20.04.2005

Schröder und Fischer trifft Mitschuld an der Erschießung des moderaten tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow

"Mit der Liquidierung des moderaten und nach OSZE-Angaben frei gewählten tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow hat Russland das Feld dem Terrorismus überlassen, den es durch seinen Völkermord an mindestens 160.000 Menschen in Tschetschenien geschaffen hat", sagt der Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Tilman Zülch. Der Menschenrechtler warf Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem Außenminister Joschka Fischer am Mittwoch Mitverantwortung für den gewaltsamen Tod von Maschadow und den fortgesetzten Leiden der geschundenen tschetschenischen Zivilbe­völkerung vor. "So hat die Bundesregierung dazu beigetragen, extremis­tischen Terroristen den Weg zu ebnen."

 

"Die Bundesregierung hat die russische Kriegspolitik gegen Tschetschenien fast bedingungslos unterstützt trotz der Massentötungen, -vergewaltigungen und –vertreibungen, der systematischen Verfolgung der Intelligenz, der Liquidierung von Menschenrechtlern und auch derjenigen, die gewaltlos Widerstand geleistet haben, trotz der Bombardements von Flüchtlingstrecks, Krankenhäusern, Ambulanzen, Kindergärten, Schulen und Moscheen und trotz "der ersten Vernichtung einer Großstadt durch Flächenbombardements seit dem Zweiten Weltkrieg" wie es der damalige SPD-Abgeordnete Rudolf Scharping am 19.01.1995 im Bundestag kritisierte", sagte Zülch. "Statt Wladimir Putin zu einer Beendigung des Genozids, zu Verhandlungen mit Maschadow und zu einer Autonomielösung für Tschetschenien zu drängen, haben Schröder und Fischer den Konflikt immer wieder auf die Verteidigung der staatlichen Integrität Russlands und die Terrorbekämpfung reduziert."

 

Nachdem Sozialdemokraten wie Grüne bis 1999 der damaligen Bundesregierung unter Helmut Kohl Mitverantwortung für die russische Vernichtungspolitik im Kaukasus vorgeworfen hatten, hat die derzeitige Bundesregierung nach Auffassung der GfbV den Feldzug Moskaus gegen Tschetschenien ebenfalls jahrelang auf vielfache Weise bestärkt. "Während russische Menschenrechtler, oppositionelle Demokraten und westliche Korrespondenten vor einer Renaissance des Stalinismus und der Hinwendung Russlands zum autoritären Staat warnen, hat Gerhard Schröder den russischen Präsidenten noch im Herbst 2004 zum "lupenreinen Demokraten" erklärt, kritisierte Zülch. Bundesverteidigungsminister Peter Struck plant jetzt sogar gemeinsame Truppenübungen. Im März 2000 habe sein Vorgänger Scharping nach dem zweiten Flächenbombardement Grosnys mit der russischen Armeeführung bereits 33 gemeinsame militärische Projekte vereinbart. Gleichzeitig hat die Bundesregierung eine Delegation des deutschen Geheimdienstes unter BND-Chef August Hanning in die tschetschenische Hauptstadt entsandt, um die Terrorismusbekämpfung der russischen Eroberer zu unterstützen.

 

ANHANG:

 

Brief der SPD-Abgeordneten Markus Meckel, Freimut Duve, Norbert Gansel, Volker Neumann und Gert Weisskirchen an den damaligen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl vom 26.4.1995

 

Ausschnitt: "Ich möchte Sie darum bitten, sowohl in Gesprächen mit Präsident Jelzin als auch öffentlich in aller Klarheit die Positionen des Deutschen Bundestages darzustellen und den Krieg und die Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien zu verurteilen. Der Krieg im Nord-Kaukasus muß sofort beendet und es müssen direkte politische Verhandlungen mit den von tschetschenischer Seite benannten Vertretern aufgenommen werden. Weiterhin wäre es wichtig, bei Ihrem Besuch Gespräche mit Bürger­rechtsbewegungen wie MEMORIAL, dem Komitee der Soldatenmütter Russlands und mit solchen russischen Abgeordneten zu führen, die diese Politik Jelzins verurteilt haben. Die demokratischen Kräfte Russlands brauchen die Unterstützung des Westens, der Deutschen und ihres Bundeskanzlers."

 

Auszüge aus der Bundestagsdebatte vom 19.1.1995:

 

"Da müssen Sie sich schon die Frage gefallen lassen, wieweit die Haltung des Westens - nicht nur die der Bundesregierung-, der vorschnell erklärt hat, es handle sich hier um eine innere Angelegenheit Rußlands- so lauteten wiederholte öffentliche Aussagen des Bundesaußenministers und des Bundeskanzlers sowie anderer westlicher Staatsführungen-, nicht entscheidend dazu beigetragen hat, dass in Moskau der Eindruck entstand: Wir haben freie Hand und können zuschlagen."

 

"Wenn die Bundesregierung dann nicht ihre Möglichkeiten ergreift, dann schädigt sie das Vertrauen, dass die großen Staaten innerhalb der OSZE den politischen Willen haben, auch gegen Schwierigkeiten international vereinbarte Regeln und Grundsätze durchzusetzen, sie wenigstens anzubahnen." (Rudolf Scharping)

 

Ich sage das vor dem Hintergrund der Gefahr der Beschwichtigung deshalb, weil in Tschetschenien zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg mit Flächenbombardements eine Großstadt vernichtet wird und weil sich niemand über die Wirkung und Auswirkung dieses Vorganges Illusionen machen sollte. Wer meint, das habe wenig mit europäischen oder deutschen Interessen zu tun, der liegt falsch und begeht kalten Zynismus." (Rudolf Scharping)

 

Auf die Frage, was der berühmte Menschenrechtler, Dissident und Duma-Abgeordnete Sergej Kowaljow von der neuen rot-grünen Bundesregierung erwarte, sagte er der GfbV am 1.11.2002:

 

"Nichts Gutes. Joschka Fischer kenne ich schon sehr lange, aus einer Zeit, als die Grünen noch nicht an der Macht waren und er immer so offen und laut aufgetreten ist. Schauen sie sich seine Position heute an! Alle diese Politiker stehen in der Schlange derer, die die Hände des KGB Offiziers, Herrn Putin, schütteln wollen. Führen wir einmal ein Gedankenspiel aus: Stellen Sie sich vor, in Deutschland würde ein ehemaliger Gestapo- oder SS-Mann zum Bundeskanzler gewählt. Und dann stellen sie sich vor, wie ein Journalist diesem neuen Kanzler die Frage stellt: Wie stehen Sie zu Ihrer Vergangenheit? - und die Antwort wäre: "Ich bin stolz auf meine Vergangenheit!" Das nenne ich westliche Doppelmoral."

 

Fischer in Moskau 2002 (nach Michael Thumann, Die Zeit, Nr. 7/2000)

 

Die Außenminister Italiens und Frankreichs und auch Joschka Fischer ließen sich von ihm in langen Unterredungen erläutern, wie Russland in Tschetschenien Terroristen bekämpft." Anschließend zeigten sich die Außenminister "beeindruckt" von Putins "Argumentation" und erklärten, dass es "legitim" sei, "gegen Terroristen vorzugehen", doch dass sie die russischen Methoden ablehnten. Mehr nicht. Das Klagelied über die Menschenrechte fiel aus. Russland dürfe "nicht isoliert" werden.

 

"… nicht einmal Völkermord war für sich allein ein zureichender Grund, um die westdeutsche Linke vor den Kampf eines unterdrückten, fernen Volkes zu mobilisieren. Wen kümmert in der Neuen Linken schon Biafra, wen die Ausrottung der südamerikanischen Indianer oder gar der Jahrzehnte lange Kampf der Kurden im Irak? Wer fragt nach dem Schicksal der nichtrussischen Völker im asiatischen Teil der Sowjetunion, wer nach den Vorgängen in Tibet? Wohl kaum einer. Stattdessen solidarisierte man sich eher mit jenen antiimperialistischen Kämpfen, wo man selbst etwas davon hatte. (Joschka Fischer: Von grüner Kraft und Herrlichkeit, 1984, S. 14)

 

zdf – heute journal vom 6.3.2005: Der Neue Stalin-Kult, ZDF Moskau

 

Zitat Alexander Jakowlew, Politologe:

 

"Selbst der Kreml hat keine Berührungsängste mehr. In diesem Jahr feiert Russland den 60sten Jahrestag des Sieges über den Faschismus, das Ende des Zweiten Weltkrieges. Stalin der Feldherr, unter dem die Rote Armee Berlin befreite. Dieses Denkmal soll in Jalta stehen, wo Truman, Churchill und Stalin die Welt nach dem Krieg neu ordneten. Der Diktator eingebettet in das Triumvirat der Sieger, das scheint unverdächtig."