29.01.2010

Roma vor Übergriffen, Umsiedlungen und Zerstörungen schützen!

Türkei:

Nachdem es in der Türkei im Dezember 2009 in Verbindung mit dem Verbot der prokurdischen Partei DTP zu Übergriffen auf Kurden gekommen war, bei denen auch zwei Menschen ihr Leben verloren, wurde jetzt eine weitere Minderheit des Landes Opfer nationalistischer Angriffe: Anfang Januar 2010 mussten 74 Roma ihre Heimatstadt Selendi in der westtürkischen Provinz Manisa verlassen, nachdem rund 1.000 gewalttätige Personen im Roma-Viertel Häuser, Autos und Geschäfte verwüstet und in Brand gesetzt hatten. Drei Menschen wurden dabei verletzt.

Die Roma-Familien wurden daraufhin von den türkischen Behörden in Fertighäuser des Roten Kreuzes in der rund 70 Kilometer entfernten Stadt Salihli umgesiedelt, weil die Polizei in Selendi nicht mehr für die Sicherheit der Minderheit garantieren konnte. Den Ausschreitungen in Selendi war in der Silvesternacht ein handfester Streit zwischen dem türkischen Besitzer eines Teehauses, Ramazan Yildiz, und dem 32-jährigen Roma Burhan Ucku vorausgegangen. In Folge der Auseinandersetzung sollen laut türkischen Medienberichten rund 20 Roma das Teehaus verwüstet haben.

Der Vorfall in Selendi passt zur romafeindlichen Stimmung in der Türkei, die vor allem von nationalistischen Kräften, wie der MHP ("Partei der Nationalistischen Bewegung"), geschürt wird. So müssen auch die Roma im Istanbuler Stadtteil Sulukule um ihre Existenz fürchten: In der ältesten Roma-Siedlung Europas, in der schon seit rund 1.000 Jahren Angehörige der Volksgruppe leben, sollen nach dem Willen der türkischen Behörden alle "baufälligen" Häuser der Roma abgerissen werden, um Platz für moderne Appartements und Boutiquen zu schaffen. Als Kulturhauptstadt 2010 möchte sich Istanbul anscheinend ein besseres Image verschaffen - auf Kosten der altansässigen Roma (s. pogrom 2/2009 "Ungeliebte Nachbarn", S. 40).

Die Roma könnten sich das Wohnen in ihrem angestammten Stadtteil, in dem sie schon lebten, bevor die Osmanen nach Istanbul kamen, dann nicht mehr leisten. 20.000 bis 40.000 Euro werden den Familien für den Verkauf ihrer Häuser und Grundstücke angeboten. Viele Betroffene willigten bereits ein; nur etwa 30 von ursprünglich 210 Roma-Familien leben noch in Sulukule. Insgesamt waren rund 3.500 Menschen von den Umsiedlungsplänen betroffen. In der gesamten Türkei leben circa 750.000 Roma.

Die noch in Sulukule verbliebenen Roma sehen in der Stadterneuerung den Versuch der Vertreibung der Roma aus Istanbul und wollen ihre Heimat deshalb nicht verlassen, wie ihr Sprecher Şükrü Pündük gegenüber der GfbV erklärte (pogrom 2/2009, S. 40). Sollten die Familien ihre Häuser nicht verkaufen, droht ihnen die Zwangsenteignung. Kritik am Vorgehen der türkischen Behörden kommt auch aus Reihen der restlichen türkischen Gesellschaft. Bürgerrechtler, Anwälte, Architekten und Künstler fürchten den Verlust eines Teils der jahrhundertealten Kultur Istanbuls.

Die GfbV fordert die EU-Vertretung in Ankara auf, sich bei der türkischen Regierung für den Schutz der Roma im Land einzusetzen! Weder darf es zukünftig zu gewalttätigen Übergriffen gegen die Minderheit kommen, noch dürfen Roma aus ihren Siedlungsgebieten vertrieben und damit ein Teil ihrer Kultur und Geschichte in der Türkei zerstört werden. Stattdessen muss die Türkei sich für ein friedliches Zusammenleben aller ethnischen Gruppen im Land einsetzen.

Bitte unterstützen Sie unseren Appell an die EU-Vertretung in Ankara, sich für die Rechte der Roma in der Türkei zu engagieren.

 

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aktualisiert am 23. Juli 2010

 

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