01.06.2012

Sklaverei-Kritiker wegen „Gefährdung der Staatssicherheit“ angeklagt

Politische Gesinnungsjustiz in Mauretanien

© H. Schedler/GfbV

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) wirft den Gerichten Mauretaniens vor, Sklaverei-Kritiker mundtot zu machen und willkürlich zu kriminalisieren. „Es ist politische Gesinnungsjustiz und eine Pervertierung des Rechts, wenn Menschenrechtler vor Mauretaniens Gerichten förmlich als Terroristen angeklagt werden“, erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. Grund für die scharfe Kritik der GfbV ist die förmliche Anklageerhebung gegen den Präsidenten der mauretanischen Menschenrechtsorganisation IRA (Initiative zur Wiederbelebung der Abschaffung der Sklaverei), Biram Dah Abeid. Er wurde am vergangenen Mittwoch von einem Richter in der mauretanischen Hauptstadt Nouakchott der „Gefährdung der Staatssicherheit“ und der „Gründung einer nicht genehmigten Organisation“ beschuldigt. Biram Dah Abeid und sieben Mitgliedern seiner Organisation drohen langjährige Haftstrafen. Drei weitere Beschuldigte wurden mangels Beweisen freigelassen.

Die Menschenrechtler waren Ende April 2012 festgenommen worden, nachdem sie bei einer Protestaktion gegen die trotz offizieller Verbote fortbestehende Sklaverei religiöse Schriften verbrannt hatten, in denen die Leibeigenschaft gerechtfertigt wurde. Die gläubigen Muslime wollten mit ihrem Protest auf die Unterstützung der Sklaverei durch muslimische Geistliche aufmerksam machen.

„Die Ermittlungsbehörden und die Justiz missachten in dem Verfahren gegen die Menschenrechtler sowohl international anerkannte Standards fairer Gerichtsverfahren als auch mauretanisches Recht“, sagte Delius. So wurden die Festgenommenen erst sechs Tage nach ihrer Verhaftung der Staatsanwaltschaft übergeben. Statt wie gesetzlich vorgesehen innerhalb von 15 Tagen wurden die Inhaftierten erst nach vier Wochen dem Haftrichter vorgeführt. Ihre Rechtsanwälte hatten zuvor keine Möglichkeit, mit ihren Mandanten zu sprechen. Wochenlang war sogar der Aufenthaltsort der Verhafteten unbekannt.

„Statt Sklaverei wirksam zu bekämpfen, lässt Mauretaniens Staatsführung die unliebsamen Kritiker wegsperren, die mit Protestaktionen daran erinnern, dass noch immer rund 500.000 Menschen in dem nordwestafrikanischen Land als Sklaven festgehalten werden“, kritisierte Delius. Zwei Jahre lang verweigerten die mauretanischen Behörden die offizielle Zulassung der IRA und versuchten systematisch, die Menschenrechtsorganisation zu diskreditieren und zu zerschlagen. „Die Menschenrechtler hatten nichts unversucht gelassen, um offiziell als Organisation anerkannt zu werden. Nun den Sklaverei-Kritikern vorzuwerfen, eine illegale Organisation betrieben zu haben, ist verlogen und heuchlerisch“, sagte Delius. Biram Dah Abeid war im Jahr 2011 für sein Engagement für die Abschaffung der Sklaverei mit dem Menschenrechtspreis der Stadt Weimar ausgezeichnet worden.