile sieht sie ihr Leben in Gefahr und hat in Großbritannien Asyl beantragt. (www.spiegel.de)

18.4.2007

Polizei führt Razzia in NGO durch

20 Polizeioffiziere führten am Mittwochabend eine Razzia in der NGO Internews durch, die ihren Hauptsitz in den USA hat und Journalisten ausbildet. Die Offiziere kommen von der Abteilung für Wirtschaftskriminalität des Wirtschaftsministeriums. Anwesende Journalisten äußerten die Vermutung, dass die NGO in ein schlechtes Licht gerückt werden solle. Russland hat durch Gesetze die Aktivität von NGOs, besonders solcher aus dem Ausland, massiv eingeschränkt. (www.themoscowtimes.com)

18.4.2007

Wieder Tote durch rassistische Verbrechen

Ein Tadschike und ein Armenier wurden gestern erstochen. Khairullo Sadykov, 26, wurde mit 35 Messerstichen in der Nähe der Metrostation Perovo in Moskaus Osten getötet. Eine Überwachungskamera zeichnete die Tat auf, die von rechtsradikalen Jugendlichen begangen wurde. Der armenische Geschäftsmann Karen Abramjan, 46, wurde von drei Tätern mit 20 Messerstichen im Südwesten der russischen Hauptstadt ermordet. (www.themoscowtimes.com)

18.4. 2007

Verletzte nach Anschlag auf Milizionäre

Unbekannte eröffneten in der Nacht das Feuer auf einen Wachposten im Stadtteil Staropromyslowskij in Grosnj. Mehrere Polizisten wurden durch Schüsse verletzt und mussten in ein Krankenhaus eingeliefert werden. (www.kavkaz.memo.ru)

18.4.2007

Drei wegen Verbrechen in Tschetschenien Angeklagte tauchen unter

Die drei Angeklagten Eduard Ulman, Alexander Kalaganski und Wladimir Wojewodin, die angeklagt sind, weil sie 2002 in Tschetschenien sechs tschetschenische Zivilisten, darunter eine schwangere Frau erschossen haben, und denen deshalb der Prozess gemacht werden sollte, sind wenige Tage vor einer neuen Verhandlungsrunde verschwunden. Die russischen Gerichte hatten Ulman und die anderen Täter mehrere Male frei gesprochen. Nun sollte der Prozess neu aufgerollt werden. Der Aufforderung der Angehörigen der Opfer die Männer in Gewahrsam zu nehmen wurde nicht nachgekommen. Der Anwalt der Opfer sagte aus, er habe schon seit langem mit der Flucht der Angeklagten gerechnet. (www.guardian.co.uk)

10.4.2007

"Säuberung" des Dorfes Gajrbek-Jurt in Inguschetien

Am 10. April gegen fünf Uhr in der Frühe traf eine Kolonne aus mehreren Militärfahrzeugen mit rund 80 Bewaffneten in Tarnanzügen und teils mit Masken im Dorf Gajrbek-Jurt in Inguschetien ein. In diesem Dorf leben 168 Menschen in 35 Häusern. Die Bewaffneten durchsuchten jedes Haus, zerstörten Gegenstände und jagten die Bewohner aus ihren Betten. Gegen acht Uhr 20 war die "Säuberung" beendet. Eine Einwohnerin, Ljubov Achkilogova, geb. 1948 wurde festgenommen, weil in ihrem Haus alte Waffen gefunden wurden, die zur Jagd verwendet werden. Zusätzlich nahmen die Männer einen Flüchtling aus Tschetschenien mit, der keine Registrierung in dem Dorf vorweisen konnte. Eine alte Frau musste nach der "Säuberung" wegen Herzbeschwerden ins Krankenhaus gebracht werden. (www.memo.ru)

 

13.4.2007

Festnahme und verschwindenlassen (1)

Im Dorf Sagapschi in der Region Malgobek wurde der Einwohner Fargiev (Vorname unbekannt) von örtlichen Sicherheitskräften festgenommen. Sie warfen Fargiev vor, an dem Überfall auf die tschetschenische Hauptstadt Nasran im Juni 2004 beteiligt gewesen zu sein. Im März diesen Jahres war Fargiev schon einmal festgenommen worden. Während dieser Festnahme wurde er nach Aussagen von Familienangehörigen gefoltert und gedemütigt. Er sollte eine Aussage über tschetschenische Kämpfer machen, schwieg jedoch und wurde nach mehreren Tagen wieder auf freien Fuß gesetzt. Wo er im Moment festgehalten wird, ist unbekannt. (www.livechechnya.org)

12.4.2007

Festnahme und verschwindenlassen (2)

Die Einwohner des Dorfes Alpatow in der Region Naursk teilten mit, ein Mann aus ihrem Dorf sei von Sicherheitskräften verschleppt worden. Der Name des Mannes ist noch unbekannt. (www.livechechnya.org)

 

Offener Brief des Internationalen PEN zur Lage in Russland

Bled, Slowenien, 30.3.2007

Wir, die Mitglieder des Komitees "Schriftsteller für den Frieden" des Internationalen PEN, erhielten vom Verband der Journalisten in Russland die Information, dass in den letzten zehn bis zwölf Jahren in Russland 200 Journalisten umgekommen seien. Und das in Friedenszeiten.

