23.04.2005

Shell teilt und herrscht in Nigeria

Die Ogoni sind über dem Erbe Ken Saro-Wiwas zerstritten

Ende April 2001 war es mal wieder so weit: Von Shells Ölbrunnen in Yorla im Ogoniland wurde ein Leck gemeldet. Was folgte, ist schon fast Routine im Niger-Delta. Shell behauptet, jemand habe das Leck absichtlich herbeigeführt. Die örtlichen Vertreter der Ogoni und auch die Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volkes (MOSOP) weisen diesen Vorwurf zurück. Shell schickt Mitarbeiter, die das Leck abdichten sollen. Jugendliche verwehren den Ölarbeitern den Zutritt und fordern, selbst an den Aufräumarbeiten beteiligt zu werden. Shell verhandelt mit den Dorfältesten und Lokalpolitikern. über das Ergebnis wird nichts bekannt gegeben, aber den Shell-Mitarbeitern wird schließlich der Zutritt erlaubt, auch wenn Jugendliche immer wieder versuchen, ihren Forderungen Gehör zu verschaffen.

Viel hat sich nicht geändert im Verhältnis zwischen den 500.000 Ogoni und dem britisch-niederländischen Weltkonzern Shell, seit dieser 1993 das nur 1.000 Quadratkilometer große Gebiet östlich der Großstadt Port Harcourt verlassen musste. Als erstes und bisher einziges Volk im Niger-Delta hatten die Ogoni den Weltkonzern von ihrem Land verjagt. Shell solle erst die Umweltzerstörungen aus 35 Jahren Ölförderung beseitigen und eine Entschädigung zahlen, forderten sie. Seitdem rotten die Förderanlagen vor sich hin, Ölbrunnen schlagen leck, das "schwarze Gold" schwappt in die Landschaft und niemand scheint sich darum zu kümmern.

Immer wieder machen Gerüchte die Runde, Shell wolle die Arbeit im Ogoni-Land wieder aufnehmen. Der Konzern dementiert sie nicht, sondern betont lediglich, dass dem "alle Gruppen der Ogoni" zustimmen müssten. Das schürt immer wieder Konflikte bei den Ogoni. So auch im Dorf K.Dere, dem Heimatort des MOSOP-Vorsitzenden Ledum Mitee. Dort hatte ein Unternehmen im Auftrag von Shell begonnen, eine Straße zu bauen. Dagegen protestierten MOSOP-Anhänger. "Shell wollte die Straße bauen lassen, obwohl wir ein Moratorium für alle so genannten Entwicklungsprojekte vereinbart hatten", begründet MOSOP-Chef Mitee den Widerstand.

Shell beruft sich auf Absprachen mit der Gemeindevertretung. In den vor drei Jahren am Ende der Militärdiktatur gewählten "Local Governments" sieht der Konzern einen demokratisch legitimierten Partner. MOSOP dagegen hält die Gemeindevertreter in ihrer Mehrheit für Opportunisten, die schon unter Diktator Abacha mit Konzernen und Obrigkeit gemeinsame Sache machten. Sie wurden gewählt als die MOSOP-Führung noch im Exil war und die Aktivisten vor Ort dem Frieden nicht trauten oder keine Mittel hatten, um sich am Wahlprozess zu beteiligen.

Shell weiß natürlich von diesen Konflikten und scheint sie sogar bewusst auszunutzen. So verweist die nigerianische Konzerntochter SPDC in ihrem im letzten Jahr erschienen Bericht über "Menschen und Umwelt" fast genüsslich auf ihre 1997 angelaufenen Kontakte mit MOSOP: "Diese bedeutsame Entwicklung wurde bisher auf Bitten des MOSOP-Vorsitzenden Ledum Mitee geheim gehalten." Dies schreibt Shell im Wissen, dass Mitee MOSOP-intern unter Beschuss steht. Eine Fraktion um den in Kanada lebenden Owens Wiwa, den Bruder des 1995 ermordeten Ken Saro-Wiwa, hat im März 2000 eine eigene MOSOP-Führung installiert.

Die Führungskrise bei MOSOP bringt mit sich, dass die einst schlagkräftige Organisation inzwischen kaum noch Einfluss außerhalb des kleinen Ogoni-Landes hat. Der Widerstand gegen die rücksichtslose Plünderung der Erdölreserven wird inzwischen vor allem vom Volk der Ijaw getragen, die mit rund 12 Millionen Menschen das größte im Niger-Delta sind. Doch auch der Rechtsanwalt Oronto Douglas, aktives Mitglied der "Environmental Rights Action" und des "Ijaw Youth Council" sowie Sprecher der über-ethnischen Chikoko-Bewegung wirft Shell und den anderen Ölkonzernen vor, weiter auf die Strategie des Teile und Herrsche zu setzen. Besuche in anderen Dörfern des Deltas lassen einen immer wieder auf die gleiche, von Angst und Frust bestimmte Atmosphäre treffen.

Thomas Mösch ist freier Journalist und Vorsitzender der Initiative Pro Afrika e.V.