06.06.2009

"Tibetische Flüchtlinge wie Separatisten behandelt"

Nepal

Circa 20.000 tibetische Flüchtlinge leben legal, rund 10.000 weitere illegal im historisch, kulturell und religiös eng mit Tibet verbundenen Nepal. Seit dem von chinesischen Besatzungstruppen im März 1959 niedergeschlagenen Volksaufstand in Tibet, bei dem 86.000 Tibeter ums Leben kamen und in Folge dessen das geistige Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, ins Exil nach Indien floh, nahm Nepal jedes Jahr circa 2.000 tibetische Flüchtlinge auf. Viele benutzten Nepal so auch als Transitland, um nach Dharamsala, dem Sitz der tibetischen Exilregierung in Indien zu gelangen.

Seit einiger Zeit jedoch beugt sich Nepals Regierungsführung mit der Kommunistischen Partei Nepals (Maoisten) und dem ehemaligen Rebellenführer Pushpa Kamal Dahal "Prachanda" als Premierminister an der Spitze, zunehmend dem chinesischen Druck und geht hart gegen tibetische Flüchtlinge vor: Am 10. März 2008, dem 49. Jahrestag des "Tibetischen Volksaufstandes", demonstrierten Mönche in Tibet gegen die chinesische Besatzung und für ein freies Tibet. Der Aufstand wurde gewaltsam niedergeschlagen. Daraufhin begannen im Nachbarland Nepal Demonstrationen der dort lebenden Tibeter gegen Chinas Vorgehensweise. Bis September 2008 fanden diese täglich statt und halten auch jetzt noch an.

Seitdem verschlechtert sich die Lage der in Nepal lebenden Tibeter drastisch. Seit März 2008 wurden circa 9.000 Tibeter in Nepal festgenommen und kurze Zeit später ohne Anklage wieder freigelassen. Die Gründe für die Festnahmen wurden im Großteil der Fälle nie dargelegt. Im Juni 2008 nahm die nepalesische Polizei drei führende Vertreter der tibetischen Gemeinschaft in Kathmandu fest. Ihnen wurden anti-chinesische Proteste, die Untergrabung der bilateralen Beziehungen zwischen China und Nepal sowie die Planung eines Protestmarsches nach Tibet unterstellt. Sie wurden zu je drei Monaten Haft verurteilt. Auf Anweisung des nepalesischen Obergerichts wurden sie jedoch Anfang Juli 2008 wieder freigelassen. Diese drei Fälle waren die ersten Verurteilungen im Zusammenhang mit den Protesten. Keiner der drei war jedoch in gewalttätige Aktionen involviert.

Mit Beginn der Proteste in Nepal wuchs Chinas Druck auf Nepal, diese zu zerschlagen. Da das Reich der Mitte einer der Hauptgeber für Hilfsgelder in Nepal ist, konnte die Republik die "freundschaftlichen Beziehungen" nicht gefährden und versprach, alle anti-chinesischen Proteste zu untersagen und härter gegen tibetische Demonstranten vorzugehen. Um den Fackellauf in Tibet vor den Olympischen Spielen 2008 nicht zu "gefährden", wurden 650 Demonstranten festgenommen. Im Juli 2008 wurden die Teilnehmer des Protestmarsches nach Tibet, von der nepalesischen Polizei an der tibetischen Grenze gestoppt und an die Immigrationsbehörden übergeben. Im selben Monat betonte Nepal erneut seine "Ein-China-Politik".

Kurz vor den Olympischen Spielen drängte der chinesische Botschafter Zheng Xianglin die nepalesische Regierung zu weiteren Verhaftungen und strikterem Vorgehen gegen anti-chinesische Proteste und gab direkte Anweisungen. In den Tagen vor Beginn der Olympischen Spiele im August 2008 wurden circa 2.000 Tibeter festgenommen. Des Weiteren drohte die nepalesische Regierung, die Festgenommen nicht mehr so schnell freizulassen, wie dies noch zu Beginn der Proteste im März 2008 die Regel war. Auch illegal im Land lebende Tibeter sollten nun rigoros abgeschoben werden. Bis 1989 vergab die nepalesische Regierung "Refugee Cards (RC’s)" an alle tibetischen Flüchtlinge. Diese erlaubte es den Flüchtlingen, im Land zu arbeiten, ein Geschäft zu eröffnen, oder im Ausland zu studieren. Seit 1989 stellt Nepal keine RC’s mehr aus.

