30.10.2006

Truppenrückzug aus Bosnien ist "leichtfertig"!

Kriegsfolgen unbewältigt

Als vorschnellen und leichtfertigen Entschluss hat die Gesellschaft für bedrohte Völker heute die Ankündigung von Verteidigungsminister Franz Josef Jung kritisiert, die 1000 Bundeswehrsoldaten aus Bosnien abzuziehen. "Es darf nicht sein", erklärte der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch, "dass die deutschen Truppen das Land verlassen, die Kriegsfolgen in Bosnien jedoch unbewältigt bleiben. Vor einem Truppenabzug müssen die zentralen Probleme des Landes - die Wiedervereinigung, die Festnahme der Hauptkriegsverbrecher Radovan Karadzic und Ratko Mladic sowie die Entfernung von Kriegsverbrechern aus Behörden und regionalen Körperschaften - gelöst sein."

 

Medienvertreter in vielen Teilen der Welt zweifelten bis heute an der Entschiedenheit westlicher Regierungen, die Hauptverantwortlichen für die Durchführung der "ethnischen Säuberungen", der Einrichtung von Konzentrations-, Internierungs- und Vergewaltigungslagern, der Beschießung von Sarajevo über vier Jahre und der Massenexekution von 8.373 namentlich bekannten Knaben und Männern von Srebrenica festzunehmen. Mit seinem Beschluss, die deutschen Truppen aus Bosnien zurückzuziehen, bestätige der Bundesverteidigungsminister diesen Verdacht.

 

Nach wie vor besteht Bosnien und Herzegowina aus zwei völlig voneinander getrennten Einheiten, die durch das Diktat von Dayton entstanden sind und die in der 800-jährigen Geschichte Bosniens niemals existiert haben. Insbesondere die so genannte "Republika Srpska", in der vor dem Krieg mehr als 50 % nichtserbische Bosnier lebten, ist durch deren Vertreibung und teilweiser Liquidierung entstanden.

 

Vor allem in der so genannten "Republika Srpska" Bosniens sind mutmaßliche Kriegsverbrecher, Folterer, Mörder und Vergewaltiger in Behörden und Regierungsstellen tätig. Von den 19.470 Personen, deren Namen in einer Liste der bosnischen Kommission für die Ermittlung der Verbrechen in Srebrenica aufgeführt wurden, sind allein 810 Personen, die weiter in offiziellen Funktionen der serbisch kontrollierten Hälfte Bosniens tätig sind.