26.11.2005

Sarayacu – ein Quichua-Ort im ecuadorianischen Regenwald im Widerstand gegen die Ölförderung

Ecuador

Zum Widerstand entschlossen: Quichua aus Sarayacu

Wenn man sich in Sarayacu in einem der verstreut am Fluß Borbonaza liegenden ovalen Holzhäuser trifft und die Kalebasse mit Asua (einem Chicha-Getränk aus gegorenem Maniok) unter den Gästen kreist, kommen die Gespräche unweigerlich auf das Thema "Öl". Wer mit dem Korb voll Maniok oder mit Bananen auf der Schulter von seinem Feld am Haus vorbei läuft, hört an den bedächtigen, zornigen, zweifelnden oder energischen Stimmen: Hier geht es um die Bedrohung des Ortes durch das Eindringen des argentinischen Ölkonzerns CGC (Compania General de Combustibles), der die Ölausbeutungsrechte für den Block 23 besitzt. Für die etwa 2000 Quichua, die in der aus fünf Dörfern bestehenden Gemeinde inmitten des ecuadorianischen Amazonastieflandes leben, ist dieses Gebiet nicht der kaufbare Block 23, sondern Sarayacu, was auf Quichua Mais (Sara) und Wasser (Yacu) bedeutet. Er ist der Ort, in dem die Quichua seit Generationen leben, und wo sie mit dem Kanu den Fluß hinab zum Fischen, Jagen, Sammeln oder aufs Feld fahren.

Die Menschen in Sarayacu sind entschieden und geschlossen gegen die Ölförderung in ihrem Gebiet. Obwohl Sarayacus Repräsentanten mit Mord bedroht werden, obwohl die Regierung die Erdölarbeiten sogar mit dem Militär durchzusetzen bereit ist und obwohl der Erdölkonzern CGC Einzelne zu korrumpieren, den Ort zu spalten und ihn mit $60.000 für sich zu gewinnen versucht: Die Quichua hier wissen, was die versprochene "Entwicklung" und "Zukunft" durch Ölförderung für ihr Leben bedeuten würde: In vielen Teilen des ecuadorianischen Regenwaldes können sie die Konsequenzen deutlich sehen. So leiden die indigenen Gemeinschaften nördlich von Sarayacu unter den Folgen der Ölförderung von ChevronTexaco: Ihr Ackerland und Trinkwasser sind vergiftet. Gesundheitliche Schäden wie ständige Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Hautausschläge, Fehlgeburten und Krebs haben zugenommen. Die neuen Straßen werden auch von Holzkonzernen genutzt. Alkoholismus und Prostitution breiten sich aus.

 

Zwischen 1971 und 1991 förderte der US-Konzern ChevronTexaco rund 1,5 Milliarden Barrel Öl (1 Barrel – 158 Liter) im ecuadorianischen Regenwald und hinterließ dabei massive Zerstörung und Verseuchung. Insgesamt liefen über 63,3 Millionen Liter Öl aus der 39 Mal gerissenen Trans-Anden-Pipeline aus (eineinhalb Mal so viel wie beim Tankerunfall der Exxon Valdez 1989). Milliarden von Litern hochgiftiger Abwässer sickerten in den Boden und in Flüsse. Für den Bau der Anlagen und Zufahrtsstraßen wurden riesige Regenwaldflächen abgeholzt. Zurück blieben 600 kaum abgedichtete Sondermülldeponien. 1993 gingen erstmalig etwa 30.000 betroffene Indigene vor Gericht und verklagten Texaco, jahrelang wissentlich ihre Erde verseucht zu haben. Tatsächlich belegen Briefwechsel des Konzerns, dass bewusst übelste Entsorgungsmethoden angewandt wurden, um $4,5 Milliarden Sanierungskosten zu sparen.