Da entsteht die Frage, ob Russland nicht einen geheimen Krieg gegen die Journalisten führt. Wird nicht ein Kampf gegen die Freiheit des Wortes ausgetragen?

Wir fragen den Präsidenten, die Regierung, den Justizminister, den Generalstaatsanwalt und die gesamte russische Zivilgesellschaft, was passiert mit der in der russischen Verfassung deklarierten Demokratie in Russland? Die Verfassung garantiert das Recht auf Leben und natürlich auch das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde die bekannte Journalistin Anna Politkowskaja ermordet. Wir verstehen, dass Journalisten, die in Kriegsgebieten arbeiten, sich in einer Gefahrenzone bewegen. Aber sie wurde im Zentrum Moskaus ermordet, nicht auf einem Schlachtfeld. Wer wird zur Verantwortung gezogen nicht nur für die Morde an bekannten Journalisten, sondern auch an weniger prominenten Journalisten in der Provinz? Russland entwickelt sich zu einem von Gewalt geprägten Land. Die Regierung sollte die Harmonie zwischen seinen Bürgern und der freien Welt unterstützen und für die Befolgung der Gesetze eintreten.

Was sollen wir von einem Staat denken, in dem man mit Mord den Mund der demokratischen Kritiker versiegelt, in dem das Parlament Gesetze verabschiedet, die die Pressefreiheit beschneiden, die die Freiheit der Massenmedien kontrollieren und die die Medien zwingen, die offiziellen Sichtweisen zu propagieren?

Zwischen der Gesellschaft und der Regierung klafft ein Abgrund, der sich immer weiter vertieft.

Tief besorgt wenden wir uns an die Institutionen und an diejenigen, die unserer Meinung nach Verantwortung tragen. Wir fragen den Präsidenten, die Regierung, den Justizminister und den Generalstaatsanwalt: Was passiert mit der Demokratie in Russland?

Die Geschichte lehrt, dass ein politisches System keinen Bestand haben wird, das die Rechte einschränkt und die Freiheit geißelt. Es gibt keinen Frieden ohne das Recht auf freie Meinungsäußerung.

Die politische Macht prägt auch die moralische Stärke. Das Angesicht der Macht, wie wir es heute wahrnehmen, kann man nicht länger dulden. Wir erinnern an die traurigen und bekannten Worte Dostojewskijs darüber, dass die gesamte Welt nicht die Tränen eines Kindes wert ist.

Wir trauern um unsere Kollegen, die für die Freiheit des Wortes gestorben sind.

Vorsitzender des Komitees "Schriftsteller für den Frieden" des Internationalen PEN, Eduard Kovac

 

11.4.2007

Minenräumarbeiten in Tschetschenien

Über 6.000 Hektar Land müssen in Tschetschenien von Minen geräumt werden, teilt das Katastrophenschutzministerium mit. 3.067 Personen wurden in Tschetschenien Opfer von Minen. Bis heute kommt es zu zahlreichen Unfällen. Viele landwirtschaftliche Nutzflächen sind vermint und sollen nun Schritt für Schritt von einer Minenräumeinheit geräumt werden.

(Nezavisimaya Gazeta, 11.4.2007)

9.4.2007

Tschetschenien löst Komitee für Binnenflüchtlinge auf

Das Komitee habe seine Arbeit abgeschlossen, sagte ein Regierungssprecher. Die Hauptaufgabe des Komitees habe darin bestanden, die rund 200.000 tschetschenischen Flüchtlinge aus der Nachbarrepublik Inguschetien zurück zu holen. Nur noch 3.000 Flüchtlinge, in ihrer Mehrzahl Inguschen würden in den Flüchtlingslagern in Inguschetien leben, teilte der Regierungssprecher weiter mit. 14.185 Personen seien 2006 von Inguschetien nach Tschetschenien zurückgekehrt. Nach Aussagen der inguschetischen Regierung leben noch 19.000 tschetschenische Flüchtlinge in Inguschetien, die dauerhaft in der Republik bleiben wollten. (Itar Tass, 9.4.2007)