Im August/September 2008 begann die nepalesische Regierung verstärkt, die Ausweispapiere von Tibetern zu kontrollieren. Denen, die ohne RC’s aufgegriffen wurden, drohte man hohe Gefängnisstrafen und Abschiebung nach China an. Alle Tibeter, die an Protesten teilnahmen, wurden zur Kontrolle ihres Status an das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) übergeben. Viele wurden bei der Verhaftung eingeschüchtert, um erneute Proteste zu vermeiden. Die tibetischen Flüchtlinge meiden seitdem das Stadtzentrum Kathmandus oder den Aufenthalt auf der Straße nach Einbruch der Dunkelheit, um eventuelle Kontrollen zu umgehen. Vermehrt wurden Grundstücke in Boudhanath, dem Zentrum der Tibeter in Kathmandu, von Chinesen gekauft, um die Aktivitäten der Tibeter zu beobachten. Chinas Einfluss auf Nepal wuchs somit stetig. Treffen zwischen der nepalesischen Regierung und dem chinesischen Botschafter, sowie zwischen der chinesischen und nepalesischen Regierung nahmen zu. Im Februar 2009, einen Monat vor dem 50. Jahrestag des "Tibetischen Volksaufstandes", wies Peking Nepal erneut an, keine anti-chinesischen Protest zu dulden. Als Gegenleistung sicherte China die Investition in Wasserkraftwerke sowie eine Zahlung von 1,5 Milliarden Rupien (ca. 14 Millionen Euro) an Hilfsgeldern zu. Noch im selben Monat begannen striktere Kontrollen des tibetisch-nepalesischen Grenzüberganges. Dies ging mit Verhaftungen und Abschiebungen nach China einher. Die Zahl der Tibeter, die versuchten nach Nepal zu gelangen, hatte aufgrund der starken Restriktionen bereits abgenommen. Zum ersten Mal wurden im Februar 2009 fünf tibetische Flüchtlinge in Nepal von einem Maoistenkader, der YCL (Young Communist League), wegen illegalen Grenzübertritts festgehalten und an die Polizei sowie später an die Immigrationsbehörden übergeben. Einige Tage darauf wurden erneut sieben Tibeter beim Überqueren der Grenze festgenommen und an die Behörden in Kathmandu übergeben. Nepal behandelt die Tibeter gegenwärtig nicht mehr wie Flüchtlinge, sondern wie Separatisten und Boykotteure. China ist weiterhin bestrebt alle kommunistischen Parteien Nepals zu einem großen kommunistischen Organ zusammenzuschließen, welches in Zukunft noch stärker gegen tibetische Aktivitäten vorgehen könnte. Am 10. März 2009, dem 50. Jahrestag des "Tibetischen Volksaufstandes" kam es zu zwölf Verhaftungen und Verurteilungen zu dreimonatigen Haftstrafen. Im selben Monat führte die nepalesische Regierung neue Registrierungsbestimmungen ein: Tibetische Geschäfte und Restaurants müssen sich ab sofort registrieren lassen. Für diese Registrierung benötigt man jedoch einen offiziellen Aufenthaltsstatus sowie 50.000 Rupien (rund 500 Euro) Registrierungsgebühr. Selbst Tibetern, die diese Vorschriften erfüllen, wird gegenwärtig keine Lizenz ausgestellt.

Für Mai 2009 ist ein erneuter Besuch des nepalesischen Regierungsführers in China geplant. Ein neuer Friedens- und Freundschaftsvertrag soll unterzeichnet werden. Auf vergangene Treffen reagierte die nepalesische Regierung stets mit noch verstärkten Restriktionen für die Tibeter. Friedliche Proteste wurden gewalttätig niedergeschlagen, Männer, Frauen und Kinder gleichsam brutal geschlagen und verhaftet. Während der Haft kam es teilweise zu sexuellen Übergriffen auf Frauen, Verletzte wurden nicht ausreichend versorgt. Den Inhaftierten wurde eine stärkere Gewaltanwendung oder die Abschiebung nach China angedroht, um sie von erneuten Protesten abzuhalten.

Nepal, das in der Vergangenheit stark von Indien dominiert wurde, will nun neue Wege gehen und kooperiert mit China. Das Land erklärte sich 2008 zur demokratischen Republik Nepal. Jedoch begeht es jetzt auf Geheiß Chinas schwere Menschenrechtsverletzungen und untergräbt seine eigene Souveränität.