Sarayacu hat sich von Anfang an gegen alle Aktivitäten der Ölförderung gewehrt. Dabei ist es in eine starke indigene Bewegung eingebunden, in der zum einen Quichua, Cofan, Shuar, Achuar, Huaorani und Siona/Secoya aus den östlichen Tiefland, zum anderen Quichua u.a. aus dem Hochland organisiert sind. Obwohl indigene Gruppen die Hälfte der Bevölkerung bilden, müssen sie für gleiche gesellschaftliche Rechte kämpfen. Für die Menschen in Sarayacu begann der Widerstand gegen die drohende Zerstörung durch Ölförderung 1989 als sie Bohrungen des früher ecuadorianischen und heute zur britischen BP gehörenden Konzerns Arco in ihrem Gebiet verhinderten. 1992 ist der Gemeinde von Sarayacu ebenso wie anderen Gruppen benachbarter Quichua, Shuar und Achuar ihr Land offiziell zugesprochen worden. Doch der Staat verfügt nach wie vor über alles, was unter der Oberfläche ist. So hat die Regierung 1996 das Gebiet in Erdölblöcke unterteilt und dem argentinischen Konzern CGC die Konzession für das als Block 23 ausgewiesene Gebiet gegeben. Die CGC verkaufte 25% der Lizenz von Block 23 an die US-amerikanische Burlington Ressources Inc. in Houston, welche zu Texaco gehört, und weitere 25% der Ausbeutungsrechte an die Firma Perenco mit Sitz in Paris. Da Block 23 zum Großteil auf dem Land liegt, das offiziell Sarayacu gehört, hätten die Bewohnerinnen und Bewohner des Erdölförderungsgebietes zuvor konsultiert sowie eine Prüfung auf ökologische Verträglichkeit nachgewiesen werden müssen.

Im März 2004 hat Sarayacu den Fall vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission in Washington D.C. gebracht. Bereits am 6.Juli des gleichen Jahres verpflichtete der Richter die ecuadorianische Regierung, die Rechte der Quichua einzuhalten und deren Gesundheit und Unversehrtheit sicherzustellen. Am gleichen Tag hat der ecuadorianische Minister für Minen und Energie Eduardo Lopez die totale Öffnung von Ecuadors südlichem Amazonasgebiet für die Ölförderung angekündigt und die sich dem widersetzenden Organisationen als "unerwünscht" bezeichnet. So setzt sich die Politik der Einschüchterung gegen die Quichua mit Menschenrechtsverletzungen wie Hausdurchsuchungen, Morddrohungen, paramilitärischen Übergriffen und Überfallen, auch auf Sarayacus Rechtsanwalt, fort.

Als im Vorfeld sogar das ecuadorianische Militär eingesetzt wurde, um dem Ölkonzern CGC Zutritt zu verschaffen, fällte Sarayacu in einer Vollversammlung erneut die Entscheidung für Selbstbestimmung, für den Erhalt des Regenwaldes und einen eigenen Weg kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung. Im Januar 2004 riefen die Gemeindemitglieder den Ausnahmezustand aus und errichteten 25 "Camps für Frieden und Leben": eine lebendige Grenze, durch die sie den Zugang zu ihrem Land blockierten. Tatsächlich zogen sich die Soldaten zurück. Der entschlossene und friedliche Protest und seine vielseitige Unterstützung konnten somit bislang größere militärische Übergriffe verhindern.

Den Ansatz, die Erdölförderung notfalls mit Gewalt durchsetzen zu wollen, sehen die Menschen in Sarayacu als Folge der Fertigstellung der von der Westdeutschen Landesbank mitfinanzierten OCP-Pipeline (Oleoducto de Crudos Pesados). Der Bau der Pipeline zwischen Lago Agrio im Amazonastiefland und der Küstenstadt Esmeraldas hat den neuen Ölboom vorbereitet. Denn seit die umstrittene Pipeline 2003 fertig gestellt wurde, besteht dringender Bedarf an weiteren Fördergebieten.

