22.01.2016

Russland: Fall Litwinenko – Untersuchungsergebnisse „nicht überraschend“

Verfolgung von Andersdenkenden ist auch Ergebnis verfehlter EU-Politik

Das Hauptquartier des russischen Geheimdienstes FSB in Moskau. Foto: © Vyacheslav Argenberg via Flickr

Kommentar

Die Ergebnisse des Untersuchungsberichts des britischen Richters Robert Owen über den Giftmord an dem ehemaligen russischen Geheimdienstmitarbeiter Alexander Litwinenko sind für die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in „keiner Weise überraschend“. Owen hat am Donnerstag in London bekannt gegeben, dass der russische Präsident Wladimir Putin den Mord "wahrscheinlich" gebilligt hat. Dazu erklärt die GUS-Expertin der GfbV, Sarah Reinke:

„Es ist erschreckend, dass die EU nach der Ermordung von Alexander Litwinenko fast zehn Jahre gebraucht hat, um den Charakter des russischen Regimes zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Erst nach einer langen Reihe von Verbrechen gegen die Menschlichkeit haben sich die EU-Politiker viel zu spät zu Sanktionen gegen Russland durchringen können. Erst mussten unter Putins Regime rund 80.000 Menschen im Tschetschenienkrieg sterben, der durch Bombenanschläge auf Wohnhäuser in Russland ausgelöst und mit ihnen begründet wurde. Diese Anschläge hat nach Recherchen von Litwinenko der russische Geheimdienst (FSB) zu verantworten. Es folgten Morde an Journalisten, Politikern und Menschenrechtsverteidigern. Auch da ist der FSB Drahtzieher. Er hält inzwischen mit dem organisierten Verbrechen auch in der hintersten Provinz Russlands die Zügel in der Hand.

Erst nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und Tausenden Toten im Donbass reagierte die EU zögerlich. Jede Chance, die demokratische, liberale russische Opposition politisch zu unterstützen, wurde verpasst. Mittlerweile wurden deren Akteure ermordet, verhaftet oder sind ins Ausland geflohen. Nur wenige versuchen unter Gefahr für Leib und Leben den Machenschaften ihres Staates Stand zu halten. Sie müssen sich als „fünfte Kolonne“, als „Schakale“, „Feinde des Volkes, Verräter“ und vieles mehr beschimpfen lassen. Und das auch, weil Europa sie verraten hat. Unter ihnen waren Persönlichkeiten wie Litwinenko, die den europäischen Politikern endlich die Augen öffnen wollten. Denn schon 2006 lagen alle Hinweise dafür auf dem Tisch, wie sich der russische Staat unter Putin entwickeln würde."

Sarah Reinke, Berlin/Göttingen, den 22. Januar 2016


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