05.02.2010

Schwierige Integration in Israel

Äthiopiens Falascha:

Falaschasynagoge in dem heute verlassenen Beit Israel. (Foto sameffron @flickr.com)

Aus aus: bedrohte völker_pogrom 256/257, 5/6/2009

"Jeder Jude hat das Recht, als Einwanderer nach Israel zu kommen." lautet das Rückkehrrecht, welches seit der Gründung Israels im Jahr 1948 schon etwa zwei Millionen Juden ins "Gelobte Land" geführt hat. Beispiellos war aber die Einwanderung der Beta Israel, die ihren international häufig verwendeten äthiopischen Namen Falascha ("Heimatlose") als abwertend empfinden. Sie wurden 1975 als Juden von Israel anerkannt und fanden in den 1980er und 1990er Jahren in zwei geheimen Rettungsaktionen auf dem Luftweg den Weg nach Israel.

Mitte des 20. Jahrhunderts lebten noch etwa 200.000 Angehörige der Beta Israel (hebr. "Haus Israel") in den Bergregionen Äthiopiens. Aufgrund ihres jüdischen Glaubens waren sie vielfach Diskriminierungen ausgesetzt. Nach dem Sturz des äthiopischen Kaisers Haile Selassi 1974 und der Machtübernahme durch das sowjetnahe Militärregime unter Mengistu 1975 wurden viele der äthiopischen Juden als angebliche Konterrevolutionäre inhaftiert, weil sie weiter an ihrer Religion festhielten. Als die Verfolgung der Beta Israel Anfang der 1980er Jahre zunahm und ihre Schulen und Synagogen geschlossen wurden, initiierte Israel die geheime "Operation Moses". Von November 1984 bis Januar 1985 wurden etwa 10.000 äthiopische Juden nach Israel ausgeflogen, die zuvor zu Fuß in den Südsudan fliehen mussten. Von dort aus wurden sie mit von Israel gecharterten Flugzeugen einer belgischen Fluggesellschaft ausgeflogen. Auf der Flucht in den Sudan starben tausende Beta Israel an Unterernährung, Krankheit und Erschöpfung. Als 1991 nach dem Fall des Militärregimes in Äthiopien Direktflüge von Addis Abeba nach Tel Aviv möglich wurden, überführte der israelische Staat bis 1998 in der "Operation Salomon" weitere 15.000 äthiopische Juden nach Israel und ermöglichte so zahlreiche Familienzusammenführungen.

Angekommen in Israel, wurden Einwanderer wie israelische Behörden vor zahlreiche neue Probleme gestellt. Zum ersten Mal sollte eine geschlossene schwarzafrikanische Gemeinschaft nicht nur aufgenommen, sondern auch integriert werden. Ein vom israelischen Staat entworfenes Integrationsmodell sah vor, dass die Einwanderer ein halbes bis ganzes Jahr in sogenannten "Entwicklungszentren" – unter anderem in Wohnwagensiedlungen im Negev – verbringen sollten. Sie sollten dort das Hebräische erlernen und den Übergang von der Subsistenzwirtschaft Äthiopiens zum industrialisierten Israel meistern. Die mehreren hunderttausend jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern oder aus Indien hatten ähnliche, wenn auch nicht so gravierende Integrationsschwierigkeiten.

Zunächst stellten sich auch religiöse Probleme. Der in Israel übliche jüdisch-orthodoxe Ritus des Tauchbadens gehörte nicht zu den Traditionen der "Falaschas". Die traditionsbewussten äthiopischen Juden empfanden es als Beleidigung, ohne diesen Ritus nicht als "vollständige" Juden anerkannt zu werden. Ein weiteres Integrationshindernis waren die verschiedenen Sabbatbräuche von Einwanderern und Einheimischen. Die psychische Belastung als Folge der Einwanderung führte bei vielen äthiopischen Juden zu psychosomatischen Krankheiten. Auch die Selbstmordrate unter ihnen war besonders hoch. Auf die Entwicklungszentren in der Isolation folgte für viele das Leben in sozialen Brennpunkten der Städte. Häufiger reagierten die Ansässigen negativ auf die dunkelhäutigen Einwanderer.

Als rassistisch erschien vielen der Beta Israel, das von ihnen gespendetes Blut aufgrund ihrer statistisch höheren HIV-Quote automatisch entsorgt wurde. Sie gingen deshalb daraufhin unter dem Motto "Unser Blut ist genau so rot wie Eures und wir sind genauso jüdisch wie Ihr" auf die Straße.

Heute wird die Zahl der in Israel lebenden Beta Israel auf 119.300 Menschen geschätzt. Sie zählen noch immer überwiegend zu den ärmsten Teilen der Gesellschaft. 1999 – also acht beziehungsweise 14 Jahre nach ihrer Ankunft - konnten bereits 25 Prozent von ihnen noch Hebräisch lesen oder schreiben. Verlässliche Zahlen darüber, wie sich dieses Verhältnis seitdem entwickelt hat, gibt es nicht. Doch Onolemhemhen Durrenda schreibt in seinem Buch "The Black Jews of Ethiopia", dass die israelischen Juden trotz der Integrationsschwierigkeiten langsam in die israelische Gesellschaft hineinwachsen –das betrifft sowohl die Religion, als auch die Bildung, den Militärdienst, den inzwischen fast alle Männer der Beta Israel absolvieren, und die Politik.

 

In Äthiopien leben heute nur noch wenige tausend Beta Israel, denn die meisten der nicht nach Israel emigrierten Juden wurden in den letzten Jahrzehnten sogenannte Falaschamura. Falaschamura sind Juden, die in der Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufstieg zum Christentum übergetreten oder zwangschristianisiert worden sind. Teilweise praktizieren sie auch wieder das Judentum. Die Zahl der Falaschamura in Äthiopien wird derzeit auf 20.000 bis 26.000 geschätzt.

[Zur Autorin]

Elfi Klabunde studiert an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und dem Institut d’Etudes Politiques de Renne Politikwissenschaft.

[Anm. d. Red.]

Israel hat zehntausende Angehörige der schwarzafrikanischen Beta Israel aufgenommen, deren Judentum in Israel sehr lange umstritten war. Die GfbV hat sich sehr stark für die Falascha engagiert und in den 1980er und 1990er Jahren immer wieder auf die Situation auf dem Weg nach Israel und in den Lagern dort bekannt gemacht. Wir forderten Regierungen auf, für die Falascha einzutreten und Israel zu unterstützten.

[Weiterführende Informationen]

Tilman Zülch: Die Falaschas, Äthiopiens schwarze Juden, pogrom 102-103 (10/83), S. 39-45.

Laurence Podselver und Ulysses Santamaria: Falascha/Israel. Der Schwarze Rabbi – Zur Situation farbiger Juden in Israel, pogrom 111 (12/84), S. 26-27.

Alex Diederich: Falascha/Israel. "Operation Moses". Zur Rückführung der äthiopischen Juden nach Israel, pogrom 113 (3/85), S. 21-22.

Carol Berger: Als Fremde im Gelobten Land. Die Integration äthiopischer Juden in Israel, pogrom 123 (9/86), S. 40-42.

Mordechai Arzi’eli: Der große Misserfolg. Zur Integration der äthiopischen Einwanderer in Israel, pogrom 136 (9/87), S. 46-48.

Wolfgang Mayr: Arabien. Judenfrei, fast, pogrom 219 (3/2003), S. 31.