Vielerorts werden die Proteste gegen die Ölpolitik lauter. So wehren sich die 2500 Huaorani im Norden Ecuadors gegen den Straßenbau im Yasuni-Nationalpark und konnten ihn vorerst erfolgreich stoppen. Sie fordern, sämtliche Ölarbeiten im Park einzustellen. Dort ist der brasilianische Konzern Petrobras aktiv. Im August 2005 besetzten hunderte von Demonstranten - Indigene, Ölarbeiter und Lokalpolitiker - in den erdölreichen Regionen Sucumbios und Orellana rund 200 Förderanlagen und zwei Flughäfen. Trotz der 35 Jahre Ölförderung haben die Verarmung in der Gesellschaft und die Verschuldung des Landes sogar zugenommen. Die internationalen Geldgeber erlassen dem Land wegen seiner Ölressourcen keine Schulden. Statt Kredite an die Einhaltung von Menschenrechten und den Schutz des Waldes zu knüpfen, setzt der Internationale Währungsfonds die ecuadorianische Regierung unter Druck, die ölreichen Regenwaldgebiete für die Entwicklung zu öffnen. Dagegen wehren sich die Indigenen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker unterstützt sie dabei.

 

Was kann ich tun?

Bitte unterstützen Sie das Projekt "Lebende Grenze"!

Um ihr Gebiet, das mit 200.000 Hektar etwa so groß wie das Saarland ist, kenntlich zu machen, will Sarayacu blühende Bäumen wie Obst- und Medizinbäumen pflanzen. So wird sichtbar: "Halt! Keine Ölförderung! Wir wollen hier weiter leben und das Land an unsere Enkel weitergeben! Respektiert uns und zerstört nicht unseren Lebensraum!"

Weltweit sucht Sarayacu Paten, die die Bäume spenden und ihre Geschichte weiter verfolgen. Somit zeigt die lebende Grenze aus Bäumen auch symbolisch, dass Menschen aus der ganzen Welt Sarayacu bei der Erhaltung seines Regenwaldgebietes und seiner Lebensweise unterstützen.

Spenden für das Projekt: Postbank Hamburg, Kontonr. 7400201, BLZ 20010020, Betreff: "Sarayacu"

 

Bleiben Sie informiert!

Sarayacu hat eine eigene Homepage, auf der sich in Englisch und Spanisch Nachrichten zum Widerstand gegen die Ölausbeutung und zur Gemeinde sowie Protestmöglichkeiten befinden:

http://www.sarayacu.com

Eriberto Gualingas Film "Ich verteidige den Regenwald" (2005) ist als DVD erhältlich  |>

Besonders eindrucksvoll zeigt der 20minütige Dokumentarfilm Eriberto Gualingas: die 2000 Quichua der Gemeinde Sarayacu lassen sich nicht zu Opfern machen. Sie treten der Zerstörung ihrer Lebensweise und ihres Lebensraums entschieden entgegen. Mit "Ich verteidige den Regenwald" ("Soy Defensor de la Selva") hat Eriberto Gualinga Kamera und Regie selbst in die Hand genommen, um die Auseinandersetzungen seines Ortes Sarayacu mit Ölarbeitern und Militärs aufzuzeigen. Seine Nähe zu den gefilmten Personen und ihrem Kampf ist deutlich zu spüren. Der Film wurde mit dem bolivianischen ANACONDA-Filmpreis ausgezeichnet.

Bestellungen der deutschsprachigen Version des Films als DVD (Kosten: 17,- €, davon gehen 12,- € in das Projekt "Lebende Grenze" in Sarayacu) bei der GfbV in Göttingen.

Lehrinnen und Lehrer, Pädagoginnen und Pädagogen können den Film "Brief nach Deutschland" in der Schule oder Jugendarbeit einsetzen! Rahmenhandlung des Films ist ein Video-Workshop, den Jugendliche aus Deutschland gemeinsam mit Jugendlichen aus Sarayacu im Regenwald gemacht haben. Der Film veranschaulicht die interkulturelle Begegnung, das alltägliche Leben der Menschen in Sarayacu und den Konflikt um die Ölförderung. Die deutschsprachige DVD kann bei der GfbV in Göttingen ausgeliehen werden!

Bitte schreiben Sie an den zuständigen ecuadorianischen Minister und an den Geschäftsführer der argentinischen Ölfirma CGC!

Für die indigene Bewegung von Sarayacu ist die internationale Unterstützung wichtig! Dass der lokale Widerstand gemeinsam mit einer kritischen internationalen Öffentlichkeit erfolgreich Druck ausüben können, hat das Abwenden des Militäreinsatzes gezeigt!

aktualisiert am 10.01